Graue Eminenz der deutschen Geheimdienste arbeitet für rechtsradikalen österreichischen Innenminister

Seit März dieses Jahres arbeitet Klaus-Dieter Fritsche, der jahrzehntelang eine führende Rolle bei den deutschen Geheimdiensten spielte, als Berater des österreichischen Innenministeriums. Der 1953 geborene Volljurist und CSU-Mann, der vor einem Jahr pensioniert wurde, soll „bei der Weiterentwicklung“ des österreichischen Verfassungsschutzes helfen, teilte das Innenministerium in Wien am 12. Februar mit.

Fritsche hat in Wien im Gebäude des Verfassungsschutzes ein Büro bezogen, wie das österreichische Ministerium für Inneres auf Anfrage des ARD-Fernsehmagazins Panorama bestätigte. Das sollte die Arbeiterklasse in Österreich, aber auch in Deutschland als ernste Warnung verstehen.

Innenminister Österreichs ist seit zwei Jahren Herbert Kickl von der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ), der die rechtsradikale Partei bis Januar 2018 als Generalsekretär führte. Der frühere Redenschreiber von Jörg Haider wurde durch Wahlkampfparolen wie „Daham statt Islam“ oder „Abendland in Christenhand“ berüchtigt.

Als sich die FPÖ 2005 spaltete, entschied sich Kickl gegen Haider und ging mit dem deutlich rechteren Flügel um Heinz-Christian Strache. 2016 nahm er an einem Kongress neurechter und rechtsextremer Vordenker, der sogenannten Verteidiger Europas, in Linz teil. In jüngster Zeit beklagte Kickl die „unkontrollierte Einwanderung aus Nicht-EU-Staaten wie auch die völlig unüberlegte Öffnung des Arbeitsmarktes für die Ost-EU-Staaten“.

Zurzeit plant er eine Verfassungsänderung, die es erlaubt, Asylbewerber ohne Vorliegen einer Straftat einzusperren. „Wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass von einem Asylwerber eine konkrete Gefährdung ausgeht, könnte eine solche Sicherungshaft“ verhängt werden, erklärte dazu das Innenministerium.

Geht es nach Kickl, kann der Chef des Asylamtes die Sicherungshaft ohne richterliche Anordnung verfügen, wenn er zur „Annahme“ gelangt, von dem Betroffenen gehe eine „potenzielle Gefährlichkeit“ aus. Der Innenminister betonte, ihm sei besonders wichtig, dass die Behörde die Sicherungshaft verhängen könne, ohne dass man erst „den umgekehrten Weg zunächst über die Gerichte“ nehmen müsse. In Erstaufnahmezentren für Asylbewerber, die seit dem 1. März „Ausreisezentren“ heißen, soll nach Kickls Willen künftig zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr früh eine nächtliche Ausgangssperre gelten und eine „Gefährdungsanalyse“ erstellt werden.

Diesen Mann soll Klaus-Dieter Fritsche nun mit seiner langen Erfahrung als Verwaltungsjurist in höchsten deutschen Geheimdienstkreisen beraten und – so darf vermutet werden – mit seinen guten Verbindungen zu den deutschen Sicherheitsbehörden auch unterstützen.

Der studierte Jurist und frühere Verwaltungsrichter war von 1993 bis 1996 Büroleiter des damaligen bayerischen Innenministers Günther Beckstein, der als rechter Scharfmacher bekannt war und in der Ausländerpolitik und der Terrorismusbekämpfung für eine härtere Linie eintrat.

Von Oktober 1996 bis November 2005 war Fritsche Vizepräsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Von Dezember 2005 bis zum Dezember 2009 arbeitete er als Koordinator der Nachrichtendienste des Bundes im Bundeskanzleramt. Anschließend war er von Dezember 2009 bis 2013 als beamteter Staatssekretär im Bundesinnenministerium tätig.

Von Januar 2014 bis März 2018 bekleidete Fritsche als Staatssekretär im Bundeskanzleramt das neu geschaffene Amt des Beauftragten für die Nachrichtendienste des Bundes und konnte damit als ranghöchster Beamter der Inneren Sicherheit im Bund gelten. Die Position ist laut Wikipedia mit dem Director of National Intelligence in den Vereinigten Staaten vergleichbar.

Fritsches Zeit in Führungspositionen der deutschen Geheimdienste fällt zusammen mit der Mordserie der Terrororganisation Nationalsozialistischer Untergrund (NSU). Der NSU verübte neben weiteren Verbrechen zwischen 2000 und 2007 Morde an neun Migranten und einer Polizistin.

Fritsche trug persönlich dazu bei, die Fahndung gegen die drei bekannten NSU-Mitglieder herunterzufahren. Als das Innenministerium 2003 beim Verfassungsschutz anfragte, ob von der Existenz einer „braunen RAF“, einer rechtsextremistischen Terrororganisation, auszugehen sei, verneinte Fritsche dies ausdrücklich. Obwohl seit 1998 gegen das Terrortrio gefahndet wurde und in seinem engsten Umfeld mindestens zwei Dutzend V-Leute des Verfassungsschutzes tätig waren, schrieb er in seiner Antwort an das Ministerium, es gebe „keine Anhaltspunkte“, dass es „in der rechtsextremistischen Szene eine solche Gruppe gibt“. Zu dieser Zeit hatte der NSU bereits mehrere Menschen umgebracht.

Als der NSU schließlich aufflog und der Verfassungsschutz darauf mit einer großangelegten Vernichtung von Akten reagierte, schirmte Fritsche die Dienste gegen jede Kritik ab und verteidigte sie vehement hinter den verschlossenen Türen des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zum NSU.

Der Ausschussvorsitzende Sebastian Edathy (SPD) geriet dort heftig mit Fritsche aneinander, als dieser vernommen wurde. Unter der Überschrift „Ex-Verfassungsschützer sorgt für Eklat“ berichtete der Stern, Fritsche habe sich mit harscher Kritik gegen den Ausschuss gewandt und sich geweigert, Fragen zu beantworten. Edathy habe kommentiert, „es gibt Grenzen dessen, was man hier hinnehmen muss“, und die Sitzung unterbrochen, nachdem Fritsche Kritik an der Arbeit der Sicherheitsbehörden mit scharfen Worten zurückgewiesen und Zwischenfragen von Abgeordneten abgelehnt habe.

Edathys Frage, ob er es für legitim halte, dem Untersuchungsausschuss die Tätigkeit von V-Leuten im Umfeld der NSU zu verschweigen, beantwortete Fritsche mit „Ja“. Das Staatswohl sei wichtiger als die parlamentarische Aufklärung.

In einem offiziellen Statement, das er vor dem Untersuchungsausschuss abgab, erklärte Fritsche damals, „die Funktionsfähigkeit und das Wohl des Staates und seiner Behörden“ seien „in einem Kernbereich besonders geschützt. Es dürfen keine Staatsgeheimnisse bekannt werden, die ein Regierungshandeln unterminieren. Es darf auch nicht so weit kommen, dass jeder Verfassungsfeind und Straftäter am Ende genau weiß, wie Sicherheitsbehörden operativ arbeiten und welche V-Leute und verdeckten Ermittler im Auftrag des Staates eingesetzt sind.“ Es gelte der Grundsatz „Kenntnis nur wenn nötig“. Das gelte sogar innerhalb der Exekutive.

Fritsches Karriere schadete die Missachtung des Untersuchungsausschusses nicht. Der Ausschussvorsitzende Edathy wurde dagegen mittels gezielt durchgestochener Informationen, er habe Nacktbilder von Jungen bezogen, persönlich und politisch erledigt, obwohl strafrechtliche Ermittlungen gegen ihn später wegen geringer Schuld eingestellt wurden.

Fritsche hat, anders als Kickl, eine offen faschistische Rhetorik zwar stets vermieden. Der Sache nach ist er zum FPÖ-Innenminister jedoch ideologisch durchaus kompatibel. Dies gilt insbesondere für die zitierte Auffassung, dass „die Funktionsfähigkeit und das Wohl des Staates und seiner Behörden in einem Kernbereich besonders geschützt“ seien, was in der Konsequenz darauf hinausläuft, dass sie im Zweifel höher stehen als demokratische Kontrolle und demokratische Rechte. Sogar oder gerade dann, wenn dadurch rechte Terrorgruppen und ihre Verbindungen zu staatlichen Sicherheitsbehörden gedeckt werden.

Der rechtsextreme österreichische Innenminister denkt in diesem Punkt ganz ähnlich wie der konservative deutsche Geheimdienstmann und Verwaltungsjurist. „Ich glaube immer noch, dass der Grundsatz gilt, dass das Recht der Politik zu folgen hat und nicht die Politik dem Recht“, sagte Kickl. Er rechtfertigte damit laut Panorama die Inhaftierung „gefährlicher Ausländer“, auch wenn sie nicht strafrechtlich verurteilt sind.

Die Auffassung, dass der Staat in der Lage sein muss, Menschen ohne demokratische Kontrolle oder juristische Überprüfung zu „Feinden“ zu erklären und nach Belieben gegen sie vorzugehen, ist insbesondere von Carl Schmitt, dem „Kronjuristen des Dritten Reiches“, entwickelt worden. Sie ist eine Schnittstelle konservativen und faschistischen Denkens. Nicht zufällig ist Schmitt sowohl bei Rechtsradikalen wie bei manchen Konservativen wieder sehr populär.

Bemerkenswert ist, dass Fritsche das Bundeskanzleramt in Berlin für seine neue Tätigkeit um Erlaubnis gebeten und diese auch erhalten hat. Regierungssprecher Steffen Seibert bestätigte, dass das Kanzleramt von Fritsches Plänen, für die österreichische Regierung tätig zu werden, gewusst habe. Dienstliche Interessen deutscher Behörden stünden dem nicht entgegen. Österreich sei ein enger Partner „im Kampf gegen den internationalen Terrorismus“.

Seibert ergänzte: „Herr Fritsche als ehemaliger Staatssekretär im Bundeskanzleramt hat da in strukturellen Fragen erhebliche Erfahrungen einzubringen.“ Die Aussage legt nahe, dass die Bundesregierung es nicht nur erlaubt, sondern auch befürwortet, wenn Fritsche einem führenden Vertreter der rechtsradikalen FPÖ hilft, den österreichischen Inlandsgeheimdienst nach seinen Vorstellungen umzubauen,.

Dies bestätigt zum einen, dass die Bundesregierung hinter der rechten Koalition in Österreich steht und sie beim Aufbau eines Polizeistaats aktiv unterstützt. Zum anderen ist es ein deutliches Signal, dass auch in Deutschland die Aufnahme einer rechtsradikalen Partei, der AfD, in eine künftige Regierungskoalition möglich ist und in höchsten Kreisen ernsthaft erwogen wird.

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