Hamburg: Behörden vertuschen Covid-19-Infektionen an Schulen

Aufgrund der Schulöffnungen haben sich innerhalb weniger Tage bereits unzählige Menschen in Deutschland mit dem tödlichen Coronavirus infiziert.

Wie rücksichtslos die Behörden das Leben von Lehrern, Schülern und Eltern aufs Spiel setzen und das wahre Ausmaß der Pandemie vertuschen, zeigen die Ereignisse in Hamburg. Dort hatte die Landesregierung die Schulen bereits am 6. August wieder geöffnet. Seitdem wurden insgesamt mindestens 59 Schüler und Lehrer positiv getestet, berichtete das Hamburger Abendblatt am Dienstag.

Demnach gebe es an mindestens 35 Hamburger Schulen derzeit noch 44 aktive Fälle – insgesamt seien laut Schulbehörde mindestens 41 Schulen betroffen. Bei 55 der 59 Fälle handle es sich um Schülerinnen und Schüler, lediglich in vier Fällen hätten sich nachweislich auch Lehrkräfte oder andere Schulbedienstete infiziert, so die Zeitung.

Die World Socialist Web Site sprach mit Angelika, einer Lehrerin, deren Namen wir auf ihren Wunsch hin geändert haben. „Ich bin sehr vorsichtig, da man mit Repressionen rechnen könnte, wenn man darüber öffentlich spricht“, sagt sie. Angelika arbeitet an einer der betroffenen Schulen im Hamburger Stadtteil Eidelstedt.

„An unserer Schule wurde ein Mädchen positiv getestet und aus diesem Grund vom Gesundheitsamt aus der Schule genommen. Es soll angeblich keinen Kontakt der Kategorie 1 – also 15 Minuten ‚face-to-face‘ – gegeben haben, da sie in der Klasse allein an einem Tisch mit Maske gesessen haben soll. Aus diesem Grund wurde der Unterricht regulär fortgesetzt – das war eine Entscheidung des Gesundheitsamtes.“

Obwohl in Hamburg wie in fast allen anderen Bundesländern für den Unterricht weder eine Abstandsregel noch eine Maskenpflicht gilt, hatte das Bezirksamt Eimsbüttel die Entscheidung damit begründet, dass die betroffene Schülerin in dem vollen Klassenzimmer „keine engen Kontakte“ mit ihren Mitschülern gehabt habe.

„In Hamburg gibt es mittlerweile viele Schulen mit Corona-Vorfällen“, berichtet Angelika. Allein am vergangenen Wochenende kamen laut Medienberichten in Hamburg mindestens elf neue Corona-Fälle hinzu – und zwar an elf verschiedenen Schulen. Die Fälle würden jedoch „von der Schul- und Gesundheitsbehörde gedeckelt und nicht an die Öffentlichkeit weitergegeben“, ist sich Angelika sicher:

„Es sind definitiv noch mehr als die in den Artikeln benannten Schulen. Unser Fall wurde zunächst nicht öffentlich gemacht, und ich weiß von zwei weiteren, die ebenfalls nicht in der Presse waren.“

„Ich habe mich mit meiner Nachbarin unterhalten, deren Enkel an eine andere Schule geht“, fährt sie fort. „Dort gab es auch einen Vorfall und eine Kollegin musste mehrere Tage zuhause bleiben, weil ihre Tochter auf dem Schulhof neben einer positiv getesteten Person saß.“

Bereits am Freitag hatte das Abendblatt über vier Fälle an vier verschiedenen Schulen in Hamburg berichtet, die am Tag zuvor bekannt geworden waren. „Weitergehende Maßnahmen“ habe es nicht gegeben – insbesondere seien „von den Gesundheitsämtern keine Quarantänemaßnahmen oder weitere Testungen angeordnet worden“, so die Zeitung. Die Fälle seien „bislang ohne Folgen“ geblieben – dies betreffe insbesondere Fälle, in denen wie an Angelikas Schule infizierte Schülerinnen und Schüler am Unterricht teilgenommen hatten und zunächst nicht entdeckt worden waren.

Aufgrund früherer Infektionen befinden sich in Hamburg derzeit noch 15 weitere Schulklassen in Quarantäne. Insgesamt werden in Hamburg mittlerweile offiziell täglich rund 40 Infektionsfälle registriert – viele davon in Flüchtlingsunterkünften, wo die Bewohner oft unter menschenunwürdigen Bedingungen auf engstem Raum miteinander leben. Außer dem lokalen Abendblatt berichtete bislang keine größere Zeitung über die bedrohlichen Entwicklungen in der deutschen Millionenstadt.

„Bisher liest man kaum von Infektionen an Hamburger Schulen. Wenn man dann aber über Kollegen mitbekommt, dass es deutlich mehr Schulen betrifft, fragt man sich schon, warum dies nicht öffentlich gemacht wird, wie ja auch in unserem Fall! Und vor allem: Warum wird bei einem bestätigten Fall nicht zumindest das schulische Umfeld getestet?“

Die Antwort auf diese Fragen kann nur lauten, dass hier eine bewusste Politik verfolgt wird. Die Kinder werden ohne Schutz in die Schulen geschickt, es wird die Lüge verbreitet, dass dies nicht ansteckend sei, und wenn sie sich doch anstecken, werden die Fälle systematisch vertuscht. Nicht einmal die elementarsten Quarantänemaßnahmen werden getroffen und die Behörden angewiesen, möglichst wenig zu testen. Zur selben Zeit werden Schüler und Eltern selbst für die sich entwickelnde Katastrophe verantwortlich gemacht.

Letzteres war der Zweck des Auftritts von Hamburgs Erstem Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) in der ARD-Sendung „Hart aber Fair“ am Montag. Um vor den gefährlichen Schulöffnungen ohne Maskenpflicht und Abstandsregeln abzulenken, machte er das „Phänomen der Reiserückkehrer“, „private Feiern“ und die „Disziplinlosigkeit“ der Bevölkerung für „die Probleme, die wir in Hamburg haben“, verantwortlich. Im gleichen Atemzug erklärte er: „Wild drauflos testen bringt nichts.“

Dieselbe Ignoranz und Gleichgültigkeit der herrschenden Klasse brachte auch Tschentschers Schulbehördensprecher Peter Albrecht zum Ausdruck, als er am Montag gegenüber dem Hamburger Abendblatt erklärte, die Infektionszahlen an Hamburger Schulen seien „insgesamt wenig besorgniserregend“. Gegenüber der Zeitung bekräftigte er: „Bei den Neuinfektionen sind jeweils nur die Betroffenen in Quarantäne.“

„Der Umgang mit den Fällen scheint überall ähnlich abzulaufen“, schließt Angelika. „Wir haben heute einen Behördenbrief bekommen, wie wir uns zu verhalten haben. Aus dem wird sehr deutlich, dass die Schulen bei bestätigten Fällen oder Verdachtsfällen wenig Entscheidungskraft haben. Es obliegt komplett den Gesundheitsämtern – und die werden auch ihre Anweisungen haben, wie (spät) sie reagieren dürfen!“

Vor zwei Wochen hatte Hamburgs Schulsenator Ties Rabe verkündet, man werde den Schulen 30.000 medizinische Mundschutzmasken sowie 30.000 transparente Visiere zur Verfügung stellen. „Erst am vierten Tag nach Schulbeginn hat jeder Lehrer eine einzige FFP-2-Einwegmaske erhalten!“, berichtet Angelika. „Schulbüro und Hausmeister haben nichts erhalten! Da müssen wir vor Dankbarkeit wohl auf die Knie gehen!“

Die herrschende Klasse ist entschlossen, die Schulen trotz rasch zunehmender Infektionszahlen gegen den Widerstand von Schülern, Eltern und Lehrern offen zu lassen.

Schulsenator Rabe hatte deshalb schon vor den Sommerferien im Interview mit der Tageszeitung Die Welt die längst widerlegte Lüge wiederholt, das Infektionsrisiko sei bei Kindern unter zehn Jahren viel geringer als ursprünglich angenommen. Deshalb, so Rabe, „muss bei einem möglichen Anstieg der Infektionen nicht automatisch die Schule als Erstes geschlossen werden, sondern dann muss über andere Maßnahmen nachgedacht werden. Es muss dann gelten: die Schulen zuletzt.“

Diese Politik wird nun in die Tat umgesetzt. „Es soll mit allen Mitteln verhindert werden, dass es zu Schulschließungen kommt“, fasst Angelika die Haltung der Hamburger Regierung zusammen. „Wir Lehrerinnen und Lehrer in Hamburg fühlen uns wie Versuchskaninchen. Wir sind eines der ersten Bundesländer, die die Schulen wieder geöffnet haben. Das ist vielleicht auch ein Grund, warum die Zahlen kleingehalten werden. Die Sache ‚muss‘ gutgehen, sonst wird es für die anderen Bundesländer schwieriger, mit einer Totalöffnung zu beginnen…“

Die Schulen müssen offen bleiben, damit die Eltern dem Arbeitsmarkt wieder vollumgänglich zur Verfügung stehen und die Profite wieder sprudeln. Obwohl sie dies nicht offen aussprechen, verfolgen die Regierungen in Bund und Ländern damit eine Politik der „Herdenimmunität“, die massenhafte Infektionen und Todesopfer im Interesse der kapitalistischen Wirtschaft bewusst in Kauf nimmt.

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