IYSSE-Versammlung an der Hochschule München

Die Aktualität des Marxismus

Mit einer Versammlung an der Hochschule München setzten die International Youth and Students for Social Equality (IYSSE) am 30. Mai ihre Veranstaltungsreihe zum Thema: „200 Jahre Karl Marx – Die Aktualität des Marxismus“ fort. Zuvor hatten dazu schon erfolgreiche Versammlungen an der Humboldt-Universität Berlin und an der Ruhr-Universität Bochum (RUB) stattgefunden. Es war gleichzeitig die erste IYSSE-Veranstaltung in München.

Die Versammlung an der Hochschule München

Die Analysen, die Karl Marx während des Aufstiegs des Kapitalismus entwickelt hatte, erweisen sich im heutigen kapitalistischen Niedergang als prophetisch. Vor allem die Kriegsgefahr, die extreme soziale Polarisierung und die Aufrüstung des Polizeistaats führen zu einer neuen Radikalisierung der Arbeiterklasse. Nur wenige Tage vor der Veranstaltung hatten in München 40.000 Menschen gegen das neue, diktatorische Polizeigesetz der bayrischen Landesregierung demonstriert.

Die IYSSE und die Sektionen des Internationalen Komitees der Vierten Internationale (IKVI) sind die einzigen, die dieser Entwicklung eine Perspektive auf marxistischer Grundlage entgegenstellen. So erklärte Tom, der Münchner IYSSE-Sprecher und Versammlungsleiter, in seiner Begrüßung, dass die IYSSE sich den 200. Geburtstag von Karl Marx speziell „zum Anlass nehmen, um den Marxismus an den Universitäten wieder aufleben zu lassen“.

Dann folgten rund 70 Teilnehmer gespannt den Ausführungen von Peter Schwarz, dem Chefredakteur der deutschen Ausgabe der World Socialist Web Site und langjährigen IKVI-Sekretär. Zunächst skizzierte Schwarz die Grundzüge von Karl Marx‘ monumentalem Werk, seine materialistische Geschichtsauffassung und sein dialektisches Verständnis der Gesellschaftsentwicklung. „Marx hat nicht einfach ‚ein neues Narrativ‘ entwickelt, wie man heute sagt, sondern seine Theorie stützte sich auf die fortschrittlichsten philosophischen, ökonomischen, soziologischen und naturwissenschaftlichen Errungenschaften seiner Zeit“, betonte Schwarz.

Im zweiten Teil ging Schwarz auf zentrale Auseinandersetzungen innerhalb der marxistischen Bewegung ein. Er erläuterte die wichtigsten Fälschungen des Marxismus, von Bernstein über Stalin und Honecker bis hin zu Horkheimer und Adorno, und setzte ihnen fundierte Entgegnungen von Marx und Engels, aber auch von Lenin, Trotzki und David North entgegen. Er erklärte, wie das Internationale Komitee der Vierten Internationale den Marxismus unter schwierigen Bedingungen verteidigte, und wies nach, dass es heute als einzige Tendenz die Kontinuität des Marxismus verkörpert.

Zum Schluss ging er auf die Aktualität des Marxismus für die heutige Zeit ein. Vor allem betonte er die akute Kriegsgefahr und die Entschlossenheit der deutschen Politik, auf Kriegs- und Handelskriegsdrohungen aus dem Weißen Haus mit der eigenen Aufrüstung zu reagieren, was Sigmar Gabriel mit dem Argument begründet habe, in einer Welt voller Fleischfresser hätten Vegetarier keine Chance. Schwarz wies auch ausdrücklich auf die vergiftete Kampagne gegen Flüchtlinge hin und warnte vor der akuten Gefahr für Julian Assange, aus der Botschaft Ecuadors in London an die USA ausgeliefert zu werden.

Schwarz zitierte die Stelle aus der WSWS-Erklärung zum 200. Geburtstag von Karl Marx, wo es heißt: „Das Jahr 2018 … wird in erster Linie durch eine enorme Verschärfung der sozialen Spannungen und durch eine weltweite Zuspitzung des Klassenkampfs gekennzeichnet sein.“ Nun hänge alles davon ab, „systematisch, bewusst und angriffslustig eine revolutionäre Führung aufzubauen!“

Dem Beitrag folgte eine lebhafte Diskussion. Grundsätzliche Fragen, wie die nach der Rolle der Gewalt, oder auch, was der Marxismus zur modernen Technologie zu sagen habe, wurden vom Redner umgehend und treffend beantwortet. Schließlich konzentrierte sich die Diskussion auf die Frage, inwieweit man in Deutschland tatsächlich von der „Rückkehr des Klassenkampfs“ reden könne.

Ein Student fragte, wie man sich „in einem funktionierenden Gemeinwesen wie der Bundesrepublik“ den Klassenkampf vorzustellen habe, ob nicht die Arbeiter hierzulande zu „saturiert“ dazu seien; ein anderer, ob auch auf Deutschland zutreffe, was in Lateinamerika leicht vorstellbar sei? Einer behauptete: „In der deutschen Arbeiterbewegung bewegt sich nicht viel.“

Schwarz widersprach diesen Vorbehalten ausführlich und überzeugend. Er legte die aktuellen Bedingungen dar, die objektiv zu einem neuen Aufleben des Klassenkampfs führen: „Gerade die deutsche Gesellschaft ist extrem polarisiert!“ Dies belegten zahlreiche Faktoren.

So seien immer mehr Menschen auf Niedriglohn angewiesen, 3,7 Millionen Vollzeitbeschäftigte verdienten trotz Vollzeitbeschäftigung weniger als 2000 Euro. Kinderarmut und Obdachlosigkeit seien im Vormarsch, und gerade München sei dafür berüchtigt, dass selbst Menschen, die einer festen Arbeit nachgehen, sich keine Wohnung leisten könnten. Auf der andern Seite wachse die Zahl der Milliardäre.

Schwarz wies darauf hin, dass schon die Streiks im Metallbereich und im öffentlichen Dienst erkennen ließen, wie sehr es in der arbeitenden Bevölkerung brodelt. Er betonte jedoch, dass dieselben Kräfte der SPD und der Grünen, die in der Schröder-Regierung durch die Hartz-Gesetze einen riesigen Niedriglohnsektor geschaffen hatten, den Kampf dagegen anschließend durch die Gewerkschaften erstickten und bis heute sabotierten. Und er berichtete aus Berlin, wo die Linkspartei seit Jahren mitregiert und selbst dafür gesorgt hat, dass soziale Errungenschaften abgeschafft und ganze Wohnbaugesellschaften verkauft worden sind.

„Erst vor wenigen Tagen sind in Berlin viele tausend Menschen für Kita-Plätze oder für bezahlbaren Wohnraum auf die Straße gegangen“, berichtete Schwarz. „Das Problem ist, dass die Gewerkschaftsführer, die wie Manager verdienen, den Klassenkampf unterdrücken. Sie haben sich aus Reformisten in pro-kapitalistische Betriebspolizisten verwandelt. Das steckt dahinter, dass im Moment rechte Kräfte wie die AfD, der Front National in Frankreich oder die Fünf Sterne in Italien profitieren können.“

Er berichtete über die Lehrerstreiks in den USA und die Streiks der LKW-Fahrer in Brasilien, und erinnerte an die Erfahrungen mit Syriza in Griechenland, dem Beispiel für den übelsten Verrat der Pseudolinken in den letzten Jahren. Schließlich wies er auf den arabischen Frühling hin, als in Ägypten 2011 eine revolutionäre Situation entstanden war, die aber keine politische Führung hatte.

„Alle diese Faktoren machen den Aufbau einer neuen revolutionären Führung dringend notwendig“, betonte der Redner. An diesem Abend, als die Versammlung endete, nahmen die meisten Teilnehmer die Überzeugung mit, dass in diese Richtung ein großer Schritt vorwärts getan worden war.

Hier finden Sie Informationen zu weiteren Veranstaltungen „Die Aktualität des Marxismus“.

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