Sicherheitsfirma Asgaard: Neonazi-Netzwerk in Armee und Polizei

Am Freitag berichteten der Spiegel und das ARD-Magazin Kontraste über ein umfassendes rechtsextremes Netzwerk um die private deutsche Sicherheitsfirma Asgaard, das offenbar über exzellente Verbindungen in Polizei, Bundeswehr und den Staatsapparat verfügt.

Die Sicherheitsfirma Asgaard umwirbt und beschäftigt aktive und ehemalige deutsche Polizisten und Soldaten, die Kontraste als hochspezialisierte Männer bezeichnet. Sie werden unter anderem angeheuert, um als Personenschützer im Irak die diplomatische Vertretung einer arabischen Großmacht zu bewachen, bei der es sich gerüchteweise um Saudi-Arabien handeln soll. Das irakische Hauptquartier Asgaards befand sich 2017 mitten in der Green Zone Bagdads, dem streng abgeriegelten Regierungsbezirk und Zentrum internationaler Präsenz, der Kommandozentrale aller imperialistischen Mächte im Irak.

Brutstätte für faschistische Wehrmachtstradition und rassistische Ideologie

Ein jetzt veröffentlichtes Video aus demselben Jahr zeigt unmissverständlich die faschistische Wehrmachtstradition, auf die sich die Firma und ihre Mitarbeiter stützen. Whiteboards, Einsatzpläne und zahlreiche Räumlichkeiten sind in Frakturschrift beschildert. Im Aufenthaltsraum prangt eine Reichkriegsflagge über mehreren Sitzgarnituren. Über dem Eingang zum „Operationsraum“ ist der Reichsadler abgebildet. Der Wehrmachtspruch „Klagt nicht, kämpft“ – ebenfalls in Frakturschrift – steht neben einem abgebildeten Wehrmachtssoldaten im Flur des Stützpunkts.

Während ihres Einsatzes als Personenschützer im Irak tragen die Söldner auf Schultern und Brust die deutsche Flagge. 2017 beschäftigte Geschäftsführer Dirk Gaßmann 25 Männer, die früher als deutsche Soldaten im Irak im Einsatz waren. Die meisten von ihnen seien Fallschirmjäger, einige Gebirgsjäger oder Panzergrenadiere, aber „alles Alphatiere“, wie er 2017 in einem Bild-Interview stolz berichtete.

Gaßmann ist ehemaliger Fallschirmjäger der Bundeswehr und verfügt nach Kontraste-Informationen über gute Kontakte in deutsche Sicherheitsbehörden. Aus ihrer rechtsradikalen, faschistischen Gesinnung machen Gaßmann und seine Mitstreiter keinen Hehl. Ein Foto von einer Firmenfeier bei Asgaard zeigt Gaßmann, wie er mit der Büste eines Wehrmachtssoldaten posiert. Er zeigt dabei lachend mit dem kleinen Finger auf ein Hakenkreuz in der Mitte eines Eisernen Kreuzes, welches sich auf dem Sockel der Büste befindet.

In den Sozialen Medien hetzt Gaßmann gegen den Islam und pflegt die Traditionen der Wehrmacht. So schrieb er 2015 auf Facebook: „Der Islam ist und bleibt das Problem.“ Er warb für seine Sicherheitsfirma, indem er in einer Diskussion über verbotene Wehrmachtslieder kommentierte: „Bobby, darfst du weiter singen in Bagdad. Kein Problem.“ Er sucht also gezielt nach Mitarbeitern innerhalb der rechten Szene.

Asgaard-Werbung auf Twitter

Der Hauptsitz von Asgaard befindet sich im nordrhein-westfälischen Hamm. In NRW wurde erst letzte Woche ein umfassendes rechtes Netzwerk innerhalb der Polizei aufgedeckt. Thorsten W., ein mutmaßlicher Helfer der rechten Terrorzelle Gruppe S., arbeitete im Hammer Verkehrskommissariat. Seine rechtsextreme Gesinnung war auf dem Revier hinlänglich unter Kollegen bekannt.

Der Hammer Hauptsitz der Sicherheitsfirma scheint eine zentrale Rolle in dem rechtsradikalen Netzwerk um Dirk Gaßmann zu spielen. Im Juli 2020 fand dort ein Treffen zahlreicher ehemaliger und aktiver Polizisten und Soldaten der Bundeswehr statt, die sich durch ihre Postings in den Sozialen Medien eindeutig als rechtsextrem zu erkennen geben.

Ein ehemaliger Mitarbeiter von Asgaard, der für die Firma im Irak war und mit Gaßmann auf Facebook befreundet ist, teilte dort unter anderem eine weiße geballte Faust. „White Lives Matter“ stand rund um das Symbol der Neonaziszene geschrieben. Des Weiteren wurden Deutschlandkarten in den Grenzen des Dritten und des deutschen Kaiserreichs gepostet.

„Ich bin Deutscher, würde ich jetzt schreiben, was ich denke, wäre ich morgen im Knast“, steht in einem Meme, während in einem weiteren Kommentar bedauert wird, dass die „Reine weiße Rasse“ nur noch wenige Prozent der Weltbevölkerung ausmache. Bilaal Zaher, ein ehemaliger Mitarbeiter und Geschäftspartner Gaßmanns, berichtete Kontraste, in dem Stützpunkt in Bagdad seien „Mitarbeiter als Quotenneger“ bezeichnet worden.

Der Fotojournalist Daniel Etter, der 2014 eine Einheit von Asgaard über zwei Wochen lang bei einem Einsatz im Irak begleitet hatte, berichtet ebenfalls von zahlreichen völkischen und „zu tiefst rassistischen Äußerungen“: „Das Thema deutsches Blut – wirklich, deutsche Vergangenheit – das kam immer wieder in verschiedenen Formen auf.“ Diese rassistische Ideologie bildet die Grundlage für die Zusammenarbeit bei Asgaard.

Enge Vernetzung mit Polizei und Staatsapparat

Eine vermutlich zentrale Figur auf dem Treffen, das im Juli 2020 in Asgaards Firmenzentrale stattfand, war Thomas S, ein 41-jähriger Polizist aus Frankfurt. Er war zum damaligen Zeitpunkt Leiter einer Ermittlungsgruppe der Frankfurter Polizei. Nach Kontraste-Recherchen ist er langjähriger Mitarbeiter der Sicherheitsfirma und soll zum Führungszirkel um Gaßmann gehört haben. Er ist auf Fotos schwerbewaffnet in Asgaard-Uniform und im Irak zu sehen.

Laut Bilaal Zaher wurde Thomas S. mehrmals „als Kommandoführer im Einsatz“ eingesetzt. Zudem soll er, wie die F.A.Z. berichtet, unter anderem Mitarbeiter ausgebildet und bewertet haben. Bis vor kurzem hat die Sicherheitsfirma auf ihrer Homepage noch mit einem Foto von S. geworben, das mit „Asgaard Akademie – Die Qualifikation der Profis“ betitelt war.

Im August wurden dann sowohl die Privaträume von Thomas S. als auch die Firmenzentrale von Asgaard durchsucht. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt hatte „ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Bestechlichkeit sowie der Verletzung des Dienstgeheimnisses“ aufgenommen. Laut Staatsanwaltschaft war Thomas S. „einer nicht angemeldeten und somit auch nicht genehmigten Nebentätigkeit für eine (mutmaßlich rechtsextrem beeinflusste) private Sicherheitsfirma aus Nordrhein-Westfalen, unter anderem auch im Ausland, nachgegangen“.

Weiter heißt es in der Erklärung der Staatsanwaltschaft, dass S. „unrechtmäßige Abfragen aus polizeilichen Datenbanken durchgeführt hat, um sich mit den daraus gewonnenen Informationen im Rahmen seiner nicht genehmigten Nebentätigkeit persönlich zu bereichern“.

Ebenfalls in Frankfurt waren 2018 im 1. Polizeirevier die persönlichen Daten der Anwältin Seda Basay-Yildiz abgerufen worden, die unter anderem Angehörige der Opfer des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) verteidigt hatte. Sie erhielt wenige Tage später einen mit „NSU 2.0“ unterschriebenen Drohbrief. Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtet, sind bisher 105 Drohschreiben bekannt geworden, von denen 88 dem Komplex „NSU 2.0“ zuzuordnen sind.

Die Frankfurter Staatsanwaltschaft ermittelt nun seit über zwei Jahren. Aus Sicherheitskreisen heißt es laut F.A.Z., dass die Zahl der Drohschreiben zuletzt „explodiert“ sei und weiterhin kein einziger Täter habe identifiziert werden können. Die Staatsanwaltschaft und das Innenministerium in Hessen streiten jeden Bezug zwischen dem Fall um Thomas S. und dem „NSU 2.0“, sowie Hinweise auf eine rechtsextreme Gesinnung bei S. ab.

Rechte Umsturzpläne für einen Tag X und die Verwicklung der Geheimdienste und Politik

Ein weiterer Teilnehmer der Zusammenkunft vom Juli 2020 in der Asgaard-Zentrale war Matthias D., ein 40-jähriger Soldat der Bundeswehr in Neubrandenburg, Mecklenburg-Vorpommern. Laut Kontraste pflegt er gute Kontakte in rechtsextreme Kreise und wird seit 2018 vom Militärischen Abschirmdienst (MAD) wegen „Rechtsextremismus-Verdachts“ beobachtet. In diesem Zusammenhang soll Matthias D., der Ex-Kickbox-Weltmeister ist, Mitarbeiter des MAD mit dem Tod bedroht haben.

Letzte Woche, am 14. September, durchsuchte die Staatsanwaltschaft Rostock mit rund 70 Beamten die Wohn- und Büroräume von D. und beschlagnahmte zahlreiche elektronische Medien und Unterlagen wegen des Verdachts „der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat“.

Solche Pläne – an einem „Tag X“ durch Massenmord an politischen Gegner einen faschistischen Umsturz in Angriff zu nehmen – sind tief in den Staatsorganen verwurzelt. In besonderem Maße trifft das auf Mecklenburg-Vorpommern zu. Dort waren führende Köpfe der Gruppe Nordkreuz im Reservistenverband Mecklenburg-Vorpommern organisiert, und der Elitesoldat des Kommando Spezialkräfte (KSK), Philipp Sch., konnte ein verstecktes Waffenlager mit Tausenden Schuss Munition, zwei Kilo Plastiksprengstoff und einer umfassenden Sammlung von Nazidevotionalien anhäufen.

Am 18. September wurden zwei Polizisten aus Mecklenburg-Vorpommern nach Hausdurchsuchungen vom Dienst suspendiert, weil sie im Verdacht stehen, rechtsextremes Gedankengut in Internet-Chats auszutauschen, wie der Spiegel am 19. September berichtete. Die Hausdurchsuchungen standen in Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen die Nordkreuz-Terrorgruppe. Verbindungen zu den rechtsextremen Chats bei der Polizei in NRW streitet Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU) vehement ab.

Nachdem Ende 2019 im Zuge der Ermittlungen gegen die Gruppe Nordkreuz acht rechtsextreme SEK-Beamte des Landeskriminalamtes (LKA) Mecklenburg-Vorpommern suspendiert worden waren, hatte Caffier den bisherigen Direktor des LKA Ingolf Mager und den langjährigen Leiter der Polizeiabteilung Frank Niehörster überraschend in sein Ministerium versetzen lassen, anstatt sie ihres Amtes zu entheben. Die beiden hätten „hervorragende Arbeit geleistet“ und seien „anerkannte Fachleute“, erklärte der Landesinnenminister damals. Sie würden für ihn „weiterhin wichtige Ratgeber sein“.

Zuvor hatte Caffier eine „unabhängige Expertenkommission“ unter dem Vorsitz des ehemaligen Verfassungsschutz-Chefs Heinz Fromm (SPD) einberufen, dessen geheimer Abschlussbericht dem Großteil der SEK-Einheiten ein tadelloses Zeugnis ausstellte und offenbar dazu diente, das Ausmaß der Verschwörung zu vertuschen. Fromm ist für seine Rolle bei der Vernichtung von NSU-Akten beim Verfassungsschutz berüchtigt.

Am 17. September berichtete der Focus, dass der aktuelle Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, mit H. einen Leibwächter beschäftigte, der der rechtsextremen und paramilitärischen Gruppierung Uniter angehört. Ein Regierungsbeamter teilte mit, dass sensible Informationen über Personen und geheime Aktionen eventuell an Uniter abgeflossen seien. Der Verein Uniter, der sich als Hilfsorganisation für Mitglieder von Eliteeinheiten der Bundeswehr, der Polizei und privater Sicherheitsdienste tarnt, steht im Verdacht, ein Zentrum des rechtsextremen „Hannibal-Netzwerks“ zu sein, das sich auf einen faschistischen Umsturz an einem „Tag X“ vorbereitet, Waffenlager anlegt und die Ermordung politischer Gegner plant.

Caffier selbst war wiederholt Schirmherr eines Spezialkräfte-Wettkampfs, den das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) in der Reportage „Angriff von innen“ als Umschlagspunkt für die Munitionstransfers des Hannibal-Netzwerks ausmachte. Ausbilder von GSG 9, USK, SEK und unzähligen weiteren europäischen Sonderkommandos kamen demnach in diesem Rahmen jährlich auf einem privaten Schützengelände in Güstrow zusammen. Fotos von der Siegerehrung zeigen Caffier in Gesellschaft der Elitekämpfer.

Der Betreiber des privaten Schießstands, Frank T., wurde von Caffiers Innenministerium unter Vertrag genommen und ist offenbar Mitglied der Terrorgruppe Nordkreuz. Wie das ZDF berichtet, besteht ein „enger Kontakt“ zwischen dem Schießplatzbetreiber und dem mutmaßlichen Kopf der Nordkreuz-Gruppe, Marco G.. Die Reportage zitiert eine „Handlungsanweisung für Nordkreuz“, die Frank T. an Marco G. sandte. Darin heißt es: „Desto besser die Kommunikation, umso einfacher das Sammeln untereinander am Tag X. Doch bis dahin gilt für jeden von uns, so wenig wie möglich aufzufallen.“

Wie der ehemalige Asgaard-Mitarbeiter Bilaal Zaher Kontraste berichtete, hat auch Dirk Gaßmann wiederholt vom „Tag X“ gesprochen, an dem unliebsame Politiker erschossen werden sollten. Ein weiterer ehemaliger Mitarbeiter von Asgaard möchte nicht erkannt werden, weil er um sein Leben fürchtet. „Ich halte Dirk G. für unberechenbar und gefährlich. Er hat mehrmals von einem ‚Tag X‘ gesprochen“, gab er dem ARD-Magazin zu Protokoll.

Zaher erzählte zudem, dass die Iraker Zentrale der Sicherheitsfirma intern als „Wolfsschanze“ bezeichnet wurde – nach Hitlers Hauptquartier an der Ostfront. Dieselbe Huldigung der Wehrmachtstradition zeigte sich auch auf Dirk Gaßmanns Facebook-Profil, wo er den Wehrmachtsgeneral Kurt Student als „inspirierende Person“ anführte.

Student war Oberbefehlshaber der Fallschirmjäger im Dritten Reich und für zahlreiche Kriegsverbrechen verantwortlich. So ordnete er 1941, nach der Eroberung der griechischen Insel Kreta, Vergeltungsaktionen für den Widerstand der Inselbevölkerung an. So kam es zu den Massakern von Kondomari und Kandanos, bei denen über 50 Zivilisten ermordet wurden. Student plante auch den Einsatz zur Befreiung des italienischen Faschistenführers Mussolini durch deutsche Fallschirmjäger, nachdem dieser 1943 abgesetzt und verhaftet worden war. „Als ehemaliger Fallschirmjäger mit entsprechender familiärer Tradition ist General Student für mich privat ein soldatisches Vorbild“, antwortete Gaßmann auf Nachfrage der Spiegel-Redaktion.

Damit spricht er aus, was führende Vertreter der herrschenden Klasse denken. In der bayrischen Franz-Josef-Strauß-Kaserne war bis 1998 eine Straße nach „Generaloberst Student“ benannt, der 1978 im Alter von 88 Jahren starb. 2017 veröffentlichte der Spiegel ein Interview mit dem regierungsnahen Militärhistoriker Sönke Neitzel, der die Wehrmacht glorifiziert und den Nazi-Terror verharmlost. Man könne „auch in einem totalen Krieg für ein verbrecherisches Regime vorbildlich handeln […], etwa in der Menschenführung oder als erfolgreicher Soldat,“ erklärte er. Im selben Jahr forderte AfD-Führer Alexander Gauland einen Schlussstrich unter die NS-Vergangenheit zu ziehen und „die Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen“ positiv zu bewerten.

Nur ein Jahr später verabschiedete die Große Koalition einen neuen Traditionserlass, der nicht nur die Verherrlichung einzelner Angehöriger von Hitlers Wehrmacht ermöglicht, sondern auch deren verbrecherischen Charakter relativiert. Der ab April kommenden Jahres vom Verteidigungsministerium geplante „freiwillige Wehrdienst im Heimatschutz“ ermöglicht es Neonazis sich vom Staat gegen Bezahlung militärisch ausbilden zu lassen.

Faschistische Traditionen und Organisationen werden gezielt gefördert, um den deutschen Militarismus wiederzubeleben, neue Kriege vorzubereiten und die massive Opposition dagegen zu unterdrücken. Der Kampf gegen diese gefährliche Entwicklung erfordert die unabhängige Mobilisierung der Arbeiterklasse auf der Grundlage eines sozialistischen Programms.

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