Treffen des Netzwerks der Aktionskomitees für sichere Bildung

Arbeiter und Jugendliche fordern Generalstreik für einen „strikten Lockdown“

Trotz des verheerenden Voranschreitens der ‚dritten Welle‘ der Pandemie setzen alle europäische Regierungen ihre tödliche Öffnungspolitik fort. Das Netzwerk der Aktionskomitees für sichere Bildung traf sich am Montag vergangener Woche, um den drastisch steigenden Widerstand gegen diese Politik zu organisieren.

„Wir stehen vor der Notwendigkeit, einen wirklichen europaweiten Lockdown durchzusetzen, der auch Schulen, Kitas und die Industrie umfasst“, erklärte Gregor Kahl, Autor für die World Socialist Web Site und Bundestagskandidat der Sozialistischen Gleichheitspartei, zu Beginn seines einleitenden Beitrags. „In dem Maße, wie dies nicht geschieht, stehen allein in Deutschland und Europa hunderttausende Menschenleben auf dem Spiel.“

Trotzdem setzten die Regierungen ihre Öffnungskampagnen fort. „Unter Bedingungen, unter denen die Pandemie eskaliert und mehr Menschenleben bedroht sind als je zuvor, geht die herrschende Klasse dazu über, alle Corona-Schutzmaßnahmen zu beenden. Die Bourgeoisie hat beschlossen, jetzt ‚durchzuseuchen‘.“

Doch der Widerstand gegen diese „Profite vor Leben“-Politik werde immer deutlicher, so Kahl weiter. „Die Pandemie entwickelt sich mehr und mehr zu einem offenen Klassenkampf der internationalen Arbeiterschaft gegen die herrschenden Kapitalisten in jedem Land. Schon die ersten Lockdowns wurden durch das unabhängige und mutige Eingreifen von Arbeitern in Italien, Kanada, Frankreich und den USA erkämpft, sodass den Herrschenden zunehmend klar wurde, dass sie nicht einfach nichts tun können, ohne ihren Kopf zu riskieren.“

Kahl verwies auf aktuelle repräsentative Zahlen des ZDF-Politbarometers, wonach 36 Prozent der Befragten die ‚geltenden Corona-Maßnahmen‘ als ,nicht hart genug‘ bezeichnen – eine Zunahme von 18 Prozentpunkten im Vergleich zum Vormonat. Zu keinem Zeitpunkt habe es eine Mehrheit für Lockerungen gegeben, berichten Meinungsforscher.

Diese Opposition und die weltweit zunehmenden Klassenkämpfe zeigten die grundlegend verschiedenen Interessen zwischen der Kapitalistenklasse und der Arbeiterklasse auf, die ihren Ausdruck im kapitalistischen und im sozialistischen Programm finden: „Das kapitalistische Programm erklärt, dass die Pandemiepolitik von Profitinteressen geleitet werden muss – Das sozialistische Programm plädiert dafür, dass die Gesundheitspolitik von der Wissenschaft geleitet werden muss.“

Derselbe Widerspruch äußere sich auch in der scheiternenden Impfkampagne. „Das Impfprogramm muss dem anarchischen und zerstörerischen Profitstreben entrissen werden und wissenschaftlich erfolgen.“ Ein „Hineinimpfen in eine sich ausbreitende Pandemie“, so Kahl, sei „ein Rezept für erhöhten evolutionären Druck und das potentielle Entstehen impfresistenter Mutanten“.

In Bezug auf die Schulöffnungspolitik folge aus dem kapitalistischen Programm, dass die Schulen wieder geöffnet werden sollen und die Lüge verbreitet wird, dass das Risiko für Schüler und Lehrer gering sei. Das sozialistische Programm fordere hingegen „einen vollen Einkommensausgleich für Arbeiter und kleine Unternehmen für die Dauer der Krise – bezahlt durch die Enteignung der Pandemie-Profiteure und großen Kapitalisten und die Umwandlung der Banken in öffentliche Institute unter Kontrolle der Arbeiterklasse“.

Den internationalen Charakter dieser Entwicklungen verdeutlichte der Beitrag von Jordan Shilton, einem Mitglied der Socialist Equality Party in Kanada und des neu gegründeten „Cross-Canada Educators‘ Rank-and-File Safety Committee“. Das kanadaweite Netzwerk von Aktionskomitees aus Lehrern und Erziehern für sichere Bildung war im Verlauf eines Kampfes gegen den Jahrzehnte andauernden Versuch der Gewerkschaften entstanden, Pädagogen in Kanada entlang von Regionen und Bundesstaaten zu spalten und sie über Geschehnisse in anderen Teilen des Landes im Dunklen zu lassen.

„Obwohl Studien aus Kanada und der ganzen Welt gezeigt haben, dass Schulen wichtige Vektoren für die Übertragung von Covid-19 sind, halten die Regierungen aller großen Parteien die Schulen weiterhin mit Deckung der Gewerkschaften offen“, erklärte Shilton. Aus dem Gründungsaufruf des Netzwerkes zitierte er: „Zu jedem Zeitpunkt der Pandemie haben Kanadas Regierungen den egoistischen Klasseninteressen der kapitalistischen Elite Vorrang vor der Rettung des Lebens der arbeitenden Menschen eingeräumt.“ Dies seien internationale Entwicklungen: „Die Situation von Pädagogen und Lehrkräften in Kanada ähnelt derjenigen von Arbeitern auf der ganzen Welt. Ob in Brasilien, Deutschland, Frankreich oder den USA - Lehrer werden inmitten der Pandemie unter gefährlichsten Bedingungen an die Front geschickt. Weil die Pandemie globalen Charakter hat, kann sie von der Arbeiterklasse nur international bekämpft werden.“

Im Anschluss an die einleitenden Beiträge entwickelte sich eine rege Diskussion unter den teilnehmenden Schülern, Arbeitern und Lehrern. Der Oberstufenschüler Florian aus Baden-Württemberg verwies auf die verheerende Rolle des ‚Impfnationalismus‘und stellte ihn in einen Zusammenhang mit den von der Pandemie verstärkten Spannungen zwischen Europa, den USA und China. Auch innerhalb der EU gebe es „heftige nationale Spannungen“, stellte er fest: „Länder wie Ungarn haben Impfstoffe aus Russland und China bestellt, was die EU strikt ablehnt, weil es ihren Konfrontationskurs gegen diese Länder untergräbt.“

Die Kriegsgefahr zwischen den USA und China – wo umfassende Maßnahmen zu einem Rückgang der Pandemie geführt haben – werde durch die anti-chinesische Hetze der Biden-Administration weiter verschärft, so der Schüler. „Das aggressive Vorgehen der USA gegen China bringt Deutschland allerdings in eine Zwickmühle. Einerseits ist China für viele deutsche Unternehmen ein sehr schnell wachsender Markt, anderseits sind die USA nach wie vor der größte Exportmarkt Deutschlands, das wichtigste Ziel ausländischer Direktinvestitionen.“ Dieser Zwickmühle begegne Deutschland mit einer massiven militärischen Aufrüstung, um die eigenen geostrategischen Interessen besser durchsetzen zu können.

Madeleine, die aufgrund der kriminellen Politik der Bundes- und Landesregierungen einen familiären Todesfall durch Covid-19 erlitten hat, sprach über die Notwendigkeit, mit einem gemeinsamen Streik den „Spieß umzudrehen“: „Wir müssen alle zusammenhalten und streiken, um die Kontrolle zum Wohle unserer Gesundheit zu übernehmen! Wir sollten einfach alle für 14 Tage zuhause bleiben.“

IYSSE-Mitglied Clemens zeigte auf, dass sich eine solche internationale Streikbewegung bereits entwickelt. Er zitierte aus einer Solidaritätserklärung, den das Netzwerk für Sichere Arbeitsplätze den in Frankfurt streikenden WISAG-Arbeitern übermittelt hatte, und schlussfolgerte: „Die WISAG-Arbeiter sind nicht alleine – international formiert sich der Widerstand. Arbeiter in Frankreich, Spanien, Großbritannien und Italien streiken ebenso wie Lehrer in Chicago und Sao Paulo. Um diesen Kampf zum Sieg zu führen, müssen wir uns unabhängig von den Gewerkschaften organisieren und die Sozialistische Gleichheitspartei und ihre Schwesterparteien überall auf der Welt aufbauen.“

Philipp Frisch, ein Lehrer aus NRW und SGP-Mitglied berichtete über den wachsenden Widerstand von Lehrern gegen die „Profite vor Leben“-Politik. An seiner eigenen Schule zeige sich dies unter anderem durch kollektive Krankschreibungen – dies werfe jedoch die Frage der Organisation auf. Einzig unabhängige Aktionskomitees seien „willens oder in der Lage, eine internationale Zusammenarbeit von Lehrern und breiteren Teilen der Arbeiterklasse zu ermöglichen“.

Zugleich, so Frisch, zeige sich inmitten des Impf- und Testdebakels immer deutlicher der wirkliche, brutale Charakter der Öffnungspolitik. Der „scheinbare ‚Zick-Zack-Kurs‘ der Regierung“ ergebe sich demnach „aus den Versuchen, die Interessen der Finanzelite angesichts überwältigender Ablehnung in der Bevölkerung zu wahren“: „Die Herrschenden in allen Ländern merken, dass sie auf einem Pulverfass sitzen und es eine massive Opposition gegen ihr Politik gibt.“

Eylem, ein ehemaliger Taxifahrer aus Hamburg, betonte, dass eine Pandemie nur international bekämpft werden könne: „In der Türkei sind momentan 13 Prozent aller Tests positiv. Das ist eine regelrechte Tsunamiwelle von Infektionen, die sich immer weiter ausbreitet – und das nur, weil die Arbeiter in die Betriebe gezwungen werden. Viele deutsche Autokonzerne werden von Firmen aus Mazedonien oder Serbien beliefert. Solange hier die Werke weiterlaufen, wird man versuchen, auch die Werke in diesen Ländern offen zu halten.“

Tamino, ein Schüler aus Baden-Württemberg, sprach abschließend über das Verhältnis der sozialen Frage zu der Corona-Politik der Regierungen. Dass die Öffnungspolitik lediglich den Interessen der Banken und Großkonzerne dient, sei zuletzt anhand des Jubels der großen Finanzvertreter über die Rücknahme des Osterlockdowns sichtbar geworden. „Gleichzeitig werden Arbeiter unter tödlichen Bedingungen zurück an die Arbeit gezwungen und sind trotzdem mit Massenentlassungen und Lohneinbußen konfrontiert.“ Dieser menschenverachtende Zusammenhang werde am schärfsten durch den gemeinsamen Anstieg von Corona-Todeszahlen und DAX-Kursen verdeutlicht.

Unser nächstes Onlinetreffen findet am kommenden Montag um 19:30 gemeinsam mit dem Netzwerk der Aktionskomitees für sichere Arbeitsplätze statt. Nehmt am Facebook-Event teil und registriert euch hier für den Aufbau von Aktionskomitees an euren Schulen, Einrichtungen und Betrieben.

Loading