Hatte der Hackerangriff auf Politiker staatliche Unterstützung?

Anfang Januar wurde bekannt, dass von zahlreichen deutschen Politikerinnen und Politikern, prominenten Musikern und Journalisten sensible persönliche und politische Daten gestohlen und im Internet verbreitet wurden. Von dem groß angelegten Datendiebstahl sind nach den bisherigen Erkenntnissen 994 aktive oder frühere Politiker betroffen.

Geleakt wurden vor allem Kontaktdaten wie Handynummern und Adressen, aber auch parteiinterne Dokumente wie Bewerbungsschreiben für Parteitage. In einigen Fällen wurden sehr persönliche Daten veröffentlicht – etwa Bilder von Personalausweisen, Einzugsermächtigungen für Lastschriftverfahren und Chats mit Familienmitgliedern oder Kreditkarteninformationen aus dem Familienkreis. Zum Teil sind die Dokumente mehrere Jahre alt.

Die Daten wurden bereits vor Weihnachten über eine Art Adventskalender auf Twitter veröffentlicht. Der Account, der die Dokumente publizierte, hat mehr als 17.000 Follower. Bereits seit 2017 wurden dort immer wieder persönliche Daten von bekannten Menschen veröffentlicht. Sie seien mehrfach gespiegelt und kaum zu löschen, heißt es in verschiedenen Medienberichten.

Auf einer Bundespressekonferenz kündigte Innenminister Horst Seehofer (CSU) gestern Nachmittag ein schärferes Vorgehen der Sicherheitsbehörden an. „Die zuständigen Ermittler arbeiten auf Hochtouren“ erklärte er. Ein Tatverdächtiger sei bereits vernommen worden und geständig. Es handle sich um einen 20-jährigen Schüler aus Mittelhessen. Der Innenminister lobte den „schnellen Fahndungserfolg“ und dankte den Sicherheitsbehörden für die „gute und rasche Zusammenarbeit“.

Künftig werde auf dem Feld der Cyber-Sicherheit rund um die Uhr gearbeitet. Ein neues IT-Sicherheitsgesetz sei bereits weitgehend ausgearbeitet und werde im ersten Halbjahr 2019 vorgestellt. Das Bundesamt für Sicherheit (BSI) werde personell deutlich aufgestockt. Auch die Qualifikation der BSI-Beschäftigten werde künftig genauer überprüft und verbessert.

Seehofer sagte kein Wort zu den Hinweisen, dass rechtsradikale Kräfte im Umfeld der AfD hinter dem Datenangriff stehen. Aber es ist bekannt, dass die Rechtspartei starke Unterstützer im Sicherheitsapparat hat.

Ein Blick auf die Fakten legt nahe, dass der Datenangriff Bestandteil der politischen Verschwörung ist, mit der die Bundesregierung ihre Politik der militärischen Aufrüstung durchsetzt und den staatlichen Überwachungsapparat stärkt, um jeden Widerstand dagegen zu unterdrücken.

Zunächst einmal ist auffällig, dass alle Bundestagsparteien von dem Cyber-Angriff betroffen sind, nur eine nicht – die AfD. 56 Prozent der insgesamt 709 Bundestagsabgeordneten sind betroffen, das sind 398 – 204 von der CDU/CSU, 90 von der SPD, 47 von der Linken, 31 von den Grünen und 26 von der FDP, aber kein einziger der 91 AfD-Abgeordneten.

Auch die Quelle des Angriffs deutet in Richtung rechtsextremer Kreise. Die Zeit ist dieser Frage genauer nachgegangen und gelangt zum Schluss: „Noch ist es nicht möglich, zu sagen, wer genau für die Veröffentlichung des Datenkonvoluts verantwortlich ist. Das Umfeld der Accounts lässt aber den Schluss zu, dass es sich um Täter mit Verbindung in die rechte Szene handelt. Der Hauptaccount @_0rbit beteiligte sich an extrem rechten Diskussionen auf Twitter.“

Laut Zeit stehen noch weitere rechte Nutzerkonten mit dem Hauptaccount in Verbindung, so der Account @AN_Offiziell (anonymousnews), der zum Umfeld der rechtsextremen Szene gehöre und sich als Teil der Hackergruppe Anonymous ausgebe. Auch der Zwillingsaccount anonymousnews.ru sei mit dem Leakaccount verknüpft. Als Betreiber werde ein Rechtsextremist aus Erfurt vermutet, der im Dezember 2018 wegen illegalen Waffenhandels zu zwei Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt wurde. Der Mann hatte gegen das Urteil Revision eingelegt und ist momentan unter strengen Meldeauflagen frei.

Der Chefredakteur der Bild-Zeitung Julian Reichelt, machte am Dienstag auf einen anderen Sachverhalt aufmerksam, der der offiziellen These vom jugendlichen Alleintäter, der „am Computer seine Allmachtphantasien ausgelebt“ habe, widerspricht. Es handle sich um einen „riesigen Datensatz“, den er gegenwärtig mit „einer Truppe hochspezialisierter Investigativreporter“ durcharbeite und analysiere, sagte Reichelt. „Das waren nicht ein oder zwei Jungs, die bei Pizza und Cola light im Keller gesessen haben. Das muss eine größere Struktur gewesen sein. Das Wahrscheinlichste ist, dass es zumindest staatliche Unterstützung – von welcher Seite auch immer – für diesen Hack gab.“

Der Bild-Chefredakteur deutet an, dass ein Staat „womöglich in subversiver Absicht“ versucht habe, die Bundesrepublik zu erschüttern, schreibt aber dann: „Nach Ansicht der Ermittler gibt es keine politische Motivation, keine Hinterleute in Russland, China oder einem anderen Land.“

Die Frage steht also im Raum: War der Datenangriff von dem rechten Netzwerk der AfD organisiert, das tief in den deutschen Sicherheitsapparat hineinreicht und von der Bundesregierung genutzt wird, um ihre rechte, unsoziale und auf militärische Aufrüstung ausgerichtete Politik durchzusetzen?

Die rechtsradikalen Strukturen, die in allen Teilen des Staatsapparats existieren, sind nur zu gut bekannt.

  • Im Sommer wurde der Chef des Verfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen, von seinem Amt enthoben, weil er sich schützend vor den neonazistischen Aufmarsch in Chemnitz gestellt hatte.
  • Der Verfassungsschutz verzichtet in seinem jüngsten Bericht auf die Erwähnung der AfD, obwohl diese Partei regelmäßig gegen Migranten hetzt, Rassismus schürt und die Wehrmacht und den NS-Staat verharmlost. Die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) wird dagegen in dem VS-Bericht als „linksextremistisch“ bezeichnet, mit der „Begründung“, sie übe Kritik am Kapitalismus.
  • Auch in der Bundeswehr wurde letztes Jahr ein Neonazi-Netzwerk aufgedeckt, als die Terrorpläne von Franco A. durch einen Zufall aufflogen. Der Bundeswehroffizier, der sich Schusswaffen beschafft hatte und anscheinend Anschläge auf hochrangige Politiker plante, hatte sich als syrischer Flüchtling registrieren lassen. Offenbar wollte er seine Taten Flüchtlingen in die Schuhe schieben. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main sah dennoch keinen Grund, gegen ihn Anklage zu erheben.
  • Als der Focus im November neue Einzelheiten über das „konspirative Netzwerk aus circa 200 ehemaligen und aktiven Bundeswehrsoldaten“ veröffentlichte, reagierten die anderen Medien nicht und die Sache wurde schnell wieder vertuscht und fallen gelassen.
  • Vor kurzem wurde eine rechtsradikale Zelle in der Frankfurter Polizei bekannt, die sich als „NSU 2.0“ bezeichnet.

Die Existenz einer rechtsradikalen Verschwörung im Staatsapparats ist also nicht das Phantasieprodukt einer Verschwörungstheorie, sondern bittere Realität.

In diesem Zusammenhang muss auch die politische Kampagne zur Verteidigung der AfD gesehen werden, die unmittelbar nach Bekanntwerden des Datenangriffs einsetzte. Ein tätlicher Angriff auf den Vorsitzende der Rechtspartei in Bremen diente als Anlass, reihenweise Solidaritätserklärungen für die AfD abzugeben. Völlig wahrheitswidrig wurde am Dienstagmorgen die Meldung verbreitet, der AfD-Abgeordnete sei von drei vermummten Personen mit einem Holzknüppel angegriffen und halbtot geschlagen worden.

Später wurden die Aufzeichnungen einer Überwachungskamera ausgewertet, die zeigen, dass der AfD-Funktionär von drei Männern verfolgt und von hinten attackiert wurde. Ein Sprecher der Bremer Staatsanwaltschaft erklärte, es gebe auf den Bildern „keine Tritte auf einen am Boden Liegenden“ und es prügele auch niemand mit einem Gegenstand auf das Opfer ein.

Trotzdem verbreiten alle Medien die Nachricht vom Mordanschlag und alle Parteien drücken der AfD ihre Unterstützung und Solidarität aus.

Loading