Wien: Wahlniederlage der rechtsextremen FPÖ

Die rechtsextreme Freiheitliche Partei (FPÖ) hat bei den Landtags- und Gemeinderatswahlen in der österreichischen Hauptstadt Wien am 11. Oktober eine massive Niederlage erlitten.

Das ist weder ein Grund zur Selbstzufriedenheit, noch darf die Gefahr, die von der extremen Rechten ausgeht, deshalb unterschätzt werden. Vielmehr wird einmal mehr deutlich, dass alle etablierten Parteien das Programm der Rechtsextremen weitgehend übernommen haben. Das wird diese wieder stärken, wenn die Arbeiterklasse ihnen nicht als unabhängige politische Kraft entgegentritt.

SPÖ-Wahlplakat in Wien

Die Sozialdemokraten (SPÖ) kamen mit knapp über 41 Prozent auf den ersten Platz, vor der konservativen ÖVP mit rund 20 Prozent. Die Grünen, die seit 2015 in Wien mit der SPÖ regieren, erzielten 14,8 Prozent, die liberalen Neos etwa halb so viel.

Die FPÖ verlor fast 24 Prozentpunkte und kam nur noch auf 7,1 Prozent. Der ehemalige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache verfehlte mit dem „Team Strache“ sein geplantes „Comeback“ auf der politischen Bühne deutlich. Mit drei Prozent zieht der ehemalige Vizekanzler nicht in den Landtag ein.

Zahlreiche Kommentare verkündeten, die Niederlage der Rechtsradikalen mache „Hoffnung“, und verbanden damit Illusionen in die Sozialdemokratie, die nun „wieder siegen“ könne und den Rechtsruck der letzten Jahre umkehren werde. Diese Einschätzungen sind nicht nur falsch, sondern auch gefährlich.

Erstens lässt sich kaum von einem „Sieg“ der SPÖ sprechen. Die Wahlbeteiligung sank mit 65 Prozent um fast 10 Prozent. Mit 395.000 ist die Gruppe der Nichtwähler bei weitem die Größte. In absoluten Zahlen verlor die SPÖ rund 70.000 Stimmen. Laut Wählerstromanalyse konnte die SPÖ keine nennenswerte Anzahl von ehemaligen FPÖ-Wählern gewinnen, obwohl diese 2015 vor allem in den traditionellen Arbeiterbezirken Stimmen geholt hatte. Rund 30 Prozent der einstigen FPÖ-Wähler stimmten für die ÖVP, der Rest blieb den Urnen fern.

Hinzu kommt, dass großen Teilen der in Wien lebenden Menschen das Recht zu wählen schlichtweg verwehrt wird. Ein Drittel der Wiener ab 16 Jahren ist nicht wahlberechtigt, weil sie keinen österreichischen Pass haben, in einigen Stadtteilen betrifft dies die Hälfte der jungen Menschen. Darunter sind nicht wenige, die in Wien geboren wurden. 80 Prozent der Nicht-Wahlberechtigten leben schon über fünf Jahre in Wien.

Zweitens ist die SPÖ längst keine linke, soziale oder demokratische Partei mehr. Obwohl die Niederlage der FPÖ verdeutlicht, dass die extreme Rechte keine breite Basis in der Bevölkerung findet, sind die SPÖ und das gesamte politische Establishment in der Alpenrepublik weit nach rechts gegangen. Positionen, die vor einigen Jahren nur aus dem Kreis der FPÖ zu vernehmen waren, sind mittlerweile offizielle Regierungspolitik auf Landes- und Bundesebene und werden von ÖVP, SPÖ und Grünen vertreten.

Die ÖVP regierte von 2017 bis zum Frühjahr 2019 mit der FPÖ und setzte deren Programm vollständig um. Eine rassistische Flüchtlingspolitik, soziale Angriffe wie der Zwölf-Stunden-Tag und die Abschaffung sozialer Rechte prägten die Regierungszeit. Nachdem die Veröffentlichung des so genannten Ibiza-Videos die ÖVP-FPÖ-Regierung zu Fall gebracht hatte, rückten die Parteien noch enger zusammen.

Vor den Wahlen im September letzten Jahres buhlten SPÖ und ÖVP um die Gunst der FPÖ und signalisierten die Bereitschaft, mit den Rechtsextremen zu koalieren. Als die FPÖ in den Nationalratswahlen massiv verlor, entschied sich ÖVP-Chef Sebastian Kurz für ein Bündnis mit den Grünen. Diese setzen seither die unsoziale, rechte Law-and-Order-Politik der FPÖ fort.

Auch in Wien haben sämtliche Parteien einen strammen Rechtskurs gefahren. Der Wahlkampf der ÖVP war von dem der FPÖ nicht zu unterscheiden. Der ÖVP-Spitzenkandidat in Wien, Finanzminister Gernot Blümel, fischte mit der Forderung um rechte Stimmen, dass Wohnungen in Gemeindebauten nur noch an deutschsprachige Bewerber vergeben werden. Blümel spulte im Wahlkampf das „ABC der Rechtspopulisten: Heimat, Parallelgesellschaften, Willkommenskultur“ herunter, wie die Zeitschrift News kommentierte.

SPÖ und Grüne, die seit 2015 die Hauptstadt gemeinsam regieren, stehen dem kaum nach. Der alte und vermutlich auch neue Bürgermeister Michael Ludwig steht auf dem rechten Flügel der SPÖ. In der Ausländerpolitik ist er auf einer Linie mit ÖVP und FPÖ. Im Wahlkampf machte er erneut deutlich, dass er ein Wahlrecht ohne Staatsbürgerschaft in Wien weiter ausschließt.

Seit 2015 wurde der soziale Wohnbau in Wien unter Rot-Grün immer stärker an die Nationalität geknüpft. „Je länger man in Wien hauptgemeldet ist, desto weiter rückt man auf der Warteliste nach vorne“, bemerkte Vienna Online dazu.

Nicht ohne Grund fand Ludwig auch in FPÖ-Kreisen Unterstützung. Bei der letzten Wahl zum Stadtrat erhielt er im Gemeinderat 81 von 98 gültigen Stimmen, darunter mussten auch Stimmen von FPÖ-Abgeordneten gewesen sein. Auch wenn Ludwig eine Koalition mit der FPÖ ausgeschlossen hat, bedeutet dies wenig. Bereits mehrfach hat die SPÖ auf Landes- und Gemeindeebene mit den Rechtsextremen paktiert.

Der Aufstieg Ludwigs vom unscheinbaren, erzkonservativen Parteibürokraten zu einem der einflussreichsten Landesfürsten ist bezeichnend für die Rechtsentwicklung der Sozialdemokraten. 2018 kam es zur Kampfabstimmung zwischen Ludwig und dem als Parteilinken geltenden Andreas Schieder um die Nachfolge des langjährigen Wiener SPÖ-Chefs Michael Häupl, die Ludwig mit knapper Mehrheit gewann.

Seither ist die Sozial- und Ausländerpolitik in Wien rasch nach rechts gerückt. Nach der Wahl erhielt Ludwig postwendend Lob vom notorisch rechten burgenländischen Ministerpräsidenten Hans-Peter Doskozil, einem Verfechter von Koalitionen mit der FPÖ, der die radikale Abschiebung von Flüchtlingen und einen besseren Schutz der EU-Außengrenzen fordert.

Die rot-grüne Wiener Landesregierung stellte sich in der Corona-Pandemie vollständig hinter die Kurz-Regierung, die durch die Lockerung von Schutzmaßnahmen für einen extremen Anstieg der Fallzahlen sorgte. Wien ist mit mehr als einem Drittel aller österreichischen Todesfälle ein Hotspot der Infektionen.

Vor diesem Hintergrund darf die Niederlage der Rechten nicht über die Gefahr hinwegtäuschen, die von ihnen ausgeht. Die Politik von SPÖ, ÖVP und Grünen hat die FPÖ schon mehrfach gestärkt. 2005 steckte die Partei in einer tiefen Krise, die zur Abspaltung des Bündnisses Zukunft Österreich (BZÖ) um Jörg Haider führte, und stand politisch und finanziell kurz vor dem Aus. Nur dank der Politik von SPÖ und ÖVP, die immer stärker ihren Kurs übernahmen, konnten die Freiheitlichen wieder erstarken.

Der einzige Weg, der rechten Gefahr zu begegnen, ist das Eingreifen der Arbeiterklasse als unabhängige politische Kraft. Dazu muss sie sämtliche Illusionen in die etablierten Parteien zurückweisen und mit allen vorgeblich linken Organisationen brechen, die am Rockzipfel der Sozialdemokraten und Gewerkschaften hängen. Es erfordert den Aufbau einer Sektion des Internationalen Komitees der Vierten Internationale.

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