Bidens Klimaplan, Teil 2: Vorbereitung auf Krieg

Dies ist der zweite Teil einer Analyse des Klimaplans von US-Präsident Joe Biden. Im ersten Teil, den wir am 5. April publizierten, ging es um die innenpolitischen Aspekte. Dieser Teil befasst sich mit den geopolitischen Implikationen seiner Klimapolitik.

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Im Zuge der Regierungsbildung gab Biden am 27. Januar bekannt, wie er den Klimawandel bekämpfen will. Er präsentierte den früheren Außenminister John Kerry als seinen „Klimabeauftragen“, und die ehemalige Leiterin der staatlichen Umweltschutzbehörde EPA, Gina McCarthy, als Spitzenberaterin des Weißen Hauses für Klimawandel.

Die bisherige Karriere dieser beiden führenden Vertreter von Bidens Klimapolitik zeigt, dass die neue Regierung den Sorgen breiter Bevölkerungsschichten über die Erderwärmung keine Beachtung schenkt, sondern ihre Politik an den globalen Interessen des amerikanischen Imperialismus ausrichtet.

McCarthy war Leiterin der EPA während der schlimmsten Umweltverschmutzung in jüngerer Zeit. 2015 war die Stadtverwaltung Flint im Bundesstaat Michigan dafür verantwortlich, dass die Einwohner der Stadt mit bleiverseuchtem Wasser vergiftet wurden. Zusammen mit den bundesstaatlichen und städtischen Behörden vertuschte die EPA die von Profitstreben getriebenen Entscheidungen, welche die Katastrophe verursacht hatten. Dutzende Menschen starben, Tausende weitere erlitten Vergiftungen, auch viele Kinder, die vielleicht lebenslang darunter leiden werden.

Verbrannte Häuser und Autos im Urlaubsort Spanish Flat Mobile Villa im kalifornischen Verwaltungsbezirk Napa County, 20. August 2020. (AP Photo/Noah Berger)

Die Ernennung dieser Funktionärin, die eher öffentlich an den Pranger gestellt und auf die Anklagebank gehört, für eins der wichtigsten Regierungsämter demonstriert zum x-ten Mal, dass es zweierlei Recht gibt: eines für die Kapitalisten und ihre hochrangigen Diener, und ein anderes für alle anderen.

Was Kerry angeht, den früheren Senator, Präsidentschaftskandidat und Außenminister, so ist die Liste seiner Verbrechen im Dienst des amerikanischen Imperialismus so lang, dass ein eigener Artikel notwendig wäre, um sie alle aufzuzählen. Erwähnt werden soll hier nur, dass er alle Kriege der USA im Nahen Osten unterstützt hat, die Invasion des Irak 2003, den US-Angriffskrieg gegen Libyen 2011 und die anhaltenden Interventionen in Syrien und im Jemen, wie auch den Krieg in Afghanistan, der nun schon 20 Jahre währt.

Bidens Entscheidung, Kerry zum Klimabeauftragten zu ernennen, ist ein Statement, dass die Umweltpolitik der USA zuallererst von den geopolitischen Bedürfnissen des amerikanischen Imperialismus bestimmt sein wird, insbesondere von seinen räuberischen Ambitionen zur Unterwerfung Chinas und Russlands, die Washington als seine beiden größten militärischen und sicherheitspolitischen Rivalen betrachtet.

Liberale und pseudolinke Kommentatoren haben Kerrys Ernennung allgemein begrüßt. 2020 warben sie um Stimmen für die Demokraten mit der Begründung, der neue Präsident würde ernsthaft etwas gegen den Klimawandel unternehmen. Kerry leitete zusammen mit Alexandria Ocasio-Cortez, die der Fraktion der Democratic Socialists of America (DSA) innerhalb der Demokratischen Partei angehört, eine parteiübergreifende Koalition für Klimawandel. Der Klimaplan Bidens ging aus dieser Biden-Sanders Unity Task Force hervor und stellt eine stark verwässerte Version des Green New Deal dar, den Ocasio-Cortez vorgeschlagen hatte.

Als die Öffentlichkeit Ende November von dem Plan erfuhr, meinte Bill McKibben, der bekannte Umweltschützer und Gründer der Klimaschutz-Organisation 350.org: „Ich glaube, @Johnkerry wird einen guten Job machen, nicht zuletzt, weil er versteht, dass die junge Generation über eine Menge neues Wissen verfügt.“

Varshini Prakash, Mitbegründer und Leitender Direktor von Sunrise Movement, eine Jugendbewegung von Klimaaktivisten, meinte zur Ernennung Kerrys: „Eines ist klar: Ihm geht es wirklich darum, den Klimawandel aufzuhalten. Damit können wir arbeiten.“

Kerry und das American Security Project

Tatsächlich hat sich Kerry schon viele Jahre lang mit dem Thema Klimawandel beschäftigt. Allerdings hat sein Interesse sehr viel damit zu tun, dass er seit Jahrzehnten die Interessen des US-Imperialismus vertritt. 2005 war er Mitbegründer des parteiübergreifenden American Security Project (ASP), dasnach eigener Darstellung „eine führende Organisation [ist], die die Gefahren des Klimawandels“ vom Standpunkt der nationalen Sicherheit „genau untersucht“.

ASP begrüßte die Ernennung Kerrys und betonte: „Es gibt drei drängende und wichtige Fragen, die der Nationale Sicherheitsrat nach dem Antritt der Biden-Regierung sofort aufgreifen sollte, um die Gefahren abzuschwächen, die der Klimawandel für unsere Sicherheit bedeutet: (1) Wehrhaftigkeit der Militärbasen; 2) Neuausrichtung der Entwicklungs- und Militärhilfe auf die Stärkung der Klimasicherheit, und 3) Vorbereitungen auf die sicherheitspolitischen Herausforderungen einer schmelzenden Arktis.“ Anders gesagt, es geht weniger darum, die Auswirkungen des Klimawandels abzuschwächen, sondern mehr um die Schlagkraft der Kriegsmaschinerie der USA, während die Erderwärmung fortschreitet.

Diese Aspekte spielen in Bidens Klimaplan eine wichtige Rolle. Die Erwartungen des ASP, dass Kerry diese Prioritäten umsetzt, sind also durchaus berechtigt.

Folgende Passagen im Klimaplan Bidens formulieren wohl die Haltung des ASP. Biden wird (1) „in die Klimaresilienz unserer Militärbasen und kritischen Sicherheitsinfrastruktur in den USA und weltweit investieren, um den Auswirkungen des Klimawandels entgegenzutreten.“ Die Sprache beider Dokumente ähnelt sich stark. Erwähnt wird, dass etwa 10 Mrd. Dollar an Schäden für US-Basen durch extreme Wetterereignisse 2019 eingetreten sind. (2) Biden wird „eine geschlossene Einheitsfront von Ländern bilden, die von China bei seinen Infrastrukturprojekten im Rahmen seiner One Belt One Road Initiative die Einhaltung hoher Umweltstandards einfordert,“ und (3) Biden wird „den Arktischen Rat einsetzen, um Russlands Aktivitäten in der Arktis unter die Lupe zu nehmen, und zusammen mit den Partnern des Arktischen Rats Russland für Versuche, die Region weiter zu militarisieren, verantwortlich machen.“

Das ASP behauptet, dass China die Klima- und Energieversorgungsthematik als Instrumente einsetzt, um in Regionen wie Südamerika, dem Pazifikraum und Westafrika Einfluss zu gewinnen; die USA sollten also, unter Einsatz des „weichen Machtinstruments“ Klimahilfe, dasselbe tun. China „lässt Geld regnen, um auf benachbarten Inseln, denen die Überflutung droht, Uferbefestigungen, Häfen und Anlagen zu sauberer Energiegewinnung “ zu bauen, behauptet die ASP, und „durch den Einfluss Chinas, verstärkt durch das Schmiermittel Klimahilfe, könnten die aktuellen Herausforderungen im Südchinesischen Meer schon bald auch im Pazifik auftauchen.“

Ähnliche Befürchtungen äußert das ASP mit Blick auf Chinas One Belt One Road Initiative zum Bau von Landkorridoren über die eurasische Landmasse und fordert zum Handeln auf: „China muss aufhören, Kohleexporte zu subventionieren und die CO2-Luftverschmutzung auszulagern“, und greift Chinas Bestrebungen an, Infrastruktur für fossile Brennstoffe in Eurasien zu finanzieren.

Es ist pure Heuchelei, solche Befürchtungen zu äußern, während Biden Präsident ist. Als er acht Jahre lang Obamas Vizepräsident war, haben die USA starken diplomatischen Druck auf Länder in der ganzen Welt ausgeübt, damit sie Einfuhrterminals für Flüssigerdgas bauen, um den Export von US-Erdgas aus Fracking zu erleichtern.

Der ASP-Bericht schließt: „Die USA sollten die neuen Instrumente der Development Finance Corporation nutzen, um Klima- und Energiehilfen den Ländern zukommen zu lassen, die vom Klimawandel bedroht und gleichzeitig strategisch wichtig sind.“ Bidens Klimaplan äußert sich ähnlich über das Südchinesische Meer und Chinas Seidenstraßeninitiative.

Mit anderen Worten: Die USA betrachten Klimahilfe und ihre internationale Klimapolitik vor allem als weiteres Instrument, um China geopolitisch, ökonomisch und militärisch zu unterwerfen, und nicht als humanitäre Maßnahme für verarmte Länder, um ihnen den Übergang zu sauberer Energie zu ermöglichen und ihnen dabei zu helfen, sich gegen die unvermeidlich auftretenden Stürme zu wappnen.

Im Einklang damit ist der wichtigste Schluss, den das ASP aus dem schnell schmelzenden Eis der Arktis zieht, dass die USA Russland nicht gestatten sollten, in den nun schiffbaren arktischen Gewässern Einfluss auf See zu gewinnen. „Vorrangiges Ziel wäre es, zwischen der NATO und Russland gegenseitiges Vertrauen aufzubauen, dass die Arktis mit dem Schmelzen des Eises nicht zu einem neuen Konfliktgebiet wird.“ Bidens Klimaplan will den von den USA dominierten Arktischen Rat ins Spiel bringen, „um Russlands Aktivitäten in der Arktis in den Mittelpunkt zu rücken, und mit anderen Mitgliedern des Rates Russland entschlossen für alle Versuche verantwortlich zu machen, die Region noch mehr zu militarisieren“.

Zu den praktischen Auswirkungen sagt das ASP: „Das US-Militär sollte sich an gemeinsamen Manövern in der Arktis beteiligen und sich für militärische Einsätze in der Region, vor allem an der Grenze zu Russland, stark machen. Anders ausgedrückt, die Biden-Regierung wird die rücksichtslosen militärischen „Einsätze für die Freiheit der Schifffahrt“ wie im Südchinesischen Meer dann in der Arktis durchführen.

Die Demokraten nehmen die globale Erderwärmung hin

Das ASP-Dokument schließt mit einem verschämten Eingeständnis der wirklichen Haltung zum Klimawandel in Teilen der amerikanischen herrschenden Klasse, für die Biden und Kerry sprechen. Es heißt da: „Letztlich gibt es keine Sicherheitslösungen in einer Welt, wenn nichts gegen die Erderwärmung getan wird.“ Weiter erklären sie: „Vier Grad Erwärmung [gemeint sind wohl 4 Grad Celsius] wirken sich dramatisch auf die Lebensmittelversorgung, den Meeresspiegel und die Verfügbarkeit von Wasser aus. So eine Welt könnte auch eine globale Militärmacht nicht sicher machen.“

Den Autoren ist zuzustimmen, dass die Erwärmung um 4 Grad Celsius eine globale Katastrophe wäre. Ihre Erklärung impliziert aber, dass eine Erwärmung um 3 Grad Celsius für den US-Imperialismus akzeptabel wäre. Als die Temperatur das letzte Mal dieses Niveau erreichte, war der Meeresspiegel 20 Meter über dem heutigen. Beinahe ganz Bangladesch, wo 165 Millionen Menschen leben, liegt weniger als 10 Meter über dem Meeresspiegel.

Das ist das wahre Gesicht der Klimapolitik der USA und das logische Ergebnis der innen- und außenpolitischen Absichten der Biden-Regierung. Die Demokratische Partei weiß sehr genau, dass ihre Politik die Erderwärmung nicht auf zwei, geschweige denn auf 1.5 Grad Celsius senken kann. Solche Zahlen dienen nur der Beruhigung der Öffentlichkeit. Das Einzige, wozu der US-Kapitalismus in dieser globalen Krise, die schon seit den 1970ern bekannt ist, fähig ist, sind palliative Maßnahmen, um die militärische Dominanz der USA selbst in einer durch die globale Erwärmung destabilisierten Welt zu sichern.

2019 war Kerry Mitbegründer der Organisation World War Zero und demonstrierte damit seinen militaristischen und im Wesentlichen rechten Standpunkt zum Klimawandel. Zweck der Organisation ist es, „Wissenschaftler und Unternehmen, Viersterne-Generäle und jugendliche Aktivisten, populäre Künstler und globale Führer, Demokraten und Republikaner zusammenzubringen“, um dem Klimawandel entgegenzutreten. Prominente Mitglieder dieser Organisation sind die ehemaligen republikanischen Gouverneure Arnold Schwarzenegger (Kalifornien) und John Kasich (Ohio), und Schauspieler Leonardo DiCaprio.

Abgesehen vom Ziel der Netto-Null-Emissionen bis 2050 und Appellen an Unterstützer von Klimaaktionen, sich nicht gegenseitig zu bekämpfen, hat die Organisation buchstäblich nichts zu sagen. Das Lob für Kerry von 350.org und der Sunrise Movement zeigt, dass World War Zero sein Ziel erreicht hat: Die Demokratische Partei wird dargestellt, als stünde sie den Millionen vorwiegend junger Leute positiv gegenüber, die angesichts der katastrophalen Umweltschäden weltweit um ihre Zukunft fürchten.

Das der DSA nahestehende Magazin Jacobin stellt sich als Kritiker von Kerrys engen Kontakten zur Fossilbrennstoffindustrie dar, um dann zu behaupten: „Die Liberalen im Washingtoner politischen Establishment kämpfen nicht hart genug gegen die wirtschaftsfreundlichen Kabinettsmitglieder Bidens“. Anders gesagt, Jacobin befürchtet, eine offensichtliche Parteinahme für Kerry wäre ein zu plumper Kniefall vor dem Establishment der Demokratischen Partei. Sie ziehen es vor zu propagieren, die Demokraten könnten durch Druck dazu bewegt werden, effektive Maßnahmen gegen den Klimawandel zu ergreifen. Damit wollen sie Arbeiter und junge Menschen an kapitalistische Politik fesseln.

.Doch in Wahrheit kann der Klimawandel nicht ernsthaft angegangen werden, während die imperialistischen Mächte der Welt, insbesondere die russland- und chinafeindlichen Falken der Biden-Regierung, Vorbereitungen auf einen Weltkrieg treffen. Eine kapitalistisch regierte Erde kann die Erderwärmung nur durch einen nuklearen Winter auf 1.5 Prozent beschränken. Bidens militaristisch geprägte Klimaschutzpolitik macht diese Gefahr noch größer.

Chinas Ausstoß an CO2 ist mit 30 Prozent momentan der höchste der Welt, die USA sind für 15 Prozent verantwortlich. Das ist nicht chinesischen Eigenarten geschuldet, sondern ergibt sich unvermeidlich aus der Entwicklung des Weltkapitalismus. Chinas große Bedeutung für der Globalisierung der Produktion hat das Land zur Produktionsdrehscheibe der Welt gemacht. China zur Zielscheibe zu machen und das Land zur Reduktion seiner Emissionen zu zwingen, würde unter kapitalistischen Verhältnissen nur bedeuten, dass Unternehmen ihre Produktion in andere Länder verlagern, Arbeitsplätze in China zerstören und Löhne und Lebensstandard für Arbeiter weltweit drastisch senken.

Dagegen appelliert die internationale trotzkistische Bewegung an die Arbeiter in den USA und weltweit, eine Einheit mit ihren chinesischen Brüdern und Schwestern zu bilden, um eine Weltwirtschaft aufzubauen, die die Bedürfnisse aller Menschen befriedigt. Die Menschheit besitzt alle dafür notwendigen Mittel und kann gleichzeitig die Erderwärmung auf ein Maß begrenzen, das der Weltbevölkerung ein gutes Leben und Auskommen ermöglicht.

Doch der Kapitalismus und das überholte Nationalstaatensystem demonstrieren seit einem Jahr auf tragische Weise, dass sie das Haupthindernis für eine koordinierte globale Reaktion auf eine Gefährdung der Umwelt und der öffentlichen Gesundheit sind. Der Kampf gegen den Klimawandel ist daher ein Kampf gegen den Kapitalismus und für den Sozialismus.

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