Aktuelles Tarifabkommen zwischen UAW und Volvo enthält Angriffe auf Löhne und Gesundheitsleistungen

Wie die Gewerkschaft United Auto Workers am Donnerstagabend bekannt gab, hat sie eine dritte vorläufige Vereinbarung mit Volvo ausgehandelt. Auf diese Weise versucht sie, den seit vier Wochen andauernden Streik von fast 3.000 Arbeitern im Werk New River Valley (NRV) in Dublin (Virginia) zu beenden.

Kühler eines Volvo-Lasters [Justin Kase Conder/AP Images for Volvo Trucks]

Als die UAW auf ihrer Website das Abkommen ankündigte, erwähnte sie erstmals öffentlich den Streik, der Anfang Juni mit einer Arbeitsniederlegung begonnen hatte. Zuvor hatte sie den Streik wochenlang totgeschwiegen, damit andere Arbeiter nicht einmal erfahren, dass er stattfindet.

Am Donnerstag war in einer Schlagzeile zu lesen: „Streikende Volvo-Truck-Arbeiter in Dublin (Virginia) handeln vorläufige Vereinbarung mit großen Verbesserungen aus.“ Tatsächlich haben die Volvo-Arbeiter keine Vereinbarung mit Volvo ausgehandelt, sondern die UAW hat die Vereinbarung mit dem Unternehmen getroffen, und zwar auf der Grundlage von Verhandlungen, die gänzlich hinter dem Rücken der Volvo-Arbeiter stattfanden.

Die Erklärung selbst ist voller Widersprüche. Der neue UAW-Präsident Ray Curry, der auch Leiter der UAW-Lastwagensparte ist, wird mit folgenden Worten zitiert: „Die UAW-Mitglieder und ihre Familien hatten ein großes Bedürfnis nach mehr finanzieller Stabilität durch diesen Tarifvertrag und waren nicht nur einmal, sondern sogar zweimal zum Streik bereit, um diese Verbesserungen zu erreichen. Dieser Tarifvertrag enthält deutliche Verbesserungen im Vergleich zu den letzten beiden vorläufigen Vereinbarungen.“

Allerdings hat die UAW auch bei den ersten beiden Abkommen behauptet, sie seien das Beste, was die Arbeiter erreichen können, und erfolglos versucht, die Arbeiter durch Einschüchterung und Drohung dazu zu bringen, sie zu akzeptieren. Beide Abkommen wurden jedoch in der Urabstimmung mit über 90 Prozent abgelehnt. Jetzt behauptet die UAW, die Arbeiter hätten wegen eines Streiks, den die UAW selbst nicht gewollt und sogar bekämpft hatte, „bedeutende Verbesserungen“ errungen. Wenn dem so wäre, dann nicht wegen der UAW, sondern weil sich die Arbeiter gegen den Widerstand der UAW-Bürokraten und des Volvo-Managements in einem Aktionskomitee organisiert haben.

Und was die „Verbesserungen“ angeht, so hat die UAW nur sorgfältig ausgewählte „Highlights“ bekannt gegeben. Doch selbst auf der Basis dieser „Highlights“ ist klar, dass der Deal keine der grundlegenden Forderungen der Arbeiter erfüllt. Diese Forderungen sind: die sofortige Abschaffung des mehrstufigen Lohn- und Zusatzleistungssystems und eine allgemeine 25-prozentige Lohnerhöhung, die Wiedereinführung der jährlichen Lohnangleichung an die Lebenshaltungskosten – um mit der rapide ansteigenden Inflation Schritt zu halten – und die vollständige Finanzierung der Gesundheitsversorgung für aktive Arbeiter und Rentner.

Die Behauptung, Volvo würde das Stufensystem abschaffen, sollte mit Vorsicht genossen werden. In den jüngsten Tarifverträgen benutzten die UAW und die drei großen Autobauer die gleiche Rhetorik über die Abschaffung der Stufensysteme, um Tarifverträge durchzusetzen. In Wirklichkeit erhalten neu eingestellte Arbeiter laut Vertrag erst nach langer Zeit den Spitzenlohn, dessen realer Wert zudem durch jahrelange Nullrunden und Lohnerhöhungen unterhalb der Inflation gesunken ist.

Die Autokonzerne verfolgen damit die gleichen eigennützigen Interessen wie unter dem Stufensystem: Arbeiter, die den Höchstlohn erhalten, sollen durch gesteigerte Arbeitshetze und andere Methoden aus den Betrieben gedrängt werden. Dies scheint auch das Modell für den neuen Volvo-Tarifvertrag zu sein, mit dem Lohnerhöhungen für neu eingestellte Arbeiter über sechs Jahre hinweg gestaffelt werden.

In den meisten Bereichen ist der Tarifvertrag nicht besser oder sogar noch schlechter als die früheren Angebote. Die pauschale Zahlung für fest angestellte Arbeiter wird von 3.500 Dollar auf 2.000 Dollar reduziert, für neu eingestellte auf 1.000 Dollar. Diese Zahlung, die die Arbeiter erst im September erhalten, ist weniger als der Verlust durch den Streik, in dem die UAW nur erbärmliche 275 Dollar Streikgeld gezahlt hat, obwohl ihre Streikkasse 800 Millionen Dollar umfasst. Zudem wird die Pauschalzahlung durch gesetzliche Abzüge noch weiter verringert.

Arbeiter haben der World Socialist Web Site die „Highlights“ des Tarifvertrags geschildert, welche die UAW bisher veröffentlicht hat. Sie entlarven die Lohnerhöhung als lächerlich niedrig: Die Erhöhung in der höchsten Lohngruppe beträgt nur 12 Prozent über sechs Jahre, d.h. durchschnittlich zwei Prozent pro Jahr und damit deutlich unter der Inflationsrate.

Das Unternehmen und die UAW haben seit Jahren den Spitzenlohn gedrosselt. Im Jahr 2008 betrug er 23,27 bzw. inflationsbereinigt 29,09 Dollar. Das bedeutet, das aktuelle Tarifabkommen sieht für die Jahre 2021 bis 2022 1,50 Dollar weniger vor.

Im Tarifabkommen von 2008-2011 erhielt ein Arbeiter den Spitzenlohn nach nur drei Jahren. Dieser Zeitraum war zwar deutlich länger als einige wenige Monate, wie es zuvor in der Autoindustrie üblich war, aber dennoch kürzer als die sechs Jahre, die das derzeitige Abkommen vorsieht. Der Einstiegslohn für einen Monteur soll für die Dauer des Tarifvertrags weiterhin nur 19,23 Dollar betragen.

Selbst wenn man von der Inflation absieht, kann man von diesem Lohn kaum eine Familie ernähren. Laut Daten des MIT bräuchte ein Alleinerziehender mit einem Kind in Pulaski County, wo sich das bestreikte Werk befindet, einen Lohn von 27,45 Dollar, um das Existenzminimum zu erreichen.

Auch die Kosten für die Gesundheitsversorgung werden für die Beschäftigten deutlich steigen. Das Abkommen wird erstmals Prämienzahlungen für Arbeiter der „Kerngruppe“ einführen, d.h. für Arbeiter, die vor dem Jahr 2011 eingestellt wurden. Bezeichnenderweise erwähnt die UAW dieses „Highlight“ nicht.

Mit anderen Worten: Anstatt durch die Kürzung der Krankenkassen-Versicherungsprämien für alle Arbeiter die „Unterschiede zwischen den Stufen zu beseitigen“, attackieren das Unternehmen und die UAW die Errungenschaften einer früheren Generation.

Das Unternehmen und die UAW rühmen sich damit, dass sie ihre Forderung nach höheren Prämienzahlungen für die nach 2011 eingestellten Arbeiter fallengelassen haben. Allerdings würde die Eigenbeteiligung trotzdem von 200 Dollar auf 350 Dollar für Einzelpersonen, und von 400 Dollar auf 700 Dollar für eine Familie ansteigen, d.h. um 75 Prozent. Die Grenze der Eigenbeteiligung für Gesundheitskosten würde ebenfalls deutlich ansteigen – von 1.500 auf 2.000 Dollar für Leistungen aus dem Versicherungsnetzwerk des Unternehmens, und von 6.000 auf 8.000 Dollar für Leistungen außerhalb des Netzwerks.

Zudem gehört zu den Vertrags-Highlights des Unternehmens – die die UAW nicht erwähnt: „Das Unternehmen hat sich verpflichtet, die nächste Expertenanalyse zu der Frage zu finanzieren, wie die Gesundheitskosten für Rentner gesenkt werden können. Diese umfasst eine vollständige Bewertung der Zweckmäßigkeit der Nutzung der Betriebsapotheke durch Rentner.“ Dass in früheren Tarifabkommen Verschlechterungen bei der Gesundheitsversorgung von Rentnern durchgesetzt werden sollte, war einer der Hauptgründe für die Ablehnung der letzten beiden Abkommen.

Zudem enthält der Deal keine Lohn- und Rentenerhöhungen zur Angleichung an die Lebenshaltungskosten für Arbeiter, die nach 2011 eingestellt wurden. Diese sind jedoch notwendig, um mit der Inflation Schritt zu halten.

Gleichzeitig lässt das Abkommen angeblich den früheren Versuch fallen, die „alternativen Arbeitszeitpläne“ einzuführen. Diese hätten Zehn-Stunden-Arbeitstage eingeführt, wie sie in den letzten zehn Jahren mit Unterstützung der UAW bereits in der Autoindustrie eingeführt wurden.

Während die UAW einen dritten Tarifvertrag durchsetzen will, wächst in der Arbeiterklasse die Unterstützung für den Streik, vor allem in den anderen Volvo-Werken.

Ein Arbeiter des Werks Macungie bei Allentown äußerte sich verärgert darüber, dass die UAW getrennte Tarifverträge für die verschiedenen Volvo-Werke abschließt: „Wir brauchen den gleichen Tarifvertrag für Macungie, Hagerstown und NRV, sodass alle gleichzeitig auslaufen. Wenn wir alle auf der gleichen Seite stehen und alle zusammen streiken, können wir einen besseren Deal bekommen.“

Volvo-Arbeiter erklärten gegenüber dem Autoworkers Newsletter der WSWS, das Werk in Hagerstown werde vom 5. bis zum 23. Juli wegen des Streiks geschlossen sein. Das Mack-Werk in Macungie, das ebenfalls zu Volvo gehört, soll schichtweise heruntergefahren werden.

Die UAW hat angedeutet, dass sie versuchen wird, bereits am kommenden Freitag eine Abstimmung über das Abkommen durchzuführen. Zweifellos wird sie die nächste Woche damit verbringen, die Arbeiter unter Druck zu setzen und einzuschüchtern, damit sie mit „Ja“ stimmen. Arbeiter berichteten, die UAW habe ihnen erklärt, falls sie den Tarifvertrag ablehnen, würden die UAW und Volvo die Verhandlungen für gescheitert erklären und einen Schlichter einsetzen. Dieser würde dann ein Abkommen durchsetzen und Arbeiter entlassen, wenn sie dies nicht akzeptieren.

Dies verdeutlicht nur, dass die Volvo-Arbeiter das Volvo Workers Rank-and-File Committee aufbauen und unterstützen müssen, um die Isolation durch die UAW zu durchbrechen und den Kampf auf die Arbeiter bei Mack-Trucks und der gesamten Autoindustrie auszuweiten.

Arbeiter bei Volvo und Mack und alle Autoarbeiter können sich hier mit dem Netzwerk der Aktionskomitees für sichere Arbeitsplätze in Verbindung setzen.

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