MAN-Steyr: Belegschaft stimmt gegen Verkauf des Werks

Fast zwei Drittel der MAN-Beschäftigten im oberösterreichischen Steyr haben am Mittwoch gegen den Verkauf des Betriebs an den österreichischen Investor Siegfried Wolf gestimmt. Die Geschäftsführung der VW-Tochter MAN Truck & Bus hatte die Belegschaft vor die Alternative gestellt, entweder dem Verkauf zuzustimmen oder die Schließung des Werks im Jahr 2023 zu akzeptieren.

94% der 2356 Beschäftigten nahmen an der Abstimmung teil, von denen 1415 (64%) gegen den Verkauf stimmten. 27 Stimmen waren ungültig und 773 Arbeiter votierten dafür, weil sie – irritiert durch die Versprechungen des Investors und Befürchtungen des Totalverlustes der Arbeitsplätze – hofften, in einem neuen Unternehmen weiter arbeiten zu können. Dabei war ihre Übernahme keineswegs gesichert.

Urabstimmungszettel

Investor Wolf hatte am 26. März auf einer Betriebsversammlung sein Konzept vorgestellt. Die Produktpalette sollte aus leichten Kastenwagen mit Dieselmotoren und Elektroantrieb, Pritschenwagen, Lastkraftwagen zwischen sechs und zwölf Tonnen sowie einem City-Bus mit Elektroantrieb und einem Bus für den Regionalverkehr bestehen. Die vorhandene Kapazität einer erst vor wenigen Jahren errichteten Lackieranlage für LKW-Fahrergehäuse sollte auch für Lieferungen an den russischen LKW-Hersteller GAZ genutzt werden. Wolf besitzt 10 Prozent der Anteile an diesem Unternehmen.

Das Konzept war allerdings mit einem massiven Arbeitsplatzabbau und Lohnsenkungen verbunden: Nur 1250 der 1900 Stammbeschäftigten sollten übernommen werden und kein einziger Zeit- und Leiharbeiter. Die bisherige Akkordvergütung sollte komplett wegfallen, was eine Lohnsenkung zwischen 15 und 30 Prozent bedeutet hätte. Außerdem war das Konzept wegen der US-Sanktionen gegen den Eigentümer von GAZ, den russischen Oligarchen Oleg Deripaska, riskant.

Eine Schließung des Standorts würde nicht nur die Belegschaft treffen, sondern zum Verlust von insgesamt 8400 Arbeitsplätzen führen, eine Katastrophe für tausende Familien. Zu diesem Ergebnis gelangt eine Studie von Professor Friedrich Schneider vom Institut für Volkswirtschaftslehre der Johannes-Kepler-Universität (JKU) in Linz. Das Bruttoinlandsprodukt Österreichs würde durch die Schließung um knapp eine Milliarde Euro sinken und die Regionen Ober- und Niederösterreich würden zudem durch höhere Ausgaben für Arbeitslosigkeit und sinkende Steuereinnahmen betroffen, so die Studie.

Der Aufsichtsrat von MAN Truck & Bus hatte bereits Ende März die Schließung des Standorts bis zum Jahr 2023 beschlossen, falls der Verkauf fehlschlägt. Die Produktion solle dann nach Polen verlagert werden, wo das Lohnniveau durchschnittlich um 65% unter dem in Österreich liegt. Wie viele westeuropäische Automobilhersteller hatte auch MAN nach dem Zusammenbruch der stalinistischen Regime in Osteuropa die Gelegenheit genutzt, durch Übernahme oder Neugründung von Produktionswerken in diesen Niedriglohnländern Produktionskosten zu sparen.

Der Vorstand des Unternehmens hatte versucht, die Arbeiter mit einer Bonuszahlung von 10.000 Euro pro Person zur Zustimmung zu dem Verkauf zu bewegen. Die Gewerkschaft PRO-GE hat keine Abstimmungsempfehlung abgegeben. Trotzdem hat die große Mehrheit der Belegschaft diesen Bestechungsversuch durchschaut und zurückgewiesen. Ihr Votum ist gleichzeitig ein Votum, gegen die Schließung des Betriebs zu kämpfen.

Dabei ist die Belegschaft nicht nur mit dem Unternehmen konfrontiert, sondern auch mit der Gewerkschaft PRO-GE, die nicht bereit ist, jeden Arbeitsplatz zu verteidigen. Schon vor der Urabstimmung hatten Betriebsräte und Gewerkschaftsführung ihre Bereitschaft signalisiert, Arbeitsplätze zu vernichten. In mehreren Interviews hatten der Betriebsratsvorsitzende Erich Schwarz sowie PRO-GE-Chef Rainer Wimmer betont, dass ohnehin Personal abgebaut werden müsse wegen der Umstellung der Antriebstechnik auf Elektroantriebe und der EU-Richtlinien zur Begrenzung des Kohlendioxid- und Stickstoff-Ausstoßes.

Nach der Veröffentlichung des Abstimmungsergebnisses erklärte der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Helmut Emler der Presse, das Ziel sei jetzt eine Lösung wie in Deutschland. Man werde schon am Folgetag das Gespräch mit der Geschäftsführung suchen. Die Schließung des Werks sei erst für das Jahr 2023 geplant, für die Kunststofflackiererei mit ihren 400 Arbeitern erst 2027. Dieser Hinweis muss eine Warnung für alle Arbeiter in Steyr sein.

In Deutschland hat die IG Metall der Vernichtung von 3500 Arbeitsplätzen zugestimmt und dies als einen großen Sieg gefeiert, da man die ursprüngliche Zahl der abzubauenden Stellen vermindert habe. Als Alternative verweist die PRO-GE auch auf mögliche andere Investoren, die vom MAN-Vorstand nicht berücksichtigt wurden. So gibt es einen Entwurf für ein „Green Mobility Center“, das der Linzer Industrielle Karl Egger (KeKelit) vorgeschlagen hat, und ein vages Konzept der österreichischen Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck für ein „Österreich-Konsortium“.

Die PRO-GE weigert sich strickt, für die prinzipiellen Verteidigung aller Arbeitsplätze einzutreten. Eine Standortsicherung, die erst im vergangenen Jahr mit MAN vertraglich vereinbart wurde, ist vom Konzern gekündigt worden. Auch dagegen will die Gewerkschaft nicht vorgehen, das sei vorerst „nicht das Thema“, so Betriebsrat Emler. Gewerkschaft und Betriebsräte werden wohl bald hinter geschlossenen Türen mit dem MAN-Vorstand verhandeln, um die Belegschaft dann vor vollendete Tatsachen zu stellen.

Das Beispiel MAN-Steyr unterstreicht, dass sich die Arbeiter nur verteidigen können, wenn sie selbst die Initiative ergreifen, sich von der Zwangsjacke der Gewerkschaften befreien, sich unabhängig in Aktionskomitees organisieren und sich mit den Kollegen in anderen Betrieben und international vernetzen. Das erfordert eine sozialistische Perspektive, die die Bedürfnisse der Arbeiter über die Profitinteressen der Konzerne stellt.

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