Perspektive

US-Republikaner blockieren Untersuchung des Putschversuchs vom 6. Januar

Das US-Repräsentantenhaus verabschiedete am vergangenen Mittwoch eine Resolution, in der die Einrichtung einer parteiübergreifenden Untersuchungskommission zum Angriff auf den Kongress am 6. Januar gefordert wird. Der entsprechende Gesetzentwurf passierte das Repräsentantenhaus mit 252 zu 175 Stimmen. Allerdings zeigten sich der Fraktionsvorsitzende der Republikaner im Senat Mitch McConnell und andere führende Republikaner entschlossen, die Verabschiedung des Gesetzes zu blockieren.

Um eine Blockade gegen den Gesetzentwurf zu verhindern, müssten sich mindestens zehn republikanische Senatoren den 50 Demokraten anschließen. Aber nachdem Ex-Präsident Donald Trump – der Anstifter des Putschversuchs vom 6. Januar –die Republikaner im Kongress aufgerufen hat, den Vorschlag abschmettern, signalisieren nur noch wenige Unterstützung für den Gesetzentwurf.

Mitglieder der Nationalgarde auf dem Capitol Hill in Washington, 20. Mai 2021 (AP Photo/Jose Luis Magana)

Trump persönlich hatte den faschistischen Mob am 6. Januar zu einer Kundgebung vor dem Weißen Haus eingeladen und dann in einer Rede zum Marsch auf das Kapitol aufgefordert. Die Menge durchbrach die schwach besetzten Polizeisperren und drang in das Gebäude ein, um zu verhindern, dass der Kongress die Wahlmännerstimmen bestätigt, die den deutlichen Wahlsieg des Demokraten Joe Biden sicherten.

Die Pro-Trump-Angreifer forderten in Sprechchören den Galgen für Mike Pence, Trumps Vizepräsidenten, weil er den Vorsitz der gemeinsamen Sitzung des Kongresses führte. Ebenso wünschten sie der Sprecherin des Weißen Hauses Nancy Pelosi und anderen Demokraten den Tod. Der Angriff war so gewalttätig, dass 140 Polizisten verletzt wurden.

Diese Ereignisse liegen erst 135 Tage zurück, aber schon gibt es eine konzertierte Aktion, um sie zu begraben, ihre Bedeutung abzutun und sie aus dem kollektiven Gedächtnis der amerikanischen Öffentlichkeit zu tilgen. So behauptete der republikanische Hinterbänkler im Repräsentantenhaus, Andrew Clyde, dass die Vorfälle vom 6. Januar nichts weiter als ein „normaler Touristenbesuch“ gewesen seien. (Dabei ist auf Fotos von diesem Tag zu sehen, wie Clyde zusammen mit anderen Abgeordneten den Plenarsaal gegen den angreifenden Mob verbarrikadiert.)

Hinter dem Vorstoß der Demokraten, eine parteiübergreifende Kommission zur Untersuchung des Anschlags vom 6. Januar einzurichten, steht allerdings nicht der aufrichtige Versuch, die am Putschversuch beteiligten Kräfte zu entlarven. Dies zeigt sich schon darin, dass sich Pelosi und andere führende Demokraten ständig auf die 9/11-Kommission berufen und sie als Vorbild für die jetzt angestrebte Untersuchung bezeichnen.

Die 9/11-Kommission war eine Schönfärberei der Ereignisse des 11. September 2001. Sie vertuschte gezielt die Verbindungen zwischen den US-Geheimdiensten und den Al-Qaida-Terroristen, die nicht nur ungehindert in die Vereinigten Staaten einreisen, sondern sich auch in Flugschulen einschreiben und ihren koordinierten Angriff ungestört vorbereiten konnten. Die CIA und das FBI verfolgten ihre Bewegungen auf Schritt und Tritt, ließen sie jedoch gewähren.

Die Behauptung, man habe die Zusammenhänge nicht erkannt, war eine lahme Ausrede. Sie sollte verschleiern, dass der Militär- und Geheimdienstapparat die Angriffe zuließ, weil dies einem bestimmten strategischen Ziel diente: In den Vereinigten Staaten sollte ein politisches Klima geschaffen werden, in dem die amerikanische Militärmacht im Nahen Osten und Zentralasien zum Einsatz gebracht werden konnte. Es folgten die Invasionen zuerst in Afghanistan und dann im Irak.

Die vorgeschlagene Untersuchungskommission zum 6. Januar wäre eine noch größer angelegte Vertuschung. Denn die Partei, die den Angriff angezettelt hat – mit der unbegründeten Behauptung, die Präsidentschaftswahlen 2020 seien gestohlen worden – würde gleichberechtigt daran mitwirken. Das ist etwa so, als ob nach einem Banküberfall die Räuber vor Gericht gestellt, der Fluchtwagenfahrer und die Schmieresteher aber in der Jury sitzen würden.

Wie im amerikanischen Zweiparteiensystem üblich, verhandelten die Demokraten endlos mit den Republikanern und machten dabei ein Zugeständnis nach dem anderen, nur damit die Republikaner das Ergebnis am Ende arrogant als unzureichend anprangerten. So gestand die Demokratin Pelosi eine paritätische Besetzung der Kommission zu, obwohl die Demokraten in beiden Kammern des Kongresses die Mehrheit haben, und stimmte zu, dass niemand ohne Zustimmung der Republikaner vorgeladen werden darf.

Am Freitag hatten die Verhandlungsführer der Demokraten und Republikaner eine Einigung bekannt gegeben. Doch wenige Tage später wurde sie von den Republikanern wieder aufgekündigt.

Noch am Montag, den 17. Mai, hatten die führenden Republikaner im Repräsentantenhaus und im Senat, Steve Scalise und John Thune, erklärt, dass die Republikaner nicht versuchen würden, die Einrichtung einer parteiübergreifenden Kommission zu blockieren. Am Dienstag jedoch gab Ex-Präsident Trump eine Erklärung heraus, in der er die vorgeschlagene Kommission anprangerte und ausdrücklich verlangte, dass McCarthy und McConnell jede Diskussion darüber beenden sollten.

McCarthy, der offenbar vorab einen Hinweis von Trump erhalten hatte, gab bereits am Dienstagmorgen eine Erklärung ab, in der er seine Ablehnung kundtat. McConnell zeigte sich zu diesem Zeitpunkt noch „unentschlossen“ und „bereit, sich den Vorschlag anzuhören“. Aber am Mittwoch, wenige Stunden nach der Veröffentlichung von Trumps Erklärung, gab McConnell bekannt, er sei strikt gegen „den unausgewogenen Vorschlag der Demokraten im Repräsentantenhaus“.

Die Antwort der Demokraten war, die Republikaner während der Debatte im Repräsentantenhaus von rechts anzugreifen. Der Demokrat Tim Ryan aus Ohio prangerte die Position der Republikaner als „einen Schlag ins Gesicht jedes einzelnen Polizisten in den Vereinigten Staaten“ an. Sie würden sich einer parteiübergreifenden Untersuchung von Leuten widersetzten, „die der Capitol Police mit Bleirohren auf den Kopf schlugen“. Er fügte hinzu, dass das Abrücken vom Zusammenhalt beider Parteien die Position der Vereinigten Staaten untergraben würde, „wenn wir es mit China aufnehmen wollen“.

Solche Kommentare sind nicht nur reaktionär, sie lenken auch von der zentralen Frage ab, die die Ereignisse vom 6. Januar aufgeworfen haben. Der faschistische Angriff auf den Kongress war ein Versuch, die Wahl von 2020 zu kippen, bei der 81 Millionen Menschen für Biden gestimmt haben, und Donald Trump de facto als Diktator im Weißen Haus zu halten.

Der Angriff auf das Kapitol wurde zwar von faschistischen Gruppen wie den Proud Boys angeführt, war jedoch nur möglich, weil der massive Militär- und Polizeiapparat, der den Sitz der amerikanischen Regierung umgibt, bewusst stillgehalten hat. Darunter befanden sich auch Zehntausende Angehörige der Nationalgarde und der Armee. Einer der wichtigsten Aspekte des Putschversuchs war das gezielte Hinauszögern des Einsatzes dieser Truppen im Kapitol, obwohl sie von führenden Abgeordneten und sogar von Vizepräsident Mike Pence dringend angefordert wurden.

Eine entscheidende Rolle spielten Trumps Beauftragte im Pentagon, der amtierende Verteidigungsminister Christopher Miller und der Sekretär der Armee Ryan McCarthy. Sie steuerten die Aktivitäten der D.C.-Nationalgarde. Drei Stunden und 19 Minuten (199 Minuten) lang wiesen sie die Bitten des Kommandanten der Garde, General William Walker, ab, seine Truppen loszuschicken, um die im Kapitol Belagerten zu retten.

In einer Erklärung vom 5. März 2021 schrieb die WSWS:

Zudem kamen die Ereignisse vom 6. Januar alles andere als überraschend. Dem Aufstand ging eine monatelange politische Krise voraus, in der der Präsident der Vereinigten Staaten deutlich machte, dass er eine friedliche Machtübergabe nicht akzeptieren würde. Die Geheimdienste und das Militär waren sich der Pläne und Drohungen, die insbesondere auf den 6. Januar abzielten, sehr wohl bewusst.

Es wurde vielmehr bewusst entschieden, nicht zu handeln, während eine eindeutige politische Strategie in die Tat umgesetzt wurde. Mehr als drei Stunden lang hatten die faschistischen Gruppen praktisch freie Hand über das Kapitol-Gebäude. Die militärisch ausgebildeten Elemente unter den Randalierern wussten, dass ihnen Zeit gegeben wurde, um Geiseln unter den Senatoren und Repräsentanten zu suchen.

In diesem Fall hätte Trump den Notstand ausgerufen, den Kongress lahmgelegt, die Bestätigung von Bidens Sieg auf unbestimmte Zeit verschoben und Verhandlungen eröffnet, die in der einen oder anderen Form zu einer Kapitulation der Demokraten vor der Fortsetzung seiner Präsidentschaft geführt hätten. Das Militär schritt erst ein und sicherte das Kapitol, nachdem klar wurde, dass der Angriff sein Ziel verfehlt und Trump ihn öffentlich abgeblasen hatte.

Die WSWS kam in ihrer Stellungnahme zu folgendem Schluss:

Solange die Demokratischen Partei führend an einer Untersuchung beteiligt ist, wird diese nicht dazu dienen, die an der Verschwörung beteiligten Kräfte ans Licht zu bringen. Als Partei der Wall Street und des Militärs selbst treibt die Demokraten die Angst vor den politischen und sozialen Folgen der Enthüllungen um.

Die 199 Minuten des 6. Januar sind eine Warnung. Nicht weniger schwerwiegend als das Ereignis selbst ist die Reaktion darauf. Die Verteidigung demokratischer Rechte darf weder dieser noch jener Fraktion innerhalb herrschenden Klasse oder ihrer politischen Vertreter anvertraut werden. Es darf nicht zugelassen werden, dass die Arbeiterklasse auf die nächste Etappe nicht vorbereitet ist. Sie muss sich unabhängig, auf der Grundlage ihres eigenen Programms, gegen das kapitalistische System organisieren.

Das absehbare Scheitern des Bemühens der Demokraten, ihre politische Blöße mit dem Feigenblatt einer parteiübergreifenden Untersuchungskommission zu bedecken, bestätigt diese Einschätzung.

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