Corona: Über 2500 Neuinfektionen in 24 Stunden

Am Mittwoch gab es in Deutschland 2.503 Sars-CoV-2-Neuinfektionen in 24 Stunden. Es ist schon das zweite Mal, dass das Robert-Koch-Institut über 2.500 Fälle an einem Tag meldet. Schon am 26. September, dem letzten Samstag, waren 2.507 Fälle registriert worden.

Gleichzeitig werden nicht nur die Infizierten, sondern auch die schwer Erkrankten und Hospitalisierten immer jünger. Der Altersdurchschnitt derjenigen, die ins Krankenhaus eingewiesen werden, liegt mittlerweile bei 37 Jahren.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) machte eine bedrohliche Rechnung auf. Zur Ministerpräsidentenkonferenz am Montag rechnete Merkel vor, dass die täglichen Infektionszahlen, die sich seit Juli jeden Monat verdoppelt haben, bei gleichbleibender exponentieller Entwicklung bis Weihnachten auf täglich 19.200 neue Fälle ansteigen werden. Das zeigt deutlich, dass sich die Regierung sehr bewusst darüber ist, welchem Risiko sie die arbeitende Bevölkerung durch die völlige Öffnung der Wirtschaft aussetzt.

Wie alle Regierungen ist auch die Große Koalition fest entschlossen, alle Schulen, Betriebe und Events sowie den öffentlichen Nah- und Fernverkehr uneingeschränkt wieder laufen zu lassen, koste es was es wolle. Die Regierungspolitiker von Bund und Ländern haben sich der Strategie der Durchseuchung und der „Herdenimmunität“ verschrieben. Das hat vor kurzem besonders offen der Bonner Virologe Hendrik Streeck ausgesprochen, der sich schon seit langem bemüht, die Gefahren des Coronavirus zu verharmlosen.

In der TV-Sendung „Anne Will“ vom 20. September entwickelte Streeck ein Szenario, in dem das Virus „Teil von unserem Leben“ sein werde, und in dem die Gesellschaft jede systematische Pandemiebekämpfung durch Testen, Isolieren und Kontakte-Verfolgen einstellen und den Dingen ihren Lauf lassen werde. „Im Herbst und Winter werden die Infektionszahlen nach oben gehen“, sagte Streeck, „dann werden wir es nicht mehr schaffen, genauso viel hinterher zu testen. Da kommen wir an die Grenzen der Laborkapazitäten.“

Was das bedeutet, das hat ein Bericht des deutschen Innenministeriums schon am 18. März festgestellt. Darin heißt es, dass die meisten Wissenschaftler „die Frage: ,was passiert, wenn nichts getan wird‘, mit einem Worst-Case-Szenario von über einer Million Toten im Jahre 2020 – für Deutschland allein“ beantworten würden.

Auf der ganzen Welt werden seit dieser Woche schon mehr als eine Million Coronavirus-Tote gezählt, und europaweit sind schon über 230.000 Patienten an Covid-19 gestorben. Auch in Deutschland steigt die Zahl der Corona-Toten wieder schneller an und bewegt sich täglich im zweistelligen Bereich. Am Mittwoch sind in 24 Stunden wieder 12 Corona-Patienten verstorben, wodurch die Gesamtzahl 9.500 erreicht.

Durch ihre rücksichtslose Wiedereröffnung der Wirtschaft ebnen die europäischen Regierungen „den Weg für ein verheerendes Wiederaufflammen des Virus“, wie es im jüngsten Aufruf der europäischen IKVI-Sektionen heißt. Das gemeinsame Statement von Sozialistischer Gleichheitspartei, Socialist Equality Party (UK), Parti de l’égalité socialiste (Frankreich) und Sosyalist Eşitlik (Türkei) beginnt mit den Worten: „Es ist dringend notwendig, die Arbeiterklasse in ganz Europa und international in einem Generalstreik zu mobilisieren, um das Wiederaufleben der Corona-Pandemie zu stoppen.“

Ein unabhängiger politischer Kampf der Arbeiterklasse ist der einzige Weg, wie die lebensgefährliche Laissez-faire-Politik aller Regierungen gestoppt werden kann. Auch die Merkel-Regierung bildet da keine Ausnahme. Mit ihren besorgten Kanzlerinnenworten versucht sie, in die Rolle der sorgenden Landesmutter zu schlüpfen, um die aufkeimende Unruhe zu beschwichtigen. In der Generaldebatte im Bundestag appellierte sie an alle, „in der Coronakrise durchzuhalten und verantwortlich zu handeln“, weil davon „die offene freie Gesellschaft als Ganzes“ abhängig sei.

Merkel reagiert auf den wachsenden Widerstand in der arbeitenden Bevölkerung und an den Schulen. Gerade weiten sich in Griechenland die Schulbesetzungen aus. Auch hierzulande reagieren speziell die Lehrer, Eltern und Schüler mit Unverständnis und wachsender Wut auf das lebensgefährliche Chaos, das an den Schulen angerichtet wird. Seit Ende Juli haben sich in zwei Monaten, in denen alle Schulen wieder geöffnet wurden, schon über 5.000 Kinder und über 1.600 Pädagogen angesteckt.

Die Zahlen sind einem Vergleich der RKI-Tagesbulletins von Ende Juli und Ende September entnommen. Demnach ist in dieser Zeit die Zahl der Infizierten unter „in Kitas, Kinderhorten, Schulen, Heimen und Ferienlagern Betreuten“ um 5.235 angestiegen, während die Zahl der Infizierten unter den in denselben Einrichtungen „Tätigen“ (also der Erzieher, Lehrer, Betreuer und Sozialarbeiter) um 1.638 angestiegen ist. Hospitalisiert wurden in dieser Zeit 56 Kinder und 46 Pädagogen, und mindestens eine Lehrkraft oder Erzieherin ist seither an Corona verstorben.

Schule in NRW (Quelle: www.instagram.com schuelerstreik_nrw)

Über die offizielle Politik der Schul-Wiedereröffnung ohne Möglichkeit, die Pandemie-Regeln einzuhalten, mehren sich die wütenden Kommentare in den sozialen Medien. Viele betroffene Eltern, Lehrer, Erzieher und Schüler weisen darauf hin, dass es weder Luftfilter und CO2-Messgeräte gibt, noch wird in festen Kleingruppen unterrichtet, noch sind die notwendigen Tests jetzt leichter zugänglich, geschweige denn flächendeckend erreichbar.

Auf der Lehrerwebsite news4teachers stellt ein „Besorgter Bürger“ fest: „Keine Luftfilter, kein Abstand, keine Masken, wenig bis kaum Lüften in viel zu vielen Räumen, kein Konzept für den Winter, nichts …“ Er kommentiert den Auftritt der Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU), die „alle Beteiligten in den Schulen“ dazu aufruft, „diese Disziplin [der Pandemieregeln] unbedingt einzuhalten“, mit den Worten: „Was soll die Forderung nach mehr Disziplin bei den Schülern? Im Klassenraum können die keinen Abstand halten – weil volle Klassen politisch als unverzichtbar formuliert werden. Alle Regeln und alle Maßnahmen, die bei jedem Bäcker, in jedem Supermarkt, bei jeder Behörde gelten – die gelten alle in der Schule nicht.“

Ein Klaus H. schreibt: „Schule = Betreuungs- und Aufbewahrungsanstalt. Was drinnen passiert, ist egal, Hauptsache es kostet nichts. (...) An jeder Kasse, in jeder Tanke und an jedem Schalter im Lande sind Plexiglasscheiben und Masken Pflicht, hier reicht Lüften. Langsam wird es lächerlich und armselig.“

Ein Lehrer aus NRW berichtet der WSWS, dass die Stadt Duisburg der Familie einer Schülerin weitere Tests verweigert, nachdem ihr Vater Corona-positiv getestet wurde. Der Grund sei, dass sie „angeblich keine Symptome zeigen. Die Familie lebt nun in einer gemeinsamen Etagenwohnung in zweiwöchiger Quarantäne zusammen. Ob die Klasse getestet wird, weiß ich nicht und ist zweifelhaft, denn die Schülerin wird ja selbst ganz automatisch als unbedenklich eingestuft, solange sie keine äußeren Anzeichen der Krankheit hat. Das Gesundheitsamt wartet also das mögliche Spreading grob fahrlässig ab und unternimmt nichts, um eine Infektion der Schülerin (…) zu verhindern.“

Viele Beiträge in den sozialen Medien beziehen sich auf die systematische Vertuschung von Infektionen an den Schulen. Der Charité-Virologe Drosten hatte in seinem letzten NDR-Blog die Existenz von Ausbrüchen an den Schulen bestätigt und „völlige Transparenz“ und „Offenlegung der Datenlage“ angemahnt. Dies sei dringend notwendig, um sich spätestens jetzt, in den Herbstferien, auf die Situation im Herbst und Winter vorzubereiten.

In der Praxis ist aber von der notwendigen „Transparenz“ nichts zu spüren. So berichten viele Eltern von genau gegenteiligen Erfahrungen, während die Präsenzpflicht rigoros – auch mit Hilfe der Gerichte und des Jugendamts – gegen Eltern und Schülern durchgesetzt wird.

Eine Mutter publizierte im Netz die Nachricht ihrer Schulleitung über ein infiziertes Kind in der Klasse. Darin heißt es wörtlich: „Die Schulleitung wurde von oberer Stufe angehalten, kein Statement raus zu geben (...) Falls noch Fragen offen sind, meldet euch bei mir.“

Eine Nadin aus Niedersachsen teilt mit, an ihrer Schule seien schon mehrere Fälle aufgetreten, aber „es wird vertuscht, damit die Schulen aufbleiben (...) Hauptsache die Leute können zur Arbeit. Niemand war in Quarantäne, man hat ja schnell genug reagiert – so ein Irrsinn! (...) Hören tut man von der Schule null.“

Die Lehrerin Marie warnt auf der Website news4teachers: „Wenn Sie sehen wollen, wohin die Reise im Herbst geht, brauchen Sie gar nicht so weit schauen: Frankreich, Holland, Tschechien, Österreich – rund um uns herum gehen die Zahlen gerade wieder extrem nach oben (...) In Wien hat übrigens gerade die erste Intensivstation verkündet, dass sie komplett belegt sind und keine neuen Covid-Patienten mehr aufnehmen können.“ Sarkastisch setzt sie hinzu: „Aber um deutsche Schulen wird das Virus natürlich einen großen Bogen machen, da haben die Kultusminister ja beschlossen, dass es dort nicht rein darf.“

Und ein Stefan schreibt: „Bei uns hier an der Schule ist eine Schülerin positiv. 5 Mitschüler in Quarantäne. Andere Landkreise nehmen die ganze Klasse aus der Schule, um eben andere nicht mit zu gefährden. Aber solange es auch nicht interessiert, dass die Busse zur ersten Stunde total überfüllt sind, wird es auch egal sein, das unsere Kinder krank werden. Digital ist unsere Schule leider auch beschissen aufgestellt.“

Immer mehr Betroffene erkennen mittlerweile das kapitalistische Kalkül, das hinter der Gesamtpolitik von Lohnkürzungen, unsicheren Arbeitsbedingungen und systematischer Corona-Durchseuchung steht. Conny F. stellt fest: „Der Schulstart im Regelbetrieb und die Kita-Öffnungen sind ein Wirtschaftsrettungsprogramm, damit die Eltern zur Arbeit gehen können.“ Mit Blick auf die Weigerung der Landesregierungen, Lüftungssysteme in Schulen und Kitas zu installieren, fügt sie hinzu: „Zudem darf es offenbar nichts kosten.“

Auch Milla, eine Mutter aus Baden-Württemberg, schreibt über die steigenden Infektionszahlen: „Solange die Schulen auf sind, wird es schlimmer! Ich glaube nicht, dass nur Partys oder eine Hochzeit das Übel sind. Das ist nur Propaganda! Mir ist schlecht, wie mit Lehrern, Kindern und Erziehern umgegangen wird. Die Politik bringt deren Leben in Gefahr. Dass Eltern nur noch arbeiten müssen und oft für einen Hungerlohn vom Arbeitgeber geknechtet werden! Damit die da oben sich weiter fett fressen können!“

Und Userin „Palim“ kommt zum Schluss: „Offenbar geht es hier weder um Bildung noch um Kinder oder Arbeitsschutz, sondern allein um die Gewährleistung der Arbeitskraft der Eltern.“

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