Arbeiter und Jugendliche zur Mai-Kundgebung des IKVI: „Überall auf der Welt die gleichen Probleme“

Mehrere tausend Teilnehmer verfolgten am 1. Mai 2021 die Online-Maikundgebung des Internationalen Komitees der Vierten Internationale (IKVI). Auf der Veranstaltung gaben führende Vertreter des IKVI aus zehn verschiedenen Ländern den Anstoß zur Gründung der Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees (IWA-RFC). Sie erklärten, warum Arbeiter eine internationale sozialistische Perspektive und Strategie brauchen, um gegen soziale Ungleichheit, Militarismus, Krieg und die mörderische Durchseuchungspolitik in der Pandemie zu kämpfen.

Auch aus Deutschland nahmen zahlreiche Arbeiter und Jugendliche an der Kundgebung teil. Die World Socialist Web Site sprach mit einigen von ihnen über ihre Eindrücke.

„Die Maikundgebung des IKVI hat deutlich gemacht, dass Arbeiter und Jugendliche überall auf der Welt mit den gleichen Problemen konfrontiert sind“, sagt Tamino (17), der in Baden-Württemberg ein Aktionskomitee von Schülern aufbaut. Das zeige sich auch „beim Thema der Schulöffnungen und der reaktionären Rolle der Gewerkschaften dabei. Hier in Deutschland werden die Schulen mit Unterstützung der GEW offengehalten“.

Überall spielten die Gewerkschaften die gleiche reaktionäre Rolle. „Wie Ulaş Ateşçi in seinem Beitrag erwähnt hat, unterstützen auch in der Türkei die Gewerkschaften die Regierung bei der Wiedereröffnung der Schulen und ihrer ‚Back to Work‘-Politik. Jedoch wurde auch in der Türkei gegen diese Politik ein unabhängiges Aktionskomitee für sichere Bildung initiiert.“ Das gleiche sei „in zahlreichen weiteren Ländern, wie Großbritannien, Frankreich und den USA der Fall“.

Nun müssten sich die Aktionskomitees „international vernetzen, um erfolgreich gegen die ebenso internationale Pandemie vorgehen zu können.“ Die May Day Kundgebung habe für ihn deshalb eine „eine hohe Bedeutung, da sie zu eben so einer internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees aufrief.“

Beeindruckt hat Tamino vor allem auch die einheitliche globale Perspektive, die von der Kundgebung ausging. „Die Reden haben klar aufgezeigt, dass die Regierungen in allen Ländern Profite über Leben stellen und nicht in der Lage sind, die Pandemie zu beenden. Wie David North in seinem einleitenden Beitrag gesagt hat, muss, genauso wie auch beim ersten Weltkrieg, die Arbeiterklasse mobilisiert werden, um das Sterben zu beenden."

Florian aus Frankfurt am Main arbeitet derzeit als Mechatroniker in Trondheim (Norwegen). Er betont: „Das IKVI ist offenbar dabei, einen riesigen organisatorischen Schritt zu machen, denn jetzt wird es konkret mit den Aktionskomitees als einer weltweiten Initiative.“ Beeindruckt hätten ihn insbesondere die Redebeiträge, die von Arbeiterkämpfen aus der ganzen Welt berichteten: „Die Gewerkschaftsfrage wird jetzt überall sehr aktuell. Das sind die Pseudoarbeiterorganisationen, von denen man sich am stärksten abgrenzen muss, da sie die Arbeiterklasse überall verraten.“

Florian

Florian verweist speziell auf die Berichte aus Sri Lanka: „Die Redner aus Sri Lanka, die sowohl auf Singhalesisch als auch auf Tamilisch sprachen, haben gezeigt, dass dort bereits Aktionskomitees, zum Beispiel unter den Plantagenarbeitern, aufgebaut werden. Das fand ich sehr stark. Es hat mich auf die Idee gebracht, dass ich mich auch an die Tamilen hier in Norwegen wenden könnte. In Oslo, Bergen, Trondheim – überall sind Tamilen eingewandert, und die zweite Generation ist an der Uni anzutreffen. Sicher gibt es dort auch Interesse an dieser internationalen Perspektive.“

Wie er betont, fand Florian „den Beitrag von David North sehr stark, weil er die Situation so deutlich darstellte, wie sie wirklich ist.“ Dies wolle er nochmals genauer studieren, denn „da steckte sehr viel drin. Jedenfalls hat er sich wohltuend von den sonstigen offiziellen Verlautbarungen abgehoben. Kein Kerzen-Anzünden oder Krokodilstränen-Vergießen.“

Habip Bektas gehört zu den WISAG-Arbeitern, die Mitte Dezember am Frankfurter Flughafen entlassen wurden und seither mit einer Gruppe seiner Kollegen den Kampf gegen willkürliche Entlassungen und Lohnraub fortsetzt. Er fand die Mayday-Veranstaltung „sehr gut. Überall wird die Arbeiterklasse unterdrückt und auseinandergenommen. Ich fand auch sehr gut, dass Christoph Vandreier über unseren Kampf gesprochen hat.“

Er berichtet uns über seine Erfahrungen auf Arbeitssuche: „Parallel zum Kampf für unsere Arbeitsplätze bei WISAG bin ich zurzeit ständig auf der Suche nach anderen Jobs. Ich habe mich jetzt bei der Firma AHS, ebenfalls am Flughafen, beworben. Sie übernehmen die Kommunikation zwischen Rampe und Flugzeug. Da ich Lademeister und Ramp-Agent bin, weiß ich, was zu tun ist. Aber weißt du, was sie zahlen? 9,73 Euro Grundgehalt! Ich bekomme mehr Arbeitslosengeld. Um auf mein Arbeitslosengeld zu kommen, müsste ich 250 Stunden im Monat bei AHS arbeiten. So sieht es derzeit aus.“

Habip

Wichtig war für Habip, von der Situation der Arbeiter in anderen Ländern zu hören. Er sagt: „Der Bericht aus Brasilien war interessant. Bolsonaro ist viel offener und mehr gerade heraus, als die Politiker hier in Europa. Ob Arbeiter sterben, ist ihnen aber allen egal, Hauptsache der Rubel rollt.

Ich fand auch den Beitrag aus der Türkei von Ulaş Ateşçi gut, weil er vor den Kriegen gewarnt hat, die dort in der Region gerade vorbereitet werden. Die Oligarchen schüren wie in der Türkei in vielen Ländern Krieg. Die ehemaligen Herrscher aus Europa oder Amerika haben überall Konfliktherde hinterlassen, damit sie die Bevölkerung teilen und weiterhin beherrschen können; das gilt für Kaschmir in Indien und Pakistan, das gilt für die Golan-Höhen in Israel und Palästina und das gilt vor allem für Afrika.“

Zur Corona-Pandemie kommentiert Habip: „Man muss sich doch fragen: Wem nützt die Pandemie? Wer hat einen Vorteil? Die Reichen! Die Arbeiter müssen sterben, dafür, dass die Reichen mehr Geld machen. Meiner Meinung nach könnten wir die Pandemie eindämmen, wenn wir alles herunterfahren. Aber die Reichen sind dagegen, es muss ja produziert werden, damit die Gewinne nicht versiegen. Die Opfer waren vor allem die Alten zwischen 60 und 80. Das wurde in Kauf genommen – das entlastet die Reichen ja zusätzlich.“

Er habe „das mal durchgerechnet: In Deutschland sind mindestens 1,2 Billionen Euro im Zuge der Corona-Pandemie verteilt worden, meist an die großen Konzerne. Wenn das an alle 82 Millionen Einwohner verteilt worden wäre, hätte jeder fast 15.000 Euro. Das Geld würde dann tatsächlich die Wirtschaft stützen. Denn wir würden das Geld ja ausgeben, für Möbel, Bekleidung oder Uhren, Schmuck usw. Wegen dieser allgemeinen Situation – und auch meiner eigenen – unterstütze ich den Aufbau von Aktionskomitees.“

Die WISAG-Arbeiter, so Habip, hätten ein Komitee gegründet, „weil uns niemand sonst unterstützt. Früher haben die Gewerkschaften für die Arbeiter gearbeitet, jetzt arbeiten sie gegen die Arbeiter. Jetzt wird eine Gewerkschaft wie ein Unternehmen geführt, das hat nichts mit der ursprünglichen Idee zu tun. Arbeiter brauchen aber eine Organisation – also müssen wir sie aufbauen.“ Er setzt hinzu:

„Die gesamte Struktur müsste geändert werden. Dass ein Gewerkschaftsführer 350.000 Euro im Jahr verdient, ist ein Unding. Die gesamte Vertretung von Arbeitern muss neu organisiert werden. Eine andere Form der Organisation ist absolut notwendig. Deshalb finde ich die Initiative der Aktionskomitees in allen Ländern gut und halte sehr viel davon.“

Clemens (18), ein IYSSE-Mitglied aus Bayern, fand die May-Day-Rally ebenfalls stark. Sie habe es „besonders geschafft, das IKVI als einheitlich vorgehende Weltpartei zu präsentieren. Der Aufruf zur Gründung der Internationalen Arbeiterallianz hat unsere Perspektive – dass die Pandemie nur international von der Arbeiterklasse besiegt werden kann – sehr deutlich gemacht. Nur das vereinte Eingreifen der Arbeiterklasse überall auf der Welt kann die sich entwickelnden internationalen Kämpfe gegen Austerität, Krieg und Faschismus zum Sieg führen. Aber dafür braucht es ein sozialistisches Programm, wie es nur das IKVI vertritt. Das ist durch die Rally nochmal besonders klar geworden.“

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