Trump vergießt Krokodilstränen über Massaker-Opfer

Mississippi: US-Einwanderungsbehörde verhaftet fast 700 Immigranten

Mit der größten Razzia gegen Immigranten seit Trumps Einzug ins Weiße Haus gab die US-Regierung ihre wahre Antwort auf das faschistische Massaker in El Paso (Texas). Sie zeigte so ihre Übereinstimmung mit den immigrantenfeindlichen Hetztiraden des Täters, der zweiundzwanzig Menschen, fast allesamt Hispanoamerikaner, ermordet hatte.

Razzia der Einwanderungsbehörde in einem Betrieb in Mississippi [Quelle: Twitter, @ICEgov]

Am 7. August fanden Razzien in sieben Anlagen zur Geflügelverarbeitung in Mississippi statt. Dabei umstellte und durchsuchte eine Armee von 650 Agenten der Einwanderungs- und Zollbehörde und schwer bewaffneten Einheiten der Special Weapons And Tactics (SWAT) die Gebäude. Sämtliche Beschäftigte, die nicht nachweisen konnten, dass sie sich legal in den USA aufhielten, wurden verhaftet.

Während fast alle 680 Verhafteten lateinamerikanischer Herkunft sind, ist nichts darüber bekannt, wie viele von ihnen sich ohne Papiere in den USA aufhielten. Laut den Beamten der Einwanderungsbehörde (ICE) sollen bis auf einige „humanitäre“ Ausnahmen alle, die keine Dokumente vorweisen können, abgeschoben werden.

Die Anlagen gehören den beiden Lebensmittelkonzernen Koch Foods Inc. aus Park Ridge in Illinois (nicht verwandt mit den Koch-Brüdern des Öl-Imperiums), sowie Peco Foods aus Tuscaloosa (Alabama). Die Anlagen befinden sich in den sechs Kleinstädten Bay Springs, Canton, Carthage, Morton, Pelahatchie and Sebastopol, die rund um die Hauptstadt von Mississippi, Jackson, liegen.

In dem Koch Foods-Werk in Morton erlebte ein Reporter die Verhaftungen. Wie er schrieb, versammelten sich etwa 70 Familienmitglieder, Freunde und Anwohner vor dem Gebäude. Als die Busse vorfuhren und die Verhafteten einsteigen mussten, riefen ihre Angehörigen: „Lasst sie frei! Lasst sie frei!“

Die Arbeiter wurden mit Kabelbindern gefesselt, ihre Habe in Plastiktüten verpackt. Danach wurden sie in Busse gepfercht, die sie zum Stützpunkt der Nationalgarde von Mississippi in Flowood brachten. Laut Presseberichten sollen fast 700 Arbeiter in einem Flugzeughangar auf dem Stützpunkt festgehalten und verschiedenen Kategorien zugeordnet werden. Einige von ihnen werden sofort abgeschoben, andere werden freigelassen, weil sie tatsächlich amerikanische Staatsbürger sind.

Bei einer früheren Großrazzia in Tennessee, bei der 100 Arbeiter verhaftet wurden, kamen 500 Kinder am nächsten Tag nicht in die Schule. Angesichts des viel größeren Ausmaßes der Razzia in Mississippi werden vermutlich Tausende von Kindern direkt betroffen sein.

In Scott County, wo sich die Städte Morton und Sebastopol befinden, erklärte Oberschulrat Tony McGee vor der Presse, dass bei der Razzia Eltern von Schülern aller Schulstufen verhaftet worden seien. Wie er weiter sagte, hat man die Schulbusfahrer angewiesen, Kinder in die Schulen zurückzubringen, falls zu Hause niemand auf sie warte.

Vertreter der ICE und des Justizministeriums behaupteten, es gebe keinen Zusammenhang zwischen dem Timing der Razzia und Trumps Besuch in Dayton (Ohio) und El Paso (Texas) am gleichen Tag. Der US-Staatsanwalt für den Süddistrikt von Mississippi, Mike Hurst, erklärte vor der Presse: „Diese Operation hat schon vor einem Jahr begonnen. Man kann nicht innerhalb von drei Tagen 650 Spezialagenten aus dem ganzen Land im Süddistrikt zusammenziehen. Das muss monatelang vorbereitet werden.“

Allerdings wusste Trump natürlich über die Massenverhaftungen in Mississippi bestens Bescheid, als er die Air Force One bestieg. Es kümmerte ihn nicht, dass diese Machtdemonstration seine Vorstellung als „Versöhner“ und „Einheitsstifter“ durchkreuzen könnte. Er nahm im Gegenteil die Gelegenheit wahr, seinen faschistischen Anhängern zu demonstrieren, dass die Regierung trotz der Empörung der Bevölkerung über das Massaker von El Paso weiterhin rücksichtslos gegen Immigranten vorgehen werde.

Die offiziellen Erklärungen der Einwandererbehörde (ICE) sind in einem bürokratischen Jargon abgefasst, der den Horror für Hunderte von Arbeiterinnen und Arbeitern verbergen soll. Ihr einziges „Verbrechen“ war es, ihre Familien über Wasser zu halten, indem sie die undankbarsten und am schlechtesten bezahlten Jobs übernahmen. Das Schlachten und die Verarbeitung der Hühner in diesen Anlagen ist kräftezehrend und aufgrund des hohen Arbeitstempos auch gefährlich.

Die Behörde erklärte in einer Stellungnahme: „Alle rechtswidrig anwesenden Ausländer, die am Mittwoch verhaftet wurden, werden von ICE-Mitarbeitern befragt, um potenzielle mildernde humanitäre Gründe festzustellen.“ Damit sind die wenigen Ausnahmen unter den Verhafteten gemeint, die für in den USA geborene Kinder die einzige Bezugsperson sind. Sie werden möglicherweise freigelassen, müssen aber eine elektronische Fußfessel tragen.

Auf die die allermeisten von ihnen wartet jedoch das Abschiebungsverfahren. Sobald sie einen endgültigen Bescheid erhalten haben, werden sie per Flugzeug in ihre Heimatländer gebracht, d.h. die meisten nach Mexiko, El Salvador, Guatemala oder Honduras.

Der amtierende ICE-Direktor Matthew Albence bekräftigte die Position der Regierung, Eltern und Kinder nicht trennen zu wollen, allerdings sei es im alltäglichen Betrieb des Strafrechtssystems üblich, dass Familien durch Verhaftungen getrennt würden. Auf die Frage, was mit Arbeitern passiert, die Kinder in den USA haben, erklärte er, die betroffenen Kinder würden zu anderen Familienmitgliedern gebracht werden. In manchen Fällen könnten die Eltern auch mit elektronischen Fußfesseln freigelassen werden.

Im letzten Haushaltsjahr hat sich die Zahl der Unternehmen, in denen Razzien stattfanden, vervierfacht. Im Jahr 2018 führte Homeland Security Investigations (HSI) laut einer Mitteilung der ICE 6.848 Untersuchungen in Betrieben durch; im Jahr 2017 waren es nur 1.691 gewesen. Laut Newsweek hat sich die Zahl der Verhaftungen am Arbeitsplatz durch die Einwanderungsbehörde seit 2016 um 650 Prozent erhöht.

Die meisten Personen, die bei diesen Razzien verhaftet werden, stammen aus Mexiko. Daneben wurden auch Staatsbürger von Honduras, Venezuela, Tschechien, Kasachstan, Peru, El Salvador, Guatemala, Kolumbien, dem Iran, Nigeria, Korea, den Philippinen, Rumänien und Großbritannien verhaftet.

Die meisten nicht gemeldeten Immigranten in den USA sind berufstätig. Laut einer Studie des Pew Research Center sind es acht Millionen von insgesamt fast elf Millionen. Insgesamt machen sie etwa fünf Prozent aller Berufstätigen aus.

Die Razzien vom Mittwoch verdeutlichen, wie real die Gefahr des Faschismus ist. Sie erwächst im Wesentlichen nicht aus den Taten einzelner Massenmörder wie demjenigen von El Paso, sondern aus der Mobilisierung staatlicher Kräfte wie den heutigen Gestapo-Behörden ICE und Border Patrol, sowie aus der ultrarechten Bewegung, die Trump aufbaut.

Im Juni hatte Trump angekündigt, er werde „Millionen“ von nicht gemeldeten Immigranten durch groß angelegte Razzien abschieben. Diese Drohungen wiederholte er, um Immigranten aus den zehn Großstadtregionen einzuschüchtern, die er als potenzielle Ziele nannte. Inzwischen bereitete die ICE die Razzia im Süden von Mississippi und weitere, noch bevorstehende Angriffe vor.

Die Razzien am Mittwoch fanden statt, während die Welt noch immer von den drei schrecklichen Massakern der letzten acht Tage erschüttert war. Insgesamt wurden bei den Ereignissen in Gilroy (Kalifornien), Dayton (Ohio) und El Paso (Texas) 34 Menschen getötet und 57 verwundet.

Als sich Trump bei seinen zynischen Besuchen in Dayton und El Paso als „oberster Tröster“ inszenierte, erwarteten ihn wütende Demonstranten, die erkannt haben, wie das Weiße Haus wirklich auf die Massaker reagiert: Nämlich mit weiteren Razzien gegen Immigranten und noch mehr fremdenfeindlichem Schmutz.

Bevor Trump am Mittwoch zu seiner Reise aufbrach, wies er Kritik an seinen fremdenfeindlichen Reden zurück, derer sich fast wortgleich auch der Täter von El Paso in seinem faschistischen Manifest bedient hatte. Trump behauptete: „Ich denke, meine Reden bringen die Menschen zusammen … Unser Land steht gerade wirklich gut da.“

Trumps Gegner aus der Demokratischen Partei inszenieren sich derweil als Kämpfer gegen seine rassistische und immigrantenfeindliche Hetze. Der ehemalige Vizepräsident Joe Biden, momentan der Spitzenkandidat für die Präsidentschaftskandidatur 2020, attackierte Trump am Mittwoch in einer Rede in Burlington (Iowa).

Biden erklärte: „Dieser Präsident hat sowohl durch klare, wie auch durch codierte Sprache den weißen Rassismus in dieser Nation geschürt. Wir haben einen Präsidenten, der sich mit den dunkelsten Kräften dieser Nation verbündet hat … [Trump] hat sich öffentlich und unverhohlen zu einer politischen Strategie des Hasses, des Rassismus und der Spaltung bekannt.“ Und er fügte hinzu: „Er hat mehr mit George Wallace gemein als mit George Washington.“

Das stimmt zwar zweifellos, doch Trump muss den Abschieberekord der Obama-Biden-Regierung erst noch knacken. Sie hat im Jahr 2012 mehr als 400.000 Immigranten abgeschoben, Trump erreichte im letzten Jahr „nur“ den Höchstwert von 256.000.

Biden sagte auch nichts über die Rolle der Demokraten im Kongress. Sie haben noch vor ihrer Sommerpause einen Haushaltsdeal genehmigt, der eine vollständige Finanzierung des Heimatschutzministeriums vorsieht. Dieser Deal umfasst Geld für weitere ICE-Razzien sowie für Haftzentren und die Einstellung weiterer ICE- und Border Patrol-Beamten. Die Demokraten konzentrieren ihre Bemühungen darauf, den massiven Widerstand der Bevölkerung gegen Trump zu zerstreuen und zu unterdrücken, und damit ermöglichen sie seine wirtschaftsfreundliche, autoritäre und militaristische Agenda.

Das Haushaltsgesetz, das die Demokraten durch den Kongress gewunken haben, beinhaltete die Verpflichtung der Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi (Demokratische Partei), und ihres Parteikollegen, des Minderheitsführer im Senat, Chuck Schumer, keine weitere Kritik an Trumps Vorhaben der Mauer zu Mexiko zu üben. Damit steht ihm der Weg frei, seine seit langem versprochene Mauer an der amerikanisch-mexikanischen Grenze mit Mitteln aus dem Pentagon-Etat zu bauen.

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