Militärjunta von Myanmar geht gegen streikende Bahnarbeiter vor

Auch nach den landesweiten Arbeitsniederlegungen am Montag finden in ganz Myanmar weitere Streiks und Proteste statt. Eine Polizeirazzia in der Personalunterkunft von 800 streikenden Bahnarbeitern in Yangon am Mittwoch vermittelt einen kleinen Einblick in den Widerstand der Arbeiterklasse gegen den Militärputsch vom 1. Februar. Die Arbeiter hatten sich der Bewegung des zivilen Ungehorsams (CDM) angeschlossen, an der sich große Teile der Ärzteschaft, der Beamten, der Bankangestellten und der Arbeiter in der Textil-, Verkehrs- und Elektrizitätsbranche beteiligen.

Am Mittwochmorgen riegelte die Polizei das Stadtviertel Mingalar Taung Nyunt in Yangon ab, in dem sich der Bahnhof Ma Hlwa Kone und die Unterkünfte der Bahnarbeiter befinden. Eine Anwohnerin erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur AFP: „Etwa 300 Sicherheitskräfte haben eine Straßensperre errichtet und suchen nach Angehörigen der CDM.“ Sie konnte zwar entkommen, äußerte aber Sorge um die Arbeiter, weil „[die Polizei] sie verprügeln und töten könnte.“

Demonstranten hinter einer improvisierten Barrikade in Yangon (Myanmar) am 8. März, während die bewaffnete Bereitschaftspolizei einrückt (AP Photo)

Die Arbeiter hatten sich in dem Wohnkomplex verbarrikadiert. In einer Liveübertragung auf Facebook ist zu sehen, wie sie skandieren: „Ist die Belegschaft vereint? Ja, wir sind vereint.“ Ein Kommentator erklärte, die Polizei habe versucht, die Barrikaden zu entfernen und gedroht, das Feuer zu eröffnen. Andere Augenzeugen berichteten, die Sicherheitskräfte hätten Versorgungsgüter beschlagnahmt, die den streikenden Arbeitern gespendet wurden.

Ein Twitter-Nutzer schrieb: „Momentan herrscht auf dem Bahnhof Ma Hlwa Gone in Yangon praktisch Lockdown!! Die Polizei und das Militär der Terroristenjunta haben alle Straßen und Ausfahrten gesperrt, CDM-Leute verhaftet und Reis gestohlen, der den Arbeitern von der CDM gespendet wurde! Die Bewohner versuchen, die Alten in Sicherheit zu bringen!!“

Mindestens drei Menschen wurden verhaftet.

Die Ereignisse am Bahnhof Ma Hlwa Gone sind ein Mikrokosmos für die allgemeine Bewegung gegen die Junta. Im Vorfeld der Konfrontation hatten letztes Wochenende achtzehn Gewerkschaften und Arbeitervereinigungen eine Erklärung veröffentlicht, in der sie aus Protest gegen die Militärherrschaft zu längeren landesweiten Arbeitsniederlegungen ab Montag aufriefen.

Bereits vor dem Aufruf der Gewerkschaften hatten sich große Teile der Arbeiterklasse an der CDM beteiligt, viele weitere Teile hatten sie unterstützt. Da die Bewegung beträchtliche Auswirkungen auf Teile der Wirtschaft und die Handlungsfähigkeit der Junta hat, reagiert diese mit immer brutalerer Unterdrückung: Nächtliche Durchsuchungen und Verhaftungen, Niederschießen von Demonstranten, sowie Folter und Ermordung von Gefangenen.

Das Wall Street Journal schrieb in einem Artikel: „Die Jugend spielt zwar eine wichtige Rolle, doch der Widerstand speist sich aus allen Schichten der myanmarischen Gesellschaft und wird von zahlreichen Organisationen unterstützt. Diese kombinieren die Kräfte der Studentenvereinigungen und Gewerkschaften, zivilgesellschaftlichen Gruppen und anderen Netzwerken mit seit langem bestehenden Beziehungen. Dies ermöglicht die schnelle Verbreitung von Plänen, vor allem durch die sozialen Netzwerke. Dazu kommen streikende Beamte und staatliche Beschäftigte – u.a. Arbeiter der Elektrizitäts- und Eisenbahnbranche, des Bankwesens und Ärzte – die drohen, die Regierung zum Stillstand zu bringen.“

Auch ein Teil der 600.000 Textilarbeiter des Landes, größtenteils Frauen, waren an den Arbeitsniederlegungen beteiligt. Ein Video von AFP zeigt eine Gruppe von Textilarbeiterinnen aus der Township Hlaing in Yangon, die seit dem Putsch am 1. Februar gegen die Junta protestieren. Ihre Anführerin Khine Mar New, eine 26-jährige Mutter, erklärte, die repressiven Bedingungen in der Fabrik hätten ihr gezeigt, wie wichtig es ist, für ihre Rechte zu kämpfen.

Am Mittwoch gingen die landesweiten Proteste weiter, u.a. in Yangon, Mandalay, Monywa, Dawei, Myitkyina, Bago, Kalaw und Myingyan, obwohl die Sicherheitskräfte weiterhin mit brutaler Gewalt vorgehen. Im Distrikt Okkalapa nördlich von Yangon wurden laut Berichten in den sozialen Medien mindestens 200 Menschen verhaftet.

Laut der Hilfsvereinigung für politische Gefangene, die Verhaftungen überwacht, wurden bei den Polizeiaktionen mindestens 60 Menschen getötet und fast 2.000 verhaftet. Diese Zahlen sind fast mit Sicherheit zu niedrig angesetzt, da die Sicherheitskräfte Berichten zufolge Leichen verschwinden lassen, um ihre Verbrechen zu vertuschen. Dass sich mehrere Polizisten weigerten, auf unbewaffnete Demonstranten zu feuern und nach Indien geflohen sind, verdeutlicht die Existenz von scharfen Spaltungen innerhalb der Polizei.

Besonders die Medien gerieten ins Fadenkreuz der Junta, die jede unabhängige Berichterstattung unterbinden will. Laut der Nachrichtenagentur Myanmar Now wurden seit dem Putsch mindestens 35 Journalisten verhaftet, erst neunzehn wurden wieder freigelassen. Die Nachrichtenseite Mizzima berichtete seither, dass die Büros von Myanmar Now in Yangon nachts von Sicherheitskräften durchsucht wurden, wobei Computer und anderes Gerät beschlagnahmt wurden. Die Junta hat Mizzima und vier anderen Medien die Sendelizenz entzogen. Am Dienstagnachmittag wurden der Mitbegründer von Kamayut Media und ein Kollege in Yangon verhaftet.

Am Dienstag starb außerdem der Politiker Zaw Myat Linn von der gestürzten Nationalen Liga für Demokratie (NLD) nach seiner Verhaftung im Gewahrsam. Er ist der zweite NLD-Politiker, der im Gewahrsam gestorben ist. Zuvor war am Sonntag der NLD-Lokalpolitiker Khin Maung gestorben, seine Verletzungen deuteten darauf hin, dass er brutal gefoltert wurde.

Die NLD hatte die Wahlen im letzten November mit überwiegender Mehrheit gewonnen und sollte eigentlich am 1. Februar eine neue Regierung bilden. Stattdessen ergriff das Militär unter dem Vorwand angeblichen Wahlbetrugs die Macht. NLD-Chefin Aung San Suu Kyi und andere NLD-Politiker wurden verhaftet und befinden sich noch immer in Gewahrsam.

Kurz nach dem Putsch gründete eine Gruppe von NLD-Abgeordneten das Komitee zur Repräsentation der Pyidaungsu Hluttaw (CRPH). Dieses verurteilte das Vorgehen des Militärs als illegal und hat, nach eigenen Worten, eine provisorische Regierung aufgestellt. Am 15. Februar klagte das Militärregime siebzehn Mitglieder des CRPH wegen Aufwiegelung an, was laut dem Strafgesetzbuch mit einer Haftstrafe von bis zu zwei Jahren geahndet wird.

Am Dienstag kündigte das CRPH in einer Erklärung an, es habe Mahn Win Khaing Than, der sich momentan versteckt hält, zum amtierenden Vizepräsidenten ernannt. Er soll die Pflichten des inhaftierten Präsidenten Win Mying und der NLD-Chefin Suu Kyi übernehmen. Zuvor wurden bereits Minister für die provisorische Regierung ernannt. Das CRPH fordert eine Intervention der Großmächte durch Sanktionen, um das Militär zu Zugeständnissen zu zwingen.

Weder die NLD noch das CRPH setzen sich für die Verteidigung der demokratischen und sozialen Rechte der arbeitenden Bevölkerung in Myanmar ein. Suu Kyi hat zehn Jahre mit dem Militär kollaboriert, dessen Verbrechen gegen die muslimische Minderheit der Rohingya vertuscht und um ausländische Investitionen geworben, die die billigen Arbeitskräfte Myanmars ausbeuten können. Ein echter Kampf für demokratische Rechte erfordert einen politischen Kampf gegen die Ursache der Unterdrückung der arbeitenden Bevölkerung: das kapitalistische System.

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