Affäre Philipp Amthor: Was steckt hinter Augustus Intelligence?

Der Name der Firma Augustus Intelligence wurde erstmals am 12. Juni einer breiteren Öffentlichkeit bekannt, als der Spiegel darüber berichtete, dass der CDU-Abgeordnete Philipp Amthor Lobbyarbeit für das US-Unternehmen betrieben hat und dafür mit Luxusreisen, Aktienoptionen und einem Direktorenposten belohnt wurde. Seither steht Amthor im Ruf der Käuflichkeit.

Philipp Amthor auf dem CDU-Parteitag 2019 (OlafKosinsky / CC BY-SA 3.0)

Inzwischen stellt sich aber die Frage, ob Augustus Intelligence überhaupt ein Wirtschaftsunternehmen ist, oder ob es sich um eine verdeckte Geheimdienstoperation handelt? Journalisten, die nachgeforscht haben, sind auf immer neue Merkwürdigkeiten gestoßen.

Augustus Intelligence scheint über unbeschränkte Geldmittel zu verfügen. Es bewirtet seine Gäste in teuren Luxushotels, lässt sie im Privatjet über den Atlantik fliegen und unterhält Büroräume im New Yorker World Trade Center – geschätzte Jahresmiete: eine halbe Million Dollar. Bemerkbare wirtschaftliche Aktivitäten lassen sich dagegen nicht feststellen.

Obwohl die Firma in den USA ansässig ist, besteht sie fast nur aus Deutschen. Im Führungspersonal und unter den Geschäftspartnern finden sich hochrangige Vertreter des deutschen Sicherheitsapparats und der deutschen Wirtschaft – darunter der ehemalige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, der ehemalige Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen, der ehemalige Chef des Bundesnachrichtendienstes August Hanning, der Unternehmensberater Roland Berger und der Milliardärserbe August François von Finck. Fast alle von ihnen unterhalten enge Beziehungen zur Großen Koalition in Berlin und stehen politisch stramm rechts.

Augustus Intelligence gibt auf seiner Website als Geschäftsziel an, es wolle „sichere Lösungen für Künstliche Intelligenz“ bereitstellen. Es behauptet, Datenzentren in den USA zu betreiben und Software zur Gesichts- und Objekterkennung verkaufen zu wollen. Journalistenrecherchen in den USA und im Internet konnten aber keine nennenswerte Geschäftstätigkeit feststellen.

Zwei ehemalige Manager, die im Dezember letzten Jahres gefeuert wurden und nun gegen Augustus klagen, werfen der Firma Geschäftspraktiken vor, die von „Betrug, Illegalität und Korruption“ durchdrungen seien. „In Wahrheit“, heißt es in der vom Spiegel zitierten Klageschrift, „hatte die Firma das behauptete Funding nicht, hatte auch kein Produkt und weder substanzielle Kunden noch Einnahmen.“

Trotzdem ist Augustus Intelligence von einer bescheideneren Adresse in das teure World Trade Center umgezogen, wo es in unmittelbarer Nachbarschaft der Beratungs- und Investmentfirma „Spitzberg Partners“ Karl-Theodor zu Guttenbergs residiert. Der frühere deutsche Wirtschafts- und Verteidigungsminister ist wohl auch der eigentliche Chef des Unternehmens. Er besitzt Anteile an Augustus und wurde bis zum März dieses Jahres auf der Firmenwebsite als „President in charge of General Affairs“ genannt. Inzwischen ist das Impressum von der Website verschwunden.

Der offizielle Chef von Augustus, Wolfgang Haupt, erweckt dagegen den Eindruck eines Strohmanns. Der 33-Jährige hat nach eigenen Angaben Medizin studiert und gibt auf LinkedIn an, bereits mehrere Unternehmen in den unterschiedlichsten Geschäftsfeldern gegründet zu haben.

Guttenberg verkörpert die Verbindung des deutschen Hochadels, der auch über hundert Jahre nach dem Sturz des Kaiserreichs noch eine äußerst reaktionäre, geschlossene Gesellschaft bildet, mit den Regierungsparteien in Berlin. Geboren in ein vermögendes fränkisches Adelsgeschlecht, schloss er sich der CSU an und wurde 2008 deren Generalsekretär. 2009 zog er von München nach Berlin und wurde unter Angela Merkel erst Wirtschafts- und dann Verteidigungsminister. Er strebte offensichtlich höhere Ämter an. Doch 2011 brachte ihn eine gefälschte Doktorarbeit zu Fall und er zog in die USA, blieb aber politisch aktiv und suchte nach Gelegenheiten, in die deutsche Politik zurückzukehren.

Guttenbergs Frau Stephanie, eine geborene Gräfin von Bismarck-Schönhausen, stammt in direkter Linie von Otto von Bismarck ab. Seine Mutter, eine Gräfin von und zu Elz, kommt aus einem uralten Adelsgeschlecht, das viele seiner Ländereien in Kroatien hatte und 1945 enteignet wurde. Ihr Vater, Jakob Graf zu Eltz, arbeitete eng mit dem reaktionären kroatischen Nationalisten Franjo Tudjman zusammen und wurde nach der Wende Abgeordneter im Kroatischen Parlament. 1985 heiratete Guttenbergs Mutter in zweiter Ehe Adolf Henkell-von Ribbentrop, den Sohn von Hitlers Außenminister.

Eine zentrale Rolle bei Augustus Intelligence spielt Roland Berger, der Gründer der gleichnamigen Unternehmensberatung. Er verfügt über ein dichtes Beziehungsgeflecht in der deutschen Wirtschaft und Politik. Er beriet die Treuhandanstalt bei der Privatisierung der DDR-Betriebe und Bundeskanzler Gerhard Schröder bei der Agenda 2010. Charles Édouard-Bouée, der langjährige CEO von Bergers Unternehmen, wurde auf dessen Wunsch „President in charge of Business Affairs“ bei Augustus Intelligence. Ein vom Spiegel veröffentlichtes Bild zeigt Berger zusammen mit Amthor, Maaßen und Augustus-Chef Haupt in einem Fünf-Sterne-Hotel im Schweizer Nobelkurort St. Moritz.

Zu den wichtigsten Geldgebern von Augustus Intelligence zählt August François von Fink. Er soll 11,2 Millionen Dollar in das Unternehmen investiert haben. Fink hat sein Vermögen von seinem Großvater geerbt. Der Privatbankier August von Fink hatte bereits in den 1920er Jahren Adolf Hitler finanziert und unter dessen Herrschaft von der Arisierung jüdischen Vermögens profitiert.

Die von Finks zählen bis heute zu den reichsten Familien Deutschlands. August von Finck junior, der Vater des Augustus-Investors, unterstützt seit Jahren rechtsextreme Parteien und Bewegungen, aus denen schließlich die AfD hervorging, mit Millionenbeträgen. Auch die AfD selbst hat er massiv finanziert. 2009 überwies der Mövenpick-Konzern, der sich damals im Besitz Fincks befand, außerdem 1,1 Millionen Euro an die FDP, die als Gegenleistung für eine Senkung der Mehrwertsteuer im Hotelgewerbe sorgte.

Hans-Georg Maaßen, der bis zum November 2018 das Bundesamt für Verfassungsschutz leitete und dabei eng mit der AfD zusammenarbeitete, ist wiederholt im Zusammenhang mit Augustus Intelligence aufgetaucht. Da war das bereits erwähnte Treffen in St. Moritz. Laut Spiegel flog er auch mit Firmengründer Haupt im Privatjet in die USA. Und er half, als ein Mitarbeiter der Firma die deutsche Staatsbürgerschaft wiedererlangen wollte.

Maaßen, der 2018 wegen seiner AfD-Nähe in den zeitweiligen Ruhestand versetzt wurde, betätigt sich seither als Sprachrohr der stockreaktionären CDU-Werteunion und hat innerhalb CDU und CSU zahlreiche Unterstützer, zu denen auch Philipp Amthor zählt.

August Hanning hat, wie er gegenüber der Zeit sagte, eine schriftliche Vereinbarung mit Augustus Intelligence getroffen. Es gehe dabei „um Beratung, wenn man so will“. Als Gegenleistung erhielt er Aktienoptionen. Was genau der Inhalt der Beratung ist, verriet Hanning nicht.

Auch er ist, wie Maaßen, eine zentrale Figur des deutschen Sicherheitsapparats. Er leitete von 1998 bis 2005 den Auslandsgeheimdienst BND und war von 2005 bis 2009 im Bundesinnenministerium für Polizeiangelegenheiten, die Bundespolizei, Innere Sicherheit, Migration, Integration und Flüchtlinge verantwortlich. 2015 veröffentlichte er ein rechtes Papier gegen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung

Philipp Amthor war offenbar von dieser rechten Verschwörung als Aushängeschild auserkoren. Laut Spiegel erhielt er mindestens 2817 Aktienoptionen von Augustus Intelligence und war dort ab Mai 2019 Mitglied im Board of Directors. Er flog mindestens zweimal zu Treffen nach New York, weitere Treffen fanden auf Korsika und in St. Moritz statt. Bereits im Oktober 2018 warb er in einem Brief an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier um politische Unterstützung für das Unternehmen.

Der 27-jährige, stramm rechte Politiker wird gegenwärtig von der CDU zum Jungstar aufgebaut. Im Herbst tritt er als einziger Kandidat für den Vorsitz der Partei in Mecklenburg-Vorpommern an, dem Bundesland Angela Merkels. Im kommenden Jahr soll er dann in der Landtagswahl um das Amt des Ministerpräsidenten kämpfen.

Der Fall Augustus Intelligence wirft ein Licht auf den rechten Charakter der Großen Koalition. Um ihre Politik des Militarismus, der sozialen Ungleichheit zu verwirklichen und jede Opposition zu unterdrücken, fördert sie die rechtesten Kräfte in Staat und Politik. Von Amthor über Guttenberg, Maaßen und Hanning bis zu Roland Berger sind alle Beteiligten eng mit ihr verbunden.

Loading