Spannungen verschärfen sich: Ukraine laut Selenskyj „bereit“ für Krieg mit Russland

Während sich die Spannungen in der Schwarzmeerregion weiter verschärfen, erklärte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Dienstagabend, die Ukraine sei „bereit“ für einen Krieg gegen Russland und warnte, das Land werde im Kriegsfalle „bis zum letzten Mann kämpfen“.

Selenskyj unterzeichnete außerdem ein neues Gesetz, das es dem ukrainischen Militär ermöglicht, seine Reservisten innerhalb von vierundzwanzig Stunden zu mobilisieren. Jenen, die die Einberufung verweigern, droht ein Strafverfahren. Das Gesetz wurde vom ukrainischen Generalstab vorgeschlagen.

Sondereinsatztruppen der ukrainischen Streitkräfte (Foto: Wikipedia/ArmyInform]

Selenskyjs aggressive Äußerungen fielen vor dem Hintergrund wachsender Nato-Aktivitäten nahe der russischen Grenze.

Am Mittwoch berichtete die russische Presse, dass zwei Nato-Flugzeuge – eine amerikanische P-8A Poseidon und eine britische RC-135W – und eine amerikanische Drohne mehrstündige Aufklärungsflüge nahe der Krim im Schwarzen Meer durchgeführt hatten.

Vor der rumänischen Schwarzmeerküste wurde ein französischer Flugzeugträger gesichtet, am Dienstag wurden russische Aufklärungsflugzeuge, Jäger und Bomber über der Ostsee von Nato-Trägerflugzeugen aus Estland, Lettland und Polen abgefangen. Am 19. April führten die Ukraine und der Nato-Mitgliedsstaat Rumänien gemeinsame Militärübungen im Schwarzen Meer durch.

Laut der Nesawisimaja Gaseta wurden mehr als zwanzig amerikanische Kampfflugzeuge der Typen F-16 und F-15 plötzlich von Großbritannien nach Polen verlegt. Ein russischer Militärexperte deutete an, dass die beiden amerikanischen Lenkwaffenzerstörer USS Donald Cook und USS Theodore Roosevelt „in der nördlichen Ägäis [unmittelbar jenseits des Schwarzen Meeres] an Manövern der Nato-Übung Ramstein Dust II 21 beteiligt sind.“ Letzte Woche hatten die USA die Entsendung von zwei Kriegsschiffen ins Schwarze Meer kurzfristig abgebrochen, doch nur wenige Tage später hatte stattdessen Großbritannien zwei Kriegsschiffe entsandt.

Russland hat gerade seine eigenen Militärübungen im Schwarzen Meer beendet, an der zwanzig Kriegsschiffe der Schwarzmeerflotte und mehr als 50 Kampfflugzeuge teilnahmen. Ein Großteil der Soldaten und des Kriegsgeräts, das der Kreml für die Militärübungen in die Region verlegt hat, soll auch dort bleiben.

Am Montag erklärte der Kreml, dass große Teile der Krim, darunter die Südhälfte, wo sich der Stützpunkt der russischen Schwarzmeerflotte befindet, sowie Teile des Schwarzen Meeres selbst, „für den Flugverkehr vorübergehend gefährlich“ seien. Russland hat auch die Passage zwischen dem Asowschen Meer und dem Schwarzen Meer vom 24. April bis zum 31. Oktober für ausländische Kriegsschiffe geschlossen.

Die Aktivitäten der Nato führen zu einer gefährlichen Verschärfung der Spannungen in einer Region, in der die militärische Lage ohnehin schon sehr unsicher ist. In den letzten Wochen verschärften sich die Kämpfe zwischen dem ukrainischen Militär und den von Russland unterstützten Separatisten in der Ostukraine.

Dort tobt ein Bürgerkrieg, seit im Februar 2014 ein von den USA und Deutschland unterstützter Putsch zum Sturz der prorussischen Regierung von Wiktor Janukowirsch geführt hat. Der Krieg hat schätzungsweise 14.000 Todesopfer gefordert und Millionen zur Flucht gezwungen. In diesem Jahr wurden bereits mehr als 30 ukrainische Soldaten getötet, im Vorjahr waren es insgesamt nur 50.

Am Montag wurde ein weiterer ukrainischer Soldat getötet. Nur wenige Stunden später trafen sich Vertreter der Ukraine, Russlands, Deutschlands und Frankreichs zu Neuverhandlungen über die gescheiterte Waffenruhe zwischen den ostukrainischen Separatisten und dem ukrainischen Militär. Berichten zufolge kamen die Verhandlungen zu keinem nennenswerten Ergebnis.

Unmittelbarer Hintergrund der jüngsten Eskalation der militärischen Zusammenstöße war die Entscheidung der ukrainischen Regierung, eine Offensive zur Rückeroberung des Donezbeckens und der „Rückholung“ der Krim umzusetzen. Die Halbinsel im Schwarzen Meer wurde von Russland im März 2014 nach dem Putsch in Kiew und einem Volksentscheid angegliedert, in dem die Mehrheit der Bewohner der Halbinsel für den Anschluss an Russland stimmte.

In den letzten Wochen hat die ukrainische Regierung unter Wolodymyr Selenskyj gegenüber den USA und der EU aggressiv auf eine beschleunigte Aufnahme in die Nato gedrängt. Doch der französische Präsident Emmanuel Macron und die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel haben sich bisher geweigert, die Aufnahme der Ukraine in die Nato zu unterstützen.

Der ukrainische Botschafter in Deutschland hat angedroht, die Kiewer Regierung erwäge die „eigenständige“ Anschaffung von Atomwaffen, falls ihr Gesuch um Aufnahme in die Nato nicht erfüllt wird. Laut Berichten der russischen Presse bereitet das ukrainische Parlament auch einen Brief an den amerikanischen Kongress vor, in dem es den Status eines „wichtigen Nicht-Nato-Verbündeten“ („major non-NATO ally“, MNNA) beantragt.

Am Mittwoch erklärte der ukrainische Außenminister Dmitri Kuleba, er habe US-Außenminister Antony Blinken um „mächtige Mittel zur elektronischen Kriegsführung“ für die Konfrontation mit Russland gebeten. Er erklärte weiter, er habe die Außenminister der EU aufgefordert, Russland aus dem SWIFT-System auszuschließen, einem internationalen Kommunikationssystem für Banken und andere Finanzinstitute. Ein solcher Schritt könnte zum vollständigen Zusammenbruch des russischen Finanzsystems führen.

Die ukrainische herrschende Klasse verschärft auch ihre Kriegsvorbereitungen im Inland. Am Montag kündigte der ukrainische Sicherheitsdienst SBU „mehrstufige Antiterrorübungen“ im ganzen Land an. Die Ankündigung deutet darauf hin, dass sich die Regierung auf die Verhängung des Kriegsrechts vorbereitet: „Möglicherweise werden angesichts der Übungen in Teilen des Landes vorübergehend ein besonderes Regime sowie Einschränkungen oder Verbote für Fahrzeuge und Fußgänger, Ausweiskontrollen, Fahrzeuginspektionen, etc. eingeführt.“ Hierzu hatte der ehemalige Präsident Petro Poroschenko im Jahr 2018 einen Präzedenzfall geschaffen, als er nach einer Provokation im Asowschen Meer das Kriegsrecht verhängte.

Am Donnerstag diskutierte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bei einem Treffen mit dem Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrat über die militärische Bereitschaft des Landes. Er forderte die Bevölkerung auf, „nur den offiziellen Erklärungen unseres Generalstabs und des Präsidenten zu vertrauen“ und erklärte: „Das Militär ist bereit – das ist das wichtigste.“

Der Pressedienst von Kiew hatte zuvor eine Karte mit aktualisierten Bombenbunkern veröffentlicht und erklärt, die Regierung habe Gelder zum Bau von Zivilschutzstrukturen bereitgestellt, um die Bevölkerung im Kriegsfall aufzunehmen.

Die ukrainische herrschende Klasse ist sich bewusst, dass die Fortsetzung – ganz zu schweigen von der Ausweitung – des Kriegs in der Ostukraine zutiefst unpopulär ist. Deshalb arbeitet sie daran, die extreme Rechte zu mobilisieren, die bereits bei dem Putsch von 2014 und im anschließenden Bürgerkrieg eine zentrale Rolle spielte.

Letzte Woche hatte Innenminister Arsen Awakow, einer der einflussreichsten Politiker des Landes, der enge Beziehungen zur extremen Rechten unterhält, auf Facebook an diese Kräfte appelliert. Er nannte sie „Patrioten“ und rief sie in faschistischer Rhetorik auf, sich auf den Krieg und den Schutz des „Mutterlandes“ vorzubereiten. Awakow deutete an, die Ukraine würde besser dastehen als im Jahr 2014, weil sie seither von den USA Militärhilfe und Kriegsgerät im Wert von mehr als zwei Milliarden Dollar erhalten hat.

Als Innenminister kontrolliert Awakow die Nationalgarde des Landes, die 2014 gegründet wurde und u.a. das neofaschistische Asow- und Donbass-Bataillon beinhaltet. In den letzten Jahren spielte sein Ministerium eine zentrale Rolle dabei, die extrem rechten Kräfte im Land zu schützen und auszubauen. Organisationen wie das Asow-Bataillon und C-14 haben mehrere Mordanschläge auf Journalisten und ethnische Minderheiten durchgeführt und gingen nahezu straffrei aus.

Die ukrainische Presse verbreitet weiterhin die Vorstellung, die USA und die Nato würden die Ukraine in einem Krieg gegen Russland militärisch unterstützen. Besondere Aufmerksamkeit erhielten die jüngsten Äußerungen der amtierenden amerikanischen Botschafterin in der Ukraine Kristina Kvien, laut der die USA im Falle eines Krieges gegen Russland weitere Truppen in die Ukraine verlegen könnten.

Im Gespräch mit dem ukrainischen Premierminister Denys Schmychal erklärte Kvien: „Wir werden die Lage ständig aus und bewerten die Bedürfnisse der ukrainischen Seite. Und wir haben eine dauerhafte Präsenz von 160 amerikanischen Soldaten. Wenn sich das nach unserer Einschätzung ändern und die Zahl erhöht werden muss, werden wir dies überdenken.“

In der Masse der Bevölkerung herrscht großer Widerstand gegen einen offenen Krieg zwischen der Ukraine und Russland, der Millionen Menschenleben gefährden würde. Tausende Ukrainer sind an der Bürgerkriegsfront in der Ostukraine desertiert. Selenskyj selbst wurde im Jahr 2019 nur wegen des massiven Widerstands gegen die wütende antirussische Politik und Kriegstreiberei des früheren Präsidenten gewählt.

Doch unabhängig von der Entscheidung der USA und der europäischen imperialistischen Mächte zur Ukraine kann der imperialistische Kriegskurs nur durch die Schaffung einer internationalen sozialistischen Antikriegsbewegung der Arbeiter in ganz Osteuropa und der Welt gegen das überholte und barbarische kapitalistische System aufgehalten werden.

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