„Diktaturen als alternative Ordnungen?“ – Nicht mit uns!

Studierendenparlament der Humboldt-Universität verurteilt Baberowskis rechten Think-Tank

Am Donnerstag, den 25. April, verabschiedete das Studierendenparlament (StuPa) der Berliner Humboldt-Universität eine Resolution gegen die Finanzierung eines rechten Think-Tanks für Diktaturforschung durch die Universität. Initiator und treibende Kraft dieses Projekts, das seit rund fünf Jahren unter dem Titel „Diktaturen als alternative Ordnungen“ vorbereitet wird, ist der rechtsradikale Professor und Osteuropa-Historiker Jörg Baberowski.

Der Antrag wurde von den International Youth and Students for Social Equality (IYSSE) eingebracht und fast einstimmig angenommen. Lediglich zwei von drei Abgeordneten des RCDS, der Studentenorganisation der CDU/CSU, stimmten dagegen. Die Resolution verurteilt nicht nur Baberowskis Diktaturen-Projekt, sondern auch die Bemühungen der Universitätsleitung, die breite studentische Opposition dagegen zu unterdrücken.

Der vollständige Resolutionstext lautet:

„Das Studierendenparlament verurteilt die politischen und persönlichen Angriffe seitens der Universitätsleitung, zahlreicher Medien und ProfessorInnen auf ein studentisches Mitglied des Akademischen Senats (AS). Dieses hatte legitimerweise auf Twitter Teile der Unterlagen bekannt gemacht, die im öffentlichen Teil des AS als Diskussionsgrundlage für die Errichtung eines ‚Zentrums für vergleichende Diktaturforschung‘ dienen sollten.

Das Studierendenparlament spricht sich gegen die Errichtung dieses Zentrums aus Mitteln der Humboldt-Universität aus, das ausdrücklich als ‚Think Tank‘ konzipiert ist, und das – gestützt u.a. auf die Theorien Carl Schmitts, des ‚Kronjuristen des Dritten Reichs‘ – politischen EntscheidungsträgerInnen Handlungsmöglichkeiten aufzeigen soll. Es geht hier nicht um die wissenschaftliche Erforschung von Diktaturen, sondern um die Legitimation autoritärer Herrschaft. Das StuPa ruft die Mitglieder des Akademischen Senats dazu auf, der Errichtung eines solchen Zentrums auch in Zukunft die Zustimmung zu verweigern.“

Helmut Wolff, StuPa-Abgeordneter der IYSSE, begründete die Resolution und ging auf den Hintergrund und die Bedeutung des Diktaturen-Zentrums ein.

Den Antrag für die Errichtung des Zentrums hatte Baberowski zusammen mit Anna-Bettina Kaiser eingereicht, einer Jura-Professorin an der HU, die 2017 zum Thema „Ausnahmeverfassungsrecht“ habilitiert wurde. Zahlreiche weitere Professoren sind an dem Projekt beteiligt. Sie fordern von der HU eine Fördersumme von 50.000 Euro für die kommenden drei Jahre, zusätzlich sollen Drittmittel eingeworben werden.

Bei dem Projekt sollen Diktaturen als legitime und attraktive Alternative zur Demokratie betrachtet und „wertfrei“ untersucht werden.

Wie Wolff in der StuPa-Sitzung zitierte, bezeichnen die Antragsteller Diktaturen als „Ordnungen, die nicht allein auf Unfreiheit, Gewalt und Unterdrückung beruhen,“ sondern „Konfigurationen des politisch Möglichen“ darstellen, „die verstanden werden müssen“. Sie seien in der Moderne schon immer Alternativen gewesen, „die unter bestimmten Umständen an Attraktivität gewannen“.

Weiter heißt es im Antrag: „In manchen Ländern konnten Bürger tatsächlich ideell oder materiell von ihnen profitieren, weil unter prekären Verhältnissen offene Gesellschaften nicht leisten können, was Diktaturen unter anderen Umständen gelingt.“

Das Zentrum ist ausdrücklich als „Think-Tank“ geplant und verfolgt das Ziel, „der Politik Angebote zu machen, die im Alltag der Entscheidungsfindung Verwendung finden können“. Mit anderen Worten: Baberowski, der für seine Verharmlosung der Nazis („Hitler war nicht grausam“) und seine Hetze gegen Geflüchtete („Merkel muss die Grenzen dicht machen“) berüchtigt ist, will die politischen Entscheidungsträger beraten, wie die wachsende Opposition gegen Rechtsruck, Militarismus und soziale Ungleichheit unterdrückt werden kann.

Ausdrücklich stützen sich Baberowski und seine Mitstreiter bei ihrem Vorhaben auf Carl Schmitt, der bereits in der Weimarer Republik für diktatorische Herrschaftsformen argumentiert und nach 1933 die Nazi-Herrschaft legitimiert hatte. Zu Ehren dieses Nazi-Juristen hatte Baberowski im Oktober 2016 auf Einladung der „Carl-Schmitt-Gesellschaft“ an der HU die „Carl-Schmitt-Vorlesung“ gehalten.

Über zahlreiche Kooperationspartner soll das reaktionäre Projekt national und international vernetzt und ausgeweitet werden. Erst kürzlich war Baberowskis Lehrstuhl bei einem Workshop über „Diktaturen im Wandel“ an der Princeton University, die 300.000 Dollar für ein gemeinsames Forschungsprojekt bereitstellt.

Doch Baberowskis Versuch, den Antrag für das Diktaturen-Zentrum klammheimlich auf einer Sitzung des Akademischen Senats am 15. Januar verabschieden zu lassen, scheiterte.

Wie Wolff im Studierendenparlament schilderte, war der Projektantrag schon im Vorfeld auf breite Kritik gestoßen – sowohl im Begutachtungsprozess, wo er von zwei von vier Fachgutachtern zerrissen wurde, als auch unter Studierenden. Vor der AS-Sitzung hatte ein studentischer Vertreter Auszüge der Unterlagen auf Twitter gepostet und kritisch kommentiert. Die IYSSE hatten ein Statement mit dem Titel „Diktaturen als alternative Ordnungen?“ – Nicht mit uns!” auf ihrer Homepage gepostet. Auch die taz griff das Thema auf und publizierte einen kritischen Artikel.

Daraufhin brach ein Sturm der Entrüstung los, angeführt von Baberowski selbst. Er attackierte seine eigenen Studierenden auf Facebook und Twitter als „Kriminelle“ und „Linksextremisten“ und beleidigte den taz-Journalisten in AfD-Manier als „Denunzianten“. Mehrere rechte Medien, die schon früher Baberowski unterstützt hatten, sprangen ihm erneut zur Seite, darunter der Cicero, die Frankfurter Allgemeine Zeitung und die Welt.

„Es wurde eine hysterische Kampagne losgetreten, die darauf abzielt, studentische Kritik mundtot zu machen“, betonte Wolff. Das Projekt sei aufgrund des großen Widerstands dann von der Tagesordnung der Sitzung genommen und auf unbestimmte Zeit vertagt worden. Einige Professoren, die offensichtlich auf eine rasche Verabschiedung des Antrags gesetzt hatten, hätten empört reagiert und den studentischen Vertreter für seine Tweets verbal attackiert, so Wolff.

Die sozialdemokratische Universitätspräsidentin Sabine Kunst, die schon auf Geheiß der AfD den ReferentInnenrat (AStA der HU) verklagt hatte, reagierte mit autoritären Maßnahmen, um die studentische Opposition gegen Baberowskis rechten Think-Tank und die Machenschaften der HU zu unterdrücken.

Sie brachte in der nächsten AS-Sitzung einen Antrag zur Änderung der Geschäftsordnung ein, um den Zugang zu Sitzungsunterlagen grundsätzlich einzuschränken. Dieser Vorschlag stieß zwar im Gremium auf Ablehnung und wurde noch nicht verabschiedet, aber er verfolgt ein klares Ziel: Künftig soll geheim bleiben, welche dubiosen und rechten Think-Tanks die Uni finanzieren will. Jede studentische und mediale Kritik soll von vornherein verhindert und eingeschüchtert werden.

Doch das wird nicht gelingen. Die Resolution des Studierendenparlaments und die öffentliche Entlarvung des Diktaturen-Zentrums sind ein weiterer Schlag für Baberowski und die rechten Machenschaften der Universitätsleitung.

Das starke Abstimmungsergebnis ist Ausdruck der großen Opposition unter Studierenden gegen den wachsenden Rechtsruck in Deutschland und international. Entscheidend ist nun die Frage der politischen Perspektive. Um die Rückkehr von Diktatur und Faschismus zu stoppen, müssen die Wurzeln dieser Entwicklung bekämpft werden: das kapitalistische System. Die IYSSE rufen deshalb alle Studierenden und Jugendlichen auf, sich aktiv am Aufbau einer internationalen sozialistischen Bewegung der Arbeiterklasse zu beteiligen.

Siehe auch:

Princeton University stellt 300.000 Dollar für den rechten Historiker und Propagandisten Jörg Baberowski bereit

[12. April 2019]

Loading