Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo mobilisiert Polizei gegen streikende Müllwerker

Am Dienstag besetzten mehrere Hundert Pariser Müllwerker und Kanalarbeiter das Rathaus von Paris, um gegen die Reformen des öffentlichen Diensts zu protestieren, die am 1. Januar 2022 in Kraft treten sollen. Bürgermeisterin Anne Hidalgo von der Parti Socialiste und die Polizeipräfektur ließen die Streikenden mit Gewalt vertreiben und verhängten hohe Geldstrafen.

Kanalarbeiter und Müllwerker, die städtische Beschäftigte sind, demonstrierten zuerst vor dem Rathaus und betraten dann den Hof des Gebäudes. Einige kletterten auf das Dach des Gebäudes und warfen Rauchbomben. Mehrere Hundert blieben davor stehen. Auf dem Dach enthüllten die Streikenden ein Transparent mit der Aufschrift „Hidalgo opfert die Helden“.

Kanalarbeiter vor dem Pariser Rathaus halten ein Transparent mit der Aufschrift „Hidalgo opfert die Helden“. (Twitter/@CFtdneea)

Nachdem die Straßenkehrer und Kanalarbeiter am Dienstag kurzfristig über den Treffpunkt informiert worden waren, betraten sie laut Libération um 7 Uhr morgens ungehindert das Gebäude. Eineinhalb Stunden später empfing das Sekretariat des Rathauses eine Delegation. Nach dem Treffen schritt die Polizei ein, umstellte die Demonstranten und verhängte 135 Euro Geldbuße gegen sie. Berichten zufolge wurden beim Vorgehen der Polizei drei Arbeiter verletzt.

Ein Demonstrant, der anonym bleiben wollte, erklärte gegenüber der Sendung 20 Minutes: „Wenn alle anderen drin sind, sind wir draußen, egal, ob bei Regen, Wind oder Schnee. Viele meiner Kollegen haben Probleme mit dem Rücken oder den Schultern. Das ist nicht normal.“

Andere wiesen darauf hin, dass sie bei der Reaktion auf die Corona-Pandemie an vorderster Front gestanden haben. Der 37-jährige Kanalarbeiter Jerome erklärte: „Wir waren für die Mülltonnen der Leute zuständig, wir hatten nicht mal Masken.“

Er fügte hinzu: „Bevor ich als Kanalarbeiter angefangen habe, war ich mehrere Jahre Straßenkehrer. Meine Frau ist Krankenpflegerin, und ich kann Ihnen sagen, dass der Schichtdienst von Straßenkehrern schlimmer ist als ihrer, und für sie war es schon schwer zu ertragen.“ Ein anderer öffentlich Beschäftigter warnte gegenüber Libération: „Diese Bewegung könnte noch entschlossener werden, wenn die Bürgermeisterin an ihrer Position festhält. Wir haben noch viele andere Instrumente.“

Letzten Mittwoch demonstrierten städtische Beschäftigte auf einen Aufruf der Gewerkschaft des öffentlichen Diensts hin vor dem Rathaus gegen eine Sozialkürzung. Ende April lehnte die nationale Ministerin für die Umgestaltung der öffentlichen Dienstleistungen, Amélie de Montchalin, in einem Brief Anne Hidalgos Gesuch um einen weiteren Aufschub der Reform zurück und forderte sie auf, sich an das festgelegte Datum vom 1. Januar 2022 zu halten.

Laut Informationen von Le Monde verhandeln die Gewerkschaften und der Pariser Stadtrat über einen Kompromiss. Die Gewerkschaften haben für Freitag zu einer weiteren Demonstration aufgerufen.

Wie der Arbeiter Jerome erklärte, haben die Beschäftigten im öffentlichen Dienst eine wichtige Rolle beim Erhalt der Infrastruktur und der Versorgung der Kranken gespielt und sich dabei der tödlichen Gefahr durch das Virus ausgesetzt. Es herrscht jedoch eine tiefe Kluft zwischen der Unterstützung der Öffentlichkeit für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst und dem unaufrichtigen Applaus der Regierung und des politischen Establishments, das seit Jahrzehnten einen Frontalangriff auf soziale Errungenschaften führt.

Die Reform des öffentlichen Diensts ist ein allgemeiner Angriff auf die sozialen Errungenschaften und demokratischen Rechte, die die Arbeiterklasse nach dem Zweiten Weltkrieg erkämpft hat. Dazu gehört auch der Status der Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Für die städtischen Müllwerker würde sie eine Verkürzung des Jahresurlaubs um acht Tage bedeuten.

Die Stadträte hätten nach ihrer Wiederwahl ein Jahr Zeit, um diese Änderung umzusetzen oder neu zu verhandeln.

Die Reform sieht auch die Ausweitung des Einsatzes von Leiharbeitern und Einschränkungen des Streikrechts vor. Sie beinhaltet außerdem ein verbindliches Mindestmaß an Service, um die Aufrechterhaltung des öffentlichen Dienstes zu gewährleisten. Jeder Streik muss 48 Stunden vor Beginn angemeldet werden, d. h. mindestens einen Arbeitstag im Voraus.

Letztendlich erhöht die Reform das faktische Rentenalter, was einer der Hauptgründe für die Wut der Pariser Müllwerker ist, die vor dem Rathaus demonstriert haben.

Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst, deren Arbeit gefährlich und sehr anstrengend ist, gehören der so genannten „aktiven Kategorie“ an. Aufgrund dieser Einstufung können sie früher in Rente gehen – je nach Beschäftigung bereits mit 52 oder 57 Jahren. Durch die Reform würden nur Polizeibeamte, Gendarmen und Gefängniswärter in der „aktiven Kategorie“ bleiben. Für andere Beschäftigte würde die Zugehörigkeit zu dieser Kategorie durch die Eröffnung eines so genannten persönlichen Berufskontos ersetzt werden, durch das sie mit 60 Jahren in Rente gehen können.

Angesichts der exzessiven Unterdrückung von Streiks durch Hidalgo und Macron ist es von entscheidender Bedeutung, auf breiter Ebene die Arbeiterklasse zu mobilisieren. Alle sind von jahrzehntelanger Austerität und wachsender Ungleichheit betroffen, die durch die Pandemie noch verschlimmert wurden.

Ein Jahr nach Beginn der globalen Pandemie wächst unter Jugendlichen und Arbeitern die Wut auf die Herdenimmunitätspolitik der Regierungen in ganz Europa. Diese Politik hat weltweit mehrere Millionen Tote verursacht, mehr als 100.000 davon in Frankreich. Laut der Weltgesundheitsorganisation hätte dieses Massensterben weitgehend verhindert werden können.

Von den Gewerkschaften können die Beschäftigten im öffentlichen Dienst nichts erwarten. Obwohl das Reformgesetz im Jahr 2019 verabschiedet wurde, haben die Gewerkschaften, die die Reform mit Macron ausgehandelt haben, nicht einmal zu einer beschränkten Mobilisierung aufgerufen. Sie sind unfähig, ernsthaft gegen die Reform zu kämpfen, versuchen jedoch, die Wut der Arbeiter unter Kontrolle zu halten.

Die Gewerkschaftsapparate haben die Konjunkturpakete der EU unterstützt, durch die Hunderttausende Euro an Steuergeldern in die Sanierung der französischen und europäischen Wirtschaft gepumpt werden. Riesige Summen gingen über die lokalen Gewerkschaftsräte an die Führungen der Gewerkschaftsapparate. Der Kampf zur Verteidigung sozialer Errungenschaften des öffentlichen Dienstes und der gesamten Arbeiterklasse erfordert einen politischen Kampf gegen die autoritäre und kriminelle Politik Macrons und der Europäischen Union. Zu diesem Zweck müssen die Arbeiter mit den Gewerkschaften und ihren politischen Verbündeten brechen.

Die Parti de l’égalité socialiste ruft alle kämpfenden Arbeiter in Frankreich auf, sich der Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees anzuschließen, die vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale ins Leben gerufen wurde, um die Kämpfe der Arbeiter in Frankreich und der Welt zu vereinen.

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