Rechtsextreme Seilschaft im hessischen SEK

In der hessischen Polizei ist erneut eine rechtsextreme Gruppe aufgeflogen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen zwanzig Beamte des Frankfurter Spezialeinsatzkommandos (SEK), weil sie in Chatgruppen Nazisymbole geteilt und Volksverhetzung betrieben haben.

Das hessische SEK 2017 bei einer Übung (Bild: wiesbaden112.de / CC BY-NC-ND 2.0)

Am Mittwochmorgen durchsuchte das Landeskriminalamt Wohnungen und Arbeitsplätze von sechs Mitgliedern der Eliteeinheit. Am Donnerstag gab Innenminister Peter Beuth (CDU) ihre Auflösung bekannt. „Wir stoßen heute einen fundamentalen Neustart für das SEK an“, erklärte er. Es werde einen grundlegenden organisatorischen Umbau und eine neue Führungskultur geben.

„Natürlich sind unsere Spezialkräfte auch in Zukunft unverzichtbar,“ fügte er hinzu, „aber die Rahmenbedingungen werden andere sein.“

Die Polizei war – so die offizielle Version – auf die rechtsextreme Gruppe gestoßen, als sie im Sommer vergangenen Jahres wegen des Verdachts der Kinderpornografie gegen einen 38-jährigen SEK-Beamten ermittelte. Auf den beschlagnahmten Handys und Computern fand sie nicht nur kinderpornografische Schriften, sondern auch Hitlerbilder, Hakenkreuze und Beleidigungen von Asylsuchenden, die der Beamte in Chats mit Kollegen ausgetauscht hatte.

Im April dieses Jahres übernahm dann das hessische Landeskriminalamt (LKA) die Ermittlungen. Das LKA ist wie das SEK Innenminister Beuth unterstellt.

Regierung und Opposition reagierten mit gespieltem Entsetzen auf die neue Enthüllung. Beuth selbst bezeichnete es als „völlig inakzeptabel“, dass sich Polizeibeamte einer hochspezialisierten Einheit in derartigen Chats untereinander austauschen. Allen Polizeibeschäftigten müsse „jederzeit bewusst sein, dass jeglichem Fehlverhalten sofort entschlossen nachgegangen“ werde. Angesichts der Vorwurfslage stehe für ihn schon jetzt fest, „dass keine dieser beschuldigten Personen mehr für eine hessische Spezialeinheit tätig werden wird“. Wo es rechtlich möglich sei, würden sie auch aus der hessischen Polizei entfernt.

Der Frankfurter Polizeipräsident Gerhard Bereswill klagte am Mittwoch auf einer Pressekonferenz, das den Beamten vorgeworfene Verhalten betreffe die Grundpfeiler unserer Demokratie und unseres Rechtsstaates. „Bei einem Verdacht von Fehlverhalten ist es zwingend geboten, frühzeitig einzuschreiten und konsequent vorzugehen,“ verkündete er. Die rückhaltlose Aufklärung stehe an erster Stelle.

Die Vorkommnisse hätten aber auch ihr Gutes, ergänzte Bereswill. Man könne mit der Prävention vorankommen. „Dass einige wenige unserer Mitarbeiter immer noch glauben, sie bräuchten sich nicht an die Regeln unseres Berufs zu halten, treibt uns an, uns weiterhin und noch intensiver um unsere Fehlerkultur zu kümmern.“

Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion, Günter Rudolph, entrüstete sich: „Dieser neue Fall von rechtsextremen Umtrieben innerhalb der hessischen Polizei sprengt alle Dimensionen.“ Er forderte Innenminister Beuth auf, endlich seiner politischen Verantwortung gerecht zu werden.

Der innenpolitische Sprecher der Linken, Hermann Schaus, sagte, man könne „nur noch mit Zynismus betrachten, was die hessische Polizei an Skandalen produziert“. Beuth müsse „erklären, wie er gedenkt, die hessische Polizei endlich aus den Negativschlagzeilen herauszubringen“.

Das sind alles durchsichtige Versuche, die Spuren zu verwischen und die Öffentlichkeit für dumm zu verkaufen. In Wirklichkeit bestätigt die Nazi-Chatgruppe im SEK, dass die staatlichen Sicherheitsbehörden von rechtsextremen Netzwerken durchsetzt sind, und dass diese von Staat und Politik gedeckt und gefördert werden.

Gerade Hessen mit der Bankenmetropole Frankfurt ist ein Zentrum dieser rechtsextremen Verschwörung. Hier wurde in der Nacht zum 2. Juni 2019 der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke vom Neonazi Stephan Ernst ermordet, der seit 30 Jahren im Visier des Verfassungsschutzes stand. Ernst verkehrte – wie die Mitglieder der Terrorgruppe NSU – in der militanten Kasseler Neonazi-Szene, die von polizeilichen und geheimdienstlichen V-Leuten durchsetzt ist.

Der Verfassungsschutzbeamte Andreas Temme, der rechtsextreme V-Leute betreute, war sogar persönlich vor Ort, als der NSU in Kassel den Internet-Café-Besitzer Halit Yozgat ermordete. Er wurde nicht belangt und arbeitete später, als Lübcke ermordet wurde, in dessen Regierungspräsidium. Die Akten über diese Ereignisse werden auf Geheiß von Innenminister Beuth noch mindestens 30 Jahre lang geheim gehalten.

Im Polizeipräsidium Frankfurt, dem auch die jetzt aufgelöste SEK-Einheit unterstellt ist, war bereits vor drei Jahren die rechtsextreme Chatgruppe „Itiotentest“ aufgeflogen. Ermittler waren darauf gestoßen, als sie nach den Urhebern von Todesdrohungen suchten, die mit „NSU 2.0“ unterzeichnet waren. Öffentlich nicht bekannte Daten der Frankfurter Anwältin Başay-Yıldız, die ein solches Schreiben erhalten hatte, waren kurz vorher vom Computer einer Frankfurter Polizeiwache abgerufen worden.

Im Laufe der Ermittlungen wurden immer mehr Verdachtsfälle bekannt, auch in anderen Polizeiwachen. Bisher gab es 94 Verfahren gegen hessische Polizisten wegen des Verdachts einer rechtsradikalen Gesinnung. Im Februar wurden vier Männer wegen des Verbreitens rassistischer Bilder, Hitlervideos und NS-Devotionalien angeklagt. Ähnliche rechtsextreme Chatgruppen von Polizisten wurden im September 2020 auch in Nordrhein-Westfalen aufgedeckt.

Als die Ermittlungen gegen die Frankfurter Chatgruppe bereits in vollem Gange waren und die Medien ausführlich über den Skandal berichteten, chatteten die SEK-Beamten ungestört weiter. Die meisten der gefundenen Chats stammen zwar aus den Jahren 2016 bis 2017, doch auch 2019 wurden noch welche ausgetauscht. Die SEK-Beamten fühlten sich offensichtlich sehr sicher.

Anfang Mai dieses Jahres verhaftete die Polizei in Berlin dann einen 53-jährigen Rechtsextremisten und präsentierte ihn als alleinigen Urheber der über 130 mit „NSU 2.0“ unterzeichneten Todesdrohungen, die sich gegen Anwälte, Kulturschaffende, Investigativ-Journalisten, Repräsentanten von Glaubensgemeinschaften und führende Politiker richteten. Wie der Mann an die geheimen Informationen über seine Opfer aus Polizeiquellen gelangt war, blieb allerdings offen.

Der hessische Innenminister Beuth erteilte seiner Polizei nach der Verhaftung des angeblichen Alleintäters sofort die Absolution. „Nach allem, was wir heute wissen, war nie ein hessischer Polizist für die NSU 2.0-Drohmailserie verantwortlich,“ verkündete er. Die gesamte hessische Polizei könne „aufatmen“. Es hat nur vier Wochen gedauert, bis die nächste Neonazi-Gruppe in der hessischen Polizei enttarnt wurde!

Hessen ist dabei nur die Spitze des Eisbergs. Die WSWS hat ausführlich über die rechten Terrorstrukturen in Militär, Geheimdiensten und Polizei berichtet, die sich unter anderem um die Bundeswehroffiziere Franco A. und André S. alias „Hannibal“ gruppieren. Hannibals Prepper-Netzwerk, das sich über ganz Deutschland erstreckt, soll laut Zeugenaussagen und sichergestellten Chatprotokollen über „Safe Houses“ in Deutschland, Österreich und der Schweiz verfügen und sich mit Waffen und Todeslisten auf einen Bürgerkrieg an einem „Tag X“ vorbereiten.

Während Franco A. gegenwärtig in Frankfurt vor Gericht steht, befindet sich „Hannibal“ auf freiem Fuß. Das Amtsgericht Böblingen verurteilte ihn lediglich wegen Verstößen gegen das Waffen- und Sprengstoffgesetz zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen und zum Verlust seines Waffenscheins. Auch von der Bundeswehr wurde er bis zum Ablauf seines Wehrdiensts als Zeitsoldat nicht entlassen. Die Bundesanwaltschaft weigerte sich auch, gegen sein Netzwerk als terroristische Vereinigung zu ermitteln.

Die rechtsextremen Netzwerke im Staatsapparat und ihre Deckung durch Exekutive und Justiz erinnern stark an die Weimarer Republik, als Terrororganisationen wie die Organisation Consul mit engen Verbindungen zu höchsten staatlichen Stellen ungestört morden und Schrecken verbreiten konnten und eine wichtige Rolle beim Aufstieg der Nazis spielten.

Und sie haben dieselbe Ursache. Die obszöne Bereicherung einiger Weniger, während die große Mehrheit kaum über die Runden kommt, der vermeidbare Tod von Zehntausenden als Folge der „Profit-vor-Leben“-Politik, die Rückkehr zu Aufrüstung, Militarismus und Krieg lassen sich nicht mit Demokratie vereinbaren. Daher setzt die herrschende Klasse in Deutschland und weltweit wieder zunehmend auf Diktatur und Faschismus.

Die rechtsextremen Netzwerke haben enge Verbindungen zur AfD. So arbeitet Maximilian Tischer, ein persönlicher Freund und Komplize von Franco A., für den AfD-Abgeordneten Jan Nolte und hat Zugang zum Bundestag. Die AfD wiederum wird von den anderen Parteien hofiert und ist aus ihnen hervorgegangen. Alexander Gauland, der politische Kopf der AfD, übte 40 Jahre lang als Mitglied der hessischen CDU hohe Staatsämter aus. Von 1987 bis 1991 leitete er die Staatskanzlei von Ministerpräsident Walter Wallmann und war für den hessischen Verfassungsschutz zuständig.

Die Eindämmung der rechten Gefahr erfordert eine unabhängige Bewegung der Arbeiterklasse, die den Kampf gegen Faschismus, Militarismus und soziale Ungleichheit mit einem sozialistischen Programm zum Sturz des Kapitalismus verbindet.

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