Durchseuchungspolitik gefährdet Hunderttausende Schüler

Die Novelle des Infektionsschutzgesetzes, die letzte Woche verabschiedet wurde, schreibt die rücksichtslose Durchseuchungspolitik an den Schulen fest und gefährdet Hunderttausende Schüler.

Schüler drängen sich an einem Schulzentrum in Dortmund-Hacheney

Die Corona-Neuinfektionen haben sich in den letzten Wochen auf ein Niveau von 20.000 pro Tag eingependelt. Das sind mehr als drei Mal so viele wie auf dem Höhepunkt des ersten Lockdowns. Laut dem aktuellen Bericht des Robert-Koch-Instituts (RKI) stiegen die Corona-Fallzahlen in den letzten Wochen in allen Altersgruppen wieder an. Besonders stark war der Anstieg jedoch unter Jüngeren, was vor allem auf die Schulöffnungen zurückzuführen ist.

Das RKI schätzt die Gefährdung der Gesundheit der Bevölkerung insgesamt als sehr hoch ein. Bedrohlich sind insbesondere die zunehmenden Massenausbrüchen in Kitas, Schulen und dem beruflichen Umfeld. Besorgniserregend ist dies auch vor dem Hintergrund der raschen Verbreitung der britischen, südafrikanischen und brasilianischen Mutationen, die ansteckender sind und auch bei jüngeren Menschen öfter zu schweren Krankheitsverläufen führen.

Seit Herbst sind 335 Fälle von Schülern, 129 von Lehrern und 182 von Erziehern bekannt geworden, die wegen Corona ins Krankenhaus mussten. Drei Lehrer und sechs Erzieher sind an Covid-19 verstorben. Die Dunkelziffer ist viel höher, da entsprechende Informationen nur für eine Teilmenge der Infizierten vorliegen.

Wie die World Socialist Web Site bereits berichtet hat, ist das Notbremsengesetz pure Heuchelei. Es legt fest, dass bundesweit Präsenzunterricht stattfindet, solange die Sieben-Tage-Inzidenzzahl die Grenze von 165 nicht überschreitet.

Dass das viel zu hoch angesetzt ist, sagen Wissenschaftler schon seit Monaten. Als die Schulen nach den Sommerferien im letzten Jahr wieder öffnen sollten, hatte das RKI noch empfohlen, dass die Schulen bereits ab einer Inzidenz von 35 in den Wechselunterricht und ab einer Inzidenz von 50 komplett in den Distanzunterricht gehen.

Dass der Wert von 165 reine Wilkür ist und kein wissenschaftliches Standbein hat, sieht man auch daran, dass trotz der hohen Fallzahlen und der viel zu spät angelegten Notbremse nur 170 Landkreise die Schulen schließen mussten. Hinzu kommt, dass die Inzidenz bei den 5- bis 14-Jährigen, also der Gruppe, die in die Schule geht, nach Angaben des RKI bedeutend größer ist als bei der restlichen Bevölkerung. Für diese Altersgruppe liegt die Inzidenz in 277 Landkreisen über 165 und in 93 Landkreisen zwischen 100 und 165.

In Sachsen, wo die Schulen vor Inkrafttreten der Notbremse ohne Rücksicht auf Inzidenzwerte geöffnet blieben, lag die Inzidenz bei 15- bis 19-Jährigen in der letzten Woche bei 367. Spitzenreiter war der Landkreis Zwickau mit 579. In Chemnitz erreichte die Inzidenz bei 10- bis 14-Jährigen einen Rekordwert von fast 700.

Abschulklassen, Förderschulen und Notbetreuung, die weit über das Notwendige hinaus geht, sind auch nach Inkrafttreten der Notbremse in allen Bundesländern von der Schließung ausgenommen. Viele Bundesländer haben zusätzlich noch eigene Ausnahmen beschlossen.

In Bayern, Niedersachsen, Sachsen und Sachsen-Anhalt, bleibt – unabhängig von den Inzidenzwerten – zusätzlich zu den Abschlussklassen auch noch die Jahrgangsstufe 4 im Wechselunterricht. In Bayern, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern waren die Schulen außerdem bisher bei einer Inzidenz von 100 geschlossen worden, so dass die Notbremse dort keine Auswirkung hat oder sogar eine Lockerung darstellt.

Auch in Hessen kehren die Jahrgangsstufen 1 bis 6 seit Montag in den Wechselunterricht zurück, und die Jahrgangsstufe 7 soll ab dem 6. Mai folgen.

Schleswig-Holstein, das aktuell noch die meisten Schulen geschlossen hat und mit 75 die niedrigste Inzidenz aller Bundesländer aufweist, plant das Zurückholen aller Jahrgänge in den Wechselunterricht ab dem 3. Mai.

Baden-Württemberg, das mit Ferienende für alle Klassenstufen den Wechselunterricht eingeführt hat, verzeichnet aktuell den stärksten Anstieg von Neuinfektionen. Allein in der letzten Woche betrug der Anstieg 14 Prozent. Die Landesregierung hatte den Grenzwert zwar bereits vor der Notbremse auf 165 gesetzt, jedoch laut Kultusministerium nur, „um den Schulen eine bessere Planbarkeit für die weitere Öffnung zu geben“. Diese Öffnung hat bereits begonnen, so findet der Sportunterricht für die Jahrgangsstufen 11 und 12 wieder in Präsenz statt.

In Brandenburg werden bis zum 3. Mai die Jahrgangsstufen 1 bis 6 auch nach Überschreiten der Inzidenz von 165 im Wechselunterricht bleiben. Ab dem 3. Mai wird die 9. Jahrgangsstufe zusätzlich zu den Abschlussklassen in die Schule gehen.

Die meisten Lockerungen hat das rot-rot-grün regierte Thüringen vorgenommen, das aktuell die höchsten Inzidenzen aufweist. Obwohl nur fünf von 23 Landkreisen unter einer Inzidenz von 165 liegen, sollen weiterhin alle 10. bis 12. Klassen am Präsenzunterricht teilnehmen. Eine Rückehr der vierten Klassen ist in Planung.

Berlin lässt auch bei Inzidenzen über 165 die Schulen weiter für die Jahrgangsstufen 6, 9 und 10 sowie für die Abschlussklassen geöffnet.

Bereits zu Beginn der zweiten Welle beruhten die Schulöffnungen auf Lügen und Täuschungen, bewusst zurückgehaltene Studien über das Infektionsgeschehen an Schulen und unwissenschaftlichen „Studien“ über ausbleibende Ausbrüche in menschenleeren Einrichtungen.

Auch jetzt wird diese Politik mit krimineller Energie vorangetrieben. Bereits im März berichtete der SWR, dass der Landkreis Calw „nachverfolgbare“ Massenausbrüche absichtlich aus seiner Inzidenz herausrechne, um diese zu senken und Öffnungen vorzunehmen.

Zusätzlich führt auch der Meldeverzug bei Neuinfektionen zu einer temporären Senkung der Inzidenz, was zur Folge hat, dass an die Inzidenz gekoppelte Regelungen erst verspätet oder gar nicht in Kraft treten. Wissenschaftler wie der Epidemiologe Dr. Ralph Brinks, warnen bereits vor einer Aushöhlung des Inzidenzwertes.

Wie konsequent Inzidenzwerte manipuliert werden, zeigte sich unmittelbar nach Verabschiedung der Notbremse. In Berlin meldeten laut Welt am Tag zwei der neuen Regeln sieben von zwölf Bezirken keine neuen Fälle mehr und ein weiterer Bezirk so gut wie keine. Der Kreis Lippe, der wenige Tage zuvor noch eine Inzidenz von 200 auswies, meldete mit Inkrafttreten des neuen Richtwertes plötzlich eine Inzidenz von 162.

In den letzten Tagen und Wochen häuften sich solche Berichte in der regionalen Presse. Im Landkreis Sächsische Schweiz sank die offizielle Inzidenzzahl von 230 auf 164,9. Saarbrücken meldete sogar drei Tage in Folge eine Inzidenz von 164,9. Im Kreis Kleve sank die gemeldete Inzidenz von 164 auf 158 und in Mönchengladbach von 154 auf 114.

Unter Schülern, Lehrern und Arbeitern wächst die Wut über diese Politik. Elke, eine Lehrerin aus Niedersachsen, berichtete der WSWS über die Situation an den Schulen: „Wir sind alle unzufrieden, dürfen nicht streiken und leben in Angst, wenn wir in der Schule sein müssen.“

Vor Ostern, zu einem Zeitpunkt, als die Infektionszahlen wieder massiv zunahmen, wurden die Schulen wieder komplett aufgerissen. In der letzten Woche vor den Ferien waren alle Klassenstufen im Wechselunterricht. Elke berichtet: „Ich habe insgesamt etwa 250 Schüler, die ich unterrichte, und bin in fast jedem Jahrgang drin. So durchmischt sich alles bei mir, und ich bin über kurz oder lang der Ansteckungsgefahr aus fast allen Klassen der Schule ausgesetzt.“

Auch die an den Schulen eingeführte Testpflicht ist keine wirkliche Absicherung, wie Elke sagt: „Die nächste Katastrophe! Wir sind nicht geimpft und sollen ohne Maske mit den Schülern Tests durchführen. Das hat zu Protesten in Niedersachsens Schulen geführt, nachdem das vor ein paar Wochen angelaufen ist. Ich halte von dieser Testerei auch nichts, viel zu unzuverlässig. Sie kann höchstens eine zweite Absicherung sein, wenn man geimpft ist.“

Dabei sei weder von den etablierten Parteien, noch den Gewerkschaften Unterstützung zu erwarten: „Wir Lehrer haben alle Angst vor Ansteckung und fühlten uns von der Politik, insbesondere von unserem obersten Chef, dem Kultusminister Grant Hendrik Tonne, im Stich gelassen. Dass wir einer gewissen Lebensgefahr ausgesetzt waren, hat niemanden interessiert, auch die GEW Niedersachsen hat sich so nicht geäußert.“

Um sich der tödlichen Öffnungspolitik entgegenzustellen, müssen sich Lehrer und Schüler unabhängig von den Gewerkschaften und den etablierten Parteien organisieren. Das Netzwerk der Aktionskomitees für sichere Bildung und das Netzwerk der Aktionskomitees für sichere Arbeitsplätze treffen sich jeden zweiten Montag um 19:30. Meldet euch hier an, werdet Mitglied unserer Facebook-Gruppe und kämpft für den Aufbau von Aktionskomitees an euren Schulen und Einrichtungen!

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