Globale Autobauer forcieren Wiedereröffnung inmitten Corona-Pandemie

Die meisten globalen Autokonzerne wollen schon diese Woche die Produktion wieder aufnehmen, obwohl sich die Corona-Pandemie weiter ausbreitet. Gleichzeitig wachsen die Wut und der Widerstand tausender Arbeiter, da die kapitalistischen Regierungspolitiker, Unternehmer und Gewerkschaftsfunktionäre die Gesundheit ihrer Belegschaften so unverhüllt dem Profit opfern.

In Europa haben die Autokonzerne schon mit der Produktion begonnen. Seit dem Montag, 4. Mai, arbeiten BMW und Porsche, während die Ford-Werke in Saarlouis und Köln je eine Schicht laufen lassen. VW hat die Produktion schon im April wieder hochfahren lassen: bereits ab dem 20. April in Zwickau, und am 27. April in Wolfsburg und den übrigen Werken. Organisiert wird das Hochfahren der Produktion von IG Metall und Betriebsrat, die die Arbeiter trotz Corona-Gefahr zurück in die Fabriken zwingen

Letzte Woche nahm Fiat Chrysler (FCA) seine Produktion im Werk Sevel im italienischen Atessa wieder auf, noch bevor der offizielle Lockdown aufgehoben worden war. Für diese Woche ist die Wiederinbetriebnahme von weiteren Werken in Italien geplant, dem Land, das in Europa am stärksten von Covid-19 betroffen war.

Auch die Luxusautohersteller Ferrari in Italien und Rolls-Royce sowie Aston Martin in Großbritannien nehmen diese Woche den Betrieb wieder auf. In Frankreich produziert PSA seit Montag in einigen Werken, während der allgemeine Neustart am 11. Mai erfolgen soll. Auch in Osteuropa wird die Autoproduktion wieder aufgenommen; beispielsweise lässt Ford im rumänischen Craiova wieder voll arbeiten.

Ford demonstriert einen Temperaturscan, der zur Überprüfung von Arbeitnehmern eingesetzt werden soll (Quelle: Ford)

In Nordamerika stellen sich die drei großen Detroiter Autokonzerne auf eine Wiederaufnahme der Produktion am 18. Mai ein, in weniger als zwei Wochen. Dabei grassiert in Michigan, dem Zentrum der Autoindustrie, weiterhin die Pandemie. FCA hat bereits medizinische Versorgungszelte außerhalb seiner Fertigungswerke in Windsor und Brampton in Ontario (Kanada) sowie vor einigen Werken im Raum Detroit errichtet. FCA, Ford und General Motors haben in den letzten Wochen Arbeiter in den USA dazu gedrängt, zurückzukehren und die Fabriken für die Wiedereröffnung vorzubereiten.

Andere Autobauer wie Hyundai, Kia, BMW und Daimler haben jedoch ihre Fabriken im Süden der USA bereits in Betrieb genommen, u.a. in Montgomery (Alabama), West Point (Georgia), Spartanburg (South Carolina) und Vance (Alabama). Honda, Toyota und Subaru planen die Wiedereröffnung ihrer Werke in den USA für den nächsten Montag, den 11. Mai.

Die Autobauer stehen bei der Wiederaufnahme der Produktion und der Koordination der riesigen Lieferketten in ganz Nordamerika vor nahezu beispiellosen Herausforderungen. Ein Großteil der Fertigung in den USA ist von Teilen abhängig, die in Mexiko produziert werden, wo die Zahl der Covid-19-Fälle rapide steigt. Genau wie ihre Kollegen in den USA rebellierten in den letzten Wochen auch die Arbeiter in Mexiko wegen fehlender Schutzausrüstungen und Sicherheitsvorkehrungen mit einer Reihe von Ausständen in den Maquiladora-Sweatshops entlang der Grenze.

Doch die Regierung des mexikanischen Präsidenten Andrés Manuel Lopez Obrador (AMLO) arbeitet eng mit der verarbeitenden Industrie in den USA und der Trump-Regierung zusammen. Sie wollen sicherstellen, dass die Lieferung von Teilen an die US-Konzerne ungeachtet der steigenden Zahl von Todesopfern nicht unterbrochen wird.

Der Präsident des globalen Autozulieferers Katcon erklärte gegenüber der Detroit Free Press: „Wenn es nach den Äußerungen der mexikanischen Regierung und des Präsidenten selbst geht, scheint man dort sehr klar und vernünftig zu sein und gesundheitliche und wirtschaftliche Erwägungen so gut wie möglich ins Gleichgewicht zu bringen.“ Der Unternehmensvorstand wiederholte die Worte von AMLO: „Wenn die USA und Kanada die Wirtschaft wieder anlaufen lassen, werden wir die Autoindustrie wieder in Betrieb nehmen.“ Er setzte hinzu: „Der Dialog in Mexiko ist sehr positiv und ermutigend.“

Was die drei großen Detroiter Autokonzerne angeht, so weisen Pressemitteilungen und öffentliche Erklärungen der Unternehmensvorstände und Gewerkschaftsfunktionäre immer wieder auf die sorgfältige Vorbereitung von „Sicherheitsprotokollen“, und sie behaupten, die Gesundheit der Arbeiter habe „höchste Priorität“. Die Fakten sprechen jedoch eine andere Sprache. Erst nachdem die Arbeiter im März eine Reihe von spontanen Streiks in ganz Ontario, Michigan, Indiana und Ohio organisiert hatten, mussten die Unternehmen die Produktion stilllegen. Dennoch sorgte die verspätete Stilllegung dafür, dass sich das Virus wochenlang ungehindert ausbreiten konnte, sodass bis jetzt in den drei Detroiter Autokonzernen mindestens zwei Dutzend Arbeiter an Covid-19 gestorben und viele weitere ernsthaft erkrankt sind.

Die Detroit News meldete am Montag den Tod von vier Arbeitern aus dem FCA-Lastwagenwerk in Warren. Eine von ihnen war die 65-jährige Catherine Bright Pace. Sie hatte in der Lackiererei gearbeitet, wo die Arbeiter am 16. März den Arbeitskampf gegen die Ausbreitung des Virus aufgenommen hatten.

Sowohl die Konzerne als auch die Gewerkschaft United Auto Workers behaupten, Maßnahmen wie Fiebermessen würden ausreichen, um für die Arbeiter sichere Bedingungen für eine Rückkehr an die Arbeit herzustellen. Allerdings beweisen wissenschaftliche Studien über die Pandemie, dass ein Großteil der Patienten, die andere anstecken, keine Anzeichen von Fieber oder sonstige Symptome zeigen. Eine Studie in Island fand heraus, dass 50 Prozent aller Fälle asymptomatisch sind.

Ein langjähriger Arbeiter des GM-Fertigungswerks in Wentzville bei St. Louis erklärte auf die Frage der WSWS, ob die Arbeiter eine Rückkehr an die Arbeit für sicher halten: „Nein! Alle, mit denen ich darüber spreche, sind dagegen. Viele sagen, wenn sie so früh wieder anfangen, werden sie sich sofort krankschreiben lassen.“

Ein Arbeiter des Autozulieferers Metalsa in Kentucky erklärte: „Meine Betriebsleitung glaubt, eine Maske und das Saubermachen würde für unsere Sicherheit reichen. Ich habe selbst Vorerkrankungen und ein erhöhtes Risiko, deshalb habe ich große Angst. Die UAW wird uns nicht helfen. Der örtliche Gewerkschaftspräsident hat noch nie jemand anderem als sich selbst geholfen.“

Auch in den sozialen Netzwerken äußern die Arbeiter weiterhin ihren Widerstand. Posts auf der offiziellen Facebook-Seite der UAW werden üblicherweise mit Hunderten von wütenden Kommentaren von Arbeitern beantwortet, und sie greifen die Gewerkschaft für ihre Gleichgültigkeit gegenüber der Gesundheit und Sicherheit der Arbeiter an.

UAW-Präsident Rory Gamble veröffentlichte am 30. April einen Brief, in dem er Ford für die Gespräche über Pläne zur Wiederaufnahme der Arbeit lobte. Ein Arbeiter schrieb als Antwort darauf: „Wollen Sie wissen, wie man Infektionen vermeiden kann? Lasst die Werke geschlossen. Dass es bei diesen Entscheidungen um Geld geht, steht außer Frage.“ In einem anderen Kommentar heißt es: „Sie können ja nicht mal die Toiletten sauber halten.“

Die UAW wiederholt zwar sklavisch die PR-Aussagen der Unternehmen über Sicherheitsprotokolle, hat aber gleichzeitig bedrohliche Warnungen an die Arbeiter ausgesprochen, es sei notwendig, Symptome selber zu melden. Damit versucht sie, die Verantwortung für zukünftige Ausbrüche von den Unternehmern auf die Arbeiter abzuwälzen. Der Vizepräsident der UAW-Ford, Gerald Kariem, erklärte letzte Woche: „Wir erkennen außerdem an, dass wir alle die Aufgabe haben, jede Ansteckung ohne negative Folgen zu melden, und die Verpflichtung, konsequent diese Schutzmaßnahmen durchzusetzen.“

Die Autokonzerne und breite Teile der amerikanischen Wirtschaft wollen von der Trump-Regierung den gleichen Schutz vor Haftung wie die Fleischverarbeitungsindustrie, um Prozesse zu vermeiden, weil sie wissentlich Arbeiter gefährlichen Arbeitsbedingungen aussetzen.

Industrie-Lobbyorganisationen wie die Alliance for Automotive Innovation, die Motor & Equipment Manufacturers Association und die National Association of Manufacturers veröffentlichten am Sonntag einen Brief an den Kongress, in dem es hieß: „Unternehmen, die ihr Bestes tun, um die Ausbreitung dieser Krankheit anhand der beschränkten vorhandenen Richtlinien einzudämmen, verdienen rechtlichen Schutz.“

Im Versuch, das Festhalten ihres Geldbeutels als Maßnahme darzustellen, Engpässe bei Gütern und Dienstleistungen zu verhindern, hieß es: „Die kurzfristige Aussetzung von Klagen, die zur Stilllegung wichtiger Industrien führen könnten ... ist ein vernünftiger Schritt, um sicherzustellen, dass alle Amerikaner Zugang zu grundlegenden Gütern haben, ohne dass neue Engpässe entstehen und die Krise verschlimmert wird.“

Noch während die Autokonzerne die Wiederaufnahme der Produktion forcieren, um erneut Profit zu machen, äußern Unternehmensvorstände und Branchenanalysten immer lauter ihre Absicht, auf den Zusammenbruch der Umsätze mit rücksichtslosen Kostensenkungsmaßnahmen zu reagieren.

Ford-Vorstandschef Jim Hackett erklärte vor kurzem bei einer Telefonkonferenz mit Investoren: „Eins ist wahr: Man sollte keine Krise ungenutzt lassen.“ Hacketts Äußerung erinnert an den Kommentar des Stabschefs der Obama-Regierung, Rahm Emanuel, im Jahr 2008: „Man möchte eine schwere Krise nie ungenutzt verstreichen lassen.“ Was Emanuel damit meinte, wurde ein paar Monate später deutlich, als die Obama-Regierung General Motors und Chrysler in die Insolvenz zwang. Danach arbeitete sie mit den Autokonzernen und der UAW zusammen, um zahlreiche Werke zu schließen, Tausende Arbeiter zu entlassen und die Löhne sowie Zusatzleistungen für neu eingestellte Arbeiter massiv zu kürzen.

Adam Jonas, Analyst bei Morgan Stanley, schilderte vor kurzem in einem Podcast für Automotive News Daily Drive, was für ein drastisches Ausmaß an Entlassungen und anderen Sparmaßnahmen die Wall Street erwartet, wenn die Unternehmen nicht schnell genug wieder zum normalen Betrieb zurückkehren. Falls die monatlichen Autoverkäufe weiter bei elf Millionen Stück verharrten, würden die Autokonzerne „Gefahr laufen, sich zu einer Zombieindustrie zu entwickeln“. Dann würden „die meisten Unternehmen nur überlebensfähig bleiben, wenn sie ihre Belegschaft dauerhaft reduzieren und/oder ihre Fixkosten um 30 Prozent oder mehr kürzen“ (Hervorhebung hinzugefügt). Dies würde den Abbau von Tausenden von Arbeitsplätzen inmitten der schlimmsten Wirtschaftskrise seit der Großen Depression der 1930er bedeuten.

Die Bestrebungen, die Autoindustrie auf Kosten der Arbeiter wieder in Betrieb zu nehmen, stoßen bereits auf Widerstand.

Am Montag begannen Arbeiter des Nissan-Werks im spanischen Barcelona einen unbefristeten Streik, nachdem das Unternehmen am gleichen Tag versucht hatte, die Produktion in diesem Werk wieder aufzunehmen. Bisher hat sich Nissan geweigert, langfristige Pläne für die Zukunft des Werks bekanntzugeben, was Anlass zu großer Besorgnis gibt. Nissan könnte das Werk möglicherweise ganz schließen.

Die Autoarbeiter müssen die falsche Alternative zurückweisen, die ihnen jetzt präsentiert wird: entweder Arbeitslosigkeit und Elend oder Krankheit und Tod. Überall auf der Welt sind Arbeiter mit der Notwendigkeit konfrontiert, Aktions- und Sicherheitskomitees in den Fabriken als neue Organisationen zu gründen, um sich vor der Pandemie zu schützen und sicherzustellen, dass ihre Rechte gewahrt werden.

Den Forderungen der Unternehmen und ihrer Partner in den Gewerkschaften, das Leben der Arbeiter den Profiten unterzuordnen, müssen diese Organisationen die Forderungen nach einer verlängerten Stilllegung aller nicht-relevanten Produktion, nach vollständigem Lohnausgleich und Einkommensschutz für die Arbeitslosen und Zwangsbeurlaubten, sowie nach einer massiven Ausweitung der Tests und der medizinischen Versorgung entgegenstellen.

Um diese Forderungen durchzusetzen, müssen die Geldspritzen der Regierung an die Wall Street und die Konzerne in Billionenhöhe zurückgenommen und die Autoindustrie unter die demokratische Kontrolle der Arbeiter gestellt werden.

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