Britische Regierung hält Tests und Maskenpflicht in geöffneten Schulen für „nicht erforderlich“

Am 8. März sollen alle öffentlichen Schulen und Hochschulen in England wieder vollständig geöffnet werden. Zuvor waren in Wales bereits die Schüler der universitären Vorkurse und in Schottland die ersten bis dritten Grundschulklassen ab dem 22. Februar zum Präsenzunterricht zurückgekehrt.

Boris Johnson in der Downing Street Nr. 10 bei einer Pressekonferenz zu Covid-19 mit dem Vorstandschef des NHS, Sir Simon Stevens, und Chief Medical Officer, Professor Chris Whitty. Die Gesamtzahl der Todesopfer durch Covid-19 hatte im Vereinigten Königreich soeben die Marke von 100.000 überschritten. (Pippa Fowles / No 10 Downing Street)

Die Schulöffnungen durch die Tory-Regierung sind Teil ihrer mörderischen Politik der Herdenimmunität. Im Rahmen dieser Politik sollen am 12. April alle Geschäfte und am 21. Juni die gesamte Wirtschaft geöffnet werden. Für die Regierung und die oppositionelle Labour Party sind Schulöffnungen eine Frage der „nationalen Priorität“, damit die Eltern wieder zur Arbeit können und die Profite weiter fließen. In Schottland soll eine Woche nach den Öffnungen am 8. März dann ab dem 15. März die nächste Phase der Schulöffnungen beginnen. Davon sind u.a. die Grundschulen und ein Teil der Sekundarschulen betroffen.

Die Tory-Regierung rechtfertigt ihre Pläne mit der Behauptung, sie wolle nicht, dass Kinder um ihre Bildung gebracht werden. Doch all ihrer verabscheuungswürdigen Rhetorik zum Trotz schert sie sich nicht im Geringsten um die Zukunftsaussichten von Kindern aus der Arbeiterklasse. Diese Verbrecher sind für den sozialen Mord an mindestens 135.000 Menschen in Großbritannien verantwortlich, bei denen Covid-19 auf der Sterbeurkunde aufgeführt ist. Sie haben unzähligen Kindern ihre Eltern, Großeltern, Tanten und Onkel genommen.

Am Montag kündigte Premierminister Boris Johnson die Aufhebung des „letzten Lockdowns“ an. Dabei räumte er ein, dass dies zu „mehr Infektionen, mehr Hospitalisierungen und... mehr Toten“ führen wird.

Ab dem 8. März müssen alle Schulen innerhalb einer Woche den Betrieb wieder aufnehmen. Nur Sekundarschulen dürfen ihre Wiederöffnung über sieben Tage verteilen – angeblich damit alle Schüler auf Covid-19 getestet werden können.

Doch nur wenige Stunden nachdem Bildungsminister Gavin Williamson am Mittwoch seine Pläne angekündigt hat, hat die Regierung sie wieder aufgehoben. Unter anderem soll es in der Schule keine Maskenpflicht geben. Am Donnerstag erklärte der Staatssekretär im Bildungsministerium, Nick Gibb, auf Sky News über die Vorgabe, Schüler zweimal pro Woche zu testen: „Wir wollen sicherstellen, dass es keine Pflicht wird, und sie werden die Erlaubnis der Eltern brauchen.“ Er erklärte zwar, es werde „dringendst empfohlen“, in der Schule Masken zu tragen, fügte aber hinzu: „Wir sagen, dass es keine Pflicht zum Tragen von Masken in den Klassenzimmern geben wird...“

Obwohl Lehrer als systemrelevante Arbeiter gelten, deren Arbeitsplätze selbst der Premierminister als „Übertragungsvektoren“ bezeichnet hat, werden sie bei der Impfung nicht vorgezogen.

Das wahnhafte Vorhaben, zehn Millionen Schüler und Schulpersonal und weitere Millionen Hochschulstudenten zwischen 16 und 18 Jahren in unsichere Klassenzimmer zurückzuschicken, kann nur zu einem deutlichen Anstieg der Covid-19-Fälle führen und gefährdet die Sicherheit und das Leben von Kindern. Dabei haben weniger als 1,5 Prozent der Bevölkerung (734.000 Menschen) die nötige zweite Impfstoffdosis erhalten, und der Reproduktionswert (R-Wert) liegt auch nach sieben Monaten und zwei landesweiten Lockdowns im November und Januar weiterhin nur knapp unter 1.

Jeder, der die Rückkehr an Arbeitsplätze und in die Schulen unterstützt, weiß, wozu sie führen wird. Im September kam es innerhalb von zwei Monaten nach Öffnung der Schulen zu Ausbrüchen an 8.000 Schulen, an denen sich 29 Prozent aller Covid-19-Cluster befanden. Die Infektionsrate unter Sekundarschülern stieg um 2.000 Prozent, etwa 600.000 Schüler mussten in häusliche Quarantäne.

Die Regierung und eine ausgewählte Gruppe von wissenschaftlichen Beratern erklärten immer wieder, Covid stelle keine Gefahr für Kinder dar, da diese nur an „milden“ Symptomen leiden würden. Doch im November schrieb die Scientific Advisory Group for Emergencies (SAGE), das Beratergremium der Regierung, während der zweiten Welle der Pandemie sei die Zahl von Covid-19-Fällen unter Schulkindern „deutlich“ angestiegen, „anfänglich unter den Zwölftklässlern (16/17 Jahre alt) – 24 Jahre und unter Jüngeren im Sekundarschulalter“. Die SAGE erklärte: Die zunehmende Prävalenz zeigte sich erstmals zu der Zeit, als die Schulen wieder geöffnet wurden.“

Die Öffnung der Schulen geht einher mit der verschärften Ausbeutung der Lehrer, die mit geringstmöglichem Etat Schwerstarbeit leisten müssen.

Die Regierung fordert, dass die Sekundarschulen auch im Sommer Präsenzunterricht anbieten, womit Schüler und Personal noch mehr in Gefahr geraten. Es wurden nur 400 Millionen Pfund zusätzliche Gelder angekündigt, darunter eine bessere Förderung des National Tutoring Programms; dazu kommen 300 Millionen, die im Januar für Nachholprojekte angekündigt wurden. Diese Summe entspricht gerade Mal 6.000 Pfund für eine durchschnittliche Grundschule und 22.000 Pfund für eine Sekundarschule. Auf die acht Millionen Schüler in englischen öffentlichen Schulen umgerechnet wären es nur 86 Pence pro Kopf.

Anfang Februar erklärte der Staatssekretär im Bildungsministerium Gibb im Bildungsausschuss des Parlaments, er sei „offen für alle Ideen“, wie sich die durch die Pandemie verlorene Unterrichtszeit ausgleichen ließe. Es wurden u.a. längere Schultage oder kürzere Ferien in Erwägung gezogen.

Die Tory-nahe Daily Mail lobte die zusätzlichen 200 Millionen Pfund für das „National-Tutoring-Programm und andere Ausbildungssysteme“, die „für zusätzliche Clubs, Aktivitäten und Unterricht für diejenigen benutzt werden können, die ins Hintertreffen geraten sind“. Während „zuvor diskutierte radikalere Maßnahmen wie die dauerhafte Kürzung der Sommerferien oder die Verlängerung des Schultags in den Plänen nicht berücksichtigt“ werden, so die Mail, „schloss Bildungsminister Gavin Williamson nicht aus, dass der Schultag verlängert werden könnte, damit die Schüler die durch das Coronavirus verlorene Zeit wieder einholen können.“

Aufgrund der umfassenden Privatisierungen von Schulen durch die Regierung sind bereits die ersten Privatschulbetreiber vorgeprescht, darunter der Brighter Futures Learning Partnership Trust, der die Hungerhill School, das Doncaster University Technology College und fünf Grundschulen in Doncaster (South Yorkshire) betreibt. Auch der GORSE Academies Trust, der elf Schulen im Raum Leeds betreibt, kündigte die Öffnung während des Sommers an.

Die Lehrer haben in zahlreichen Umfragen und in den sozialen Netzwerken erklärt, sie weigerten sich, unter unsicheren Bedingungen zu arbeiten. Allerdings haben sie dabei die Gewerkschaften gegen sich, die die Pläne der Regierung unterstützen. Die National Education Union (NEU) bezeichnet Johnsons Öffnung der Schulen „mit einem großem Knall“ als „verantwortungslos“. Trotzdem hat sie nicht zu Arbeitskämpfen dagegen aufgerufen. Die NEU lobte zudem die schottische und die walisische Regierung, die sogar noch vor Johnson die Schulen geöffnet hatten, mit den Worten: „Wir glauben, dass eine gestaffelte Rückkehr wie in allen anderen Ländern in Großbritannien die richtige Herangehensweise ist.“

Am Freitag erklärte die gemeinsame Vorsitzende der NEU, Mary Bousted, in SchoolsWeek: „Jetzt sagt der Premierminister erneut, die Öffnung der Schulen sei seine Priorität. Er will, dass unser Weg aus dem Lockdown nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Wir stimmen ihm in beiden Punkten zu. Wenn sie wieder in der Schule sind, ist es wichtig, dass die Schüler in den Schulen bleiben und weiterhin vom Präsenzunterricht profitieren. Leider gefährdet Boris Johnsons ,Rückkehr in die Schulen mit einem großem Knall‘ dieses Vorhaben.“

Mary Bousted bei einer Veranstaltung der NEU auf Zoom

Die Gewerkschaften lassen zu, dass Hunderttausende ihrer Mitglieder in die Schulen zurückkehren, obwohl sie wissen, wozu das führen wird. Diese Woche teilte Bousted einen Tweet von SchoolsWeek, in dem es hieß: „Die ‚Scientific Pandemic Influenza Group on Modelling‘ bezeichnet die Ansicht, dass die Öffnung der Grund- und Sekundarschulen den R-Wert vermutlich um einen Faktor von 1,1 bis 1,5 (d.h. zehn bis 50 Prozent) erhöhen wird, als Konsens.“

Der Vorsitzende der National Association of Head Teachers, Paul Whiteman, stellte seine Unterstützung für Präsenzunterricht im Sommer inmitten einer Pandemie unmissverständlich klar: „Unterricht in den Sommerferien wird für einige Schüler wertvoll sein, aber es wird wichtig sein, sie nicht zu überlasten.“

Die Öffnung der Schulen in Schottland letzte Woche gab einen Vorgeschmack darauf, welche Katastrophe bevorsteht. In Edinburgh musste an der Gilmerton Primary School eine ganze Klasse mit 27 Schülern in häusliche Quarantäne, nachdem ein Covid-19-Fall bestätigt wurde. Den Schülern wurde erklärt, sie müssten zehn Tage zu Hause bleiben.

Das Educators Rank-and-File Safety Committee lehnt die unsichere Öffnung der Schulen ab und mobilisiert die Beschäftigten des Bildungswesens, Eltern und Schüler dagegen. Wir rufen alle Leser dieses Artikels zur Teilnahme an unserem nächsten Treffen am Samstag, dem 6. März, auf. Registriert euch hier, um teilzunehmen und unseren regelmäßigen Newsletter zu erhalten.

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