US-Autoindustrie: Tarifverträge laufen aus

Autoarbeiter sind zum Kampf entschlossen

Der Termin rückt näher: Am 14. September laufen die Tarifverträge von mehr als 150.000 Arbeitern bei Ford, GM und Chrysler in den USA aus.

Die Gewerkschaft United Auto Workers (UAW) ist in ein ausuferndes Korruptionsverfahren verwickelt, in dessen Verlauf letzte Woche Anklage gegen Michael Grimes, den ehemaligen Assistenten der Vizepräsidenten Joe Ashton und Cindy Estrada erhoben wurde. Grimes soll bei Bekleidungsaufträgen der UAW-Personalabteilung bei GM Bestechungsgelder in Höhe von fast zwei Millionen Dollar erpresst haben. Laut Insiderquellen ist Ashton der anonyme „Gewerkschaftsfunktionär 1“ aus der Anklageschrift, der bei vielen dieser Geschäfte mit Grimes zusammengearbeitet hat.

Fiat-Chrysler-Arbeiter in einem Vorort von Detroit

Um der wachsenden Wut der Arbeiter zuvorzukommen, veranstaltet die UAW im ganzen Land Streik-Urabstimmungen. Fiat-Chrysler-Arbeiter (FCA) im Montagewerk Sterling Heights am Stadtrand von Detroit, in Belvidere (Illinois) und anderen FCA-Standorten sollen am Donnerstag und Freitag abstimmen, weitere Abstimmungen in GM- und Ford-Werken sind für nächste Woche geplant.

Unter den Autoarbeitern macht sich sehr schnell eine kämpferische Stimmung breit. Die UAW hat seit drei Jahrzehnten in einem Tarifvertrag nach dem anderen Zugeständnisse durchgesetzt und lehnt deshalb die Mobilisierung der Arbeiter zu einem echten Kampf ab. Wenn es tatsächlich zum Streik kommt, wird die Gewerkschaft alles in ihrer Macht Stehende tun, um ihn auf einen zahnlosen „Hollywood-Streik“ zu begrenzen, der nur ein paar Tage oder Stunden dauert und nur ein oder zwei Werke betrifft. Branchenblätter wie Automotive News sprachen offen über die Idee, einen begrenzten Streik zu veranstalten, damit die Arbeiter Dampf ablassen können, und danach einen weiteren Ausverkauf auszuhandeln.

Mehrere Arbeiter schrieben dem WSWS Autoworker Newsletter ihre Meinung über den UAW-Korruptionsskandal. Unter anderem hieß es: „Wir sollten ganz von vorne beginnen, denn wir wurden unverfroren verraten.“ Ein anderer schrieb: „Wer heute noch der UAW vertraut, der muss ein Idiot sein. Was mit uns passiert ist, war nichts anderes als legale Erpressung. Wir haben nichts als Gegenleistung für unsere Beiträge bekommen. Es ist ein offener Schlag ins Gesicht.“

Ein ehemaliger Facharbeiter fügte hinzu: „Ich hoffe, als nächstes wird bei UAW Ford ermittelt.“

Ein kanadischer Autoarbeiter schrieb: „Unifor in Kanada hat in der Autobranche die gleiche Art von Abkommen wie in den USA. Ich frage mich, ob es bei Unifor denselben Skandal gibt, weil sie gekauft wurden.“

Die Gewerkschaft, die Unternehmensleitung und die Medien haben eine Mauer des Schweigens um die laufenden „Verhandlungen“ über einen neuen Tarifvertrag errichtet. Der Grund dafür ist, dass die Rahmenbedingen des Abkommens bereits ausgehandelt wurden und es jetzt nur noch darum geht, wie man einer rebellischen Belegschaft einen weiteren unternehmensfreundlichen Tarifvertrag aufzwingt. Die Arbeiter sind jedoch entschlossen, die jahrelangen Lohnverluste auszugleichen und das verhasste Zweiklassen-Lohnsystem abzuschaffen, durch das Arbeiter erst nach acht Jahren Arbeit die höchste Lohnklasse erhalten.

Im Jahr 2009 sanierte Präsident Obama die bankrotten Autokonzerne GM und Chrysler, u.a. durch die Halbierung der Löhne für neu eingestellte Arbeiter und andere umfangreiche Kürzungen. Seither machen die Autokonzerne schon zehn Jahre lang Rekordprofite. Obwohl sie im Geld schwimmen, sind die Konzerne und die hinter ihnen stehenden Wall-Street-Investoren entschlossen, die Arbeiter für sinkende Umsätze, die Gefahr einer weiteren weltweiten Rezession und die Kosten für neue Technologien, wie elektrische und selbstfahrende Autos, bezahlen zu lassen. Zu ihren Forderungen gehört ein weiterer Ausbau der schlecht bezahlten, befristeten Jobs und der Zeitarbeit sowie die Aushöhlung der Krankenversicherung für Arbeiter.

Ein Facharbeiter aus dem Fiat-Chrysler-LKW-Werk in Warren, dessen Familie seit vier Generationen dort arbeitet, schrieb dem Autoworker Newsletter: „Sie werfen alle besser bezahlten Arbeiter raus und ersetzen sie durch befristete Teilzeitarbeiter. Die jüngere Generation wird nie die gleichen Leistungen bekommen wie die alte.“ Er schrieb weiter, unter den Vollzeitarbeitern gebe es in seinem Werk mittlerweile mehr schlecht bezahlte Arbeiter der zweiten Klasse als solche der ersten Klasse.

Er äußerte Verachtung für die UAW-Funktionäre: „Bei den Wahlen in der Gewerkschaft geht es nicht um Kompetenz, sondern um Popularität. Wenn ein Gewerkschaftsfunktionär meine Stimme will, versuche ich, nach seinem Programm zu fragen, da gehen sie weiter und schütteln jemand anderem die Hand. Sie machen ihre Arbeit nicht und sind untereinander eng vernetzt. Ich habe in meiner ganzen Berufslaufbahn noch nicht erlebt, dass ein Vertrauensmann in seinem Job arbeitet.“

Er fuhr fort: „Das Unternehmen kauft sogar die Vertrauensleute und Komiteemitglieder. Die würden ihre Mutter verkaufen. [Im LKW-Werk Warren] wurde das Arbeitstempo erst verlangsamt, jetzt beschleunigt und weiter hochgedreht. Es ist wie ein Fleischwolf ... Es gibt kein Ergonomie-Team, und die Verletzungsgefahr ist gestiegen. Die Sicherheit wird vernachlässigt.“

Während der Sanierung 2009 besuchte Obama das Werk. Der Arbeiter erklärte dazu: „Das war Betrug. Die Konzerne haben ihm eine Wunschliste gegeben, was profitabler werden soll. Und die Beschäftigten haben nie eine Gegenleistung bekommen, als das Unternehmen wieder wirtschaftlich war.“

Als Letztes schrieb er: „Als mein Vater und mein Großvater gestreikt haben, hat das angestrebte Allgemeinwohl den finanziellen Verlust aufgewogen ... Ich habe meinen Kindern beigebracht, dass ein Müllmann genauso wichtig ist wie ein Arzt“.

Ed, der acht Jahre lang im Fiat-Chrysler-Getriebewerk in Kokomo gearbeitet hat, erklärte gegenüber dem Autoworker Newsletter: „Wir müssen die Lohnklassen abschaffen und die Anpassung an die Lebenshaltungskosten (COLA) wieder einführen. Wir werden die Großen Drei [GM, Ford und Fiat Chrysler] lahmlegen müssen, um dieses Ziel zu erreichen. Es ist lächerlich, dass es acht Jahre dauert, bis man den Höchstlohn bekommt, während die Konzerne Rekordprofite machen.“

Zum Korruptionsskandal bei der UAW erklärte Ed: „Da ist nur die Spitze des Eisbergs rausgekommen. Das geht von der internationalen bis auf die lokale Ebene. Momentan wirft das Management Arbeiter wegen der geringsten Vorwände raus, zum Beispiel weil man keine Schutzbrillen oder Ohrenstöpsel trägt. Sie werden für 30 Tage suspendiert. Das schmerzt wirklich, aber die UAW tut nichts dagegen. Das passiert immer vor Tarifverhandlungen, um die Arbeiter einzuschüchtern.“

Wenn es einen Kampf geben soll, müssen die einfachen Arbeiter ihn beginnen. Das gefährlichste wäre eine abwartende Haltung gegenüber der UAW. Stattdessen sollten die Arbeiter Aktionskomitees errichten, um ihre eigenen Forderungen zu vertreten und einen landesweiten Streik vorzubereiten. Allerdings wird der Kampf nicht erfolgreich sein, wenn er auf die drei großen Detroiter Autokonzerne in den USA beschränkt bleibt. Die transnationalen Konzerne haben eine globale Strategie, um die Arbeiter gegeneinander auszuspielen und die Produktion in die billigsten Regionen zu verlagern. Deshalb brauchen auch die Arbeiter eine internationale Strategie, um ihre Kämpfe in Nord- und Südamerika, Europa, Asien und Afrika zu koordinieren.

In den letzten 18 Monaten kam es zu einer Welle von Streiks in der Auto- und Zulieferindustrie – von Rumänien und Tschechien über Deutschland, die Türkei und Großbritannien bis zur Revolte der Maquiladora-Arbeiter im mexikanischen Matamoros. Der Kampf für die Einheit der Arbeiterklasse erfordert eine politisch bewusste Zurückweisung des Wirtschaftsnationalismus, den die UAW, die Trump-Regierung und die Demokraten sowie ihre Pendants im Rest der Welt propagieren, um die Arbeiterklasse zu spalten, zu schwächen und für ihre eigene Politik des Handelskriegs und des Militarismus einzuspannen.

Der Fiat-Chrysler-Arbeiter aus Kokomo (Indiana) erklärte nach einer Diskussion über die wachsende Welle von Kämpfen in der Auto- und Zulieferindustrie von Mexiko bis Indien und China, er sei ebenfalls für die internationale Vereinigung der Arbeiter und die Koordination der Kämpfe auf der ganzen Welt gegen die transnationalen Konzerne: „Ein Kampf über alle Grenzen hinweg wird nötig sein, um diese Konzerne lahmzulegen und zu erkämpfen, was wir brauchen.“

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