Nach Ratifizierung des UAW-Tarifvertrags mit angeblicher knapper Mehrheit hält die Wut unter Volvo-Arbeitern an

Am Mittwoch erklärte die Gewerkschaft United Auto Workers (UAW), dass der Tarifvertrag für das Werk New River Valley im Südwesten Virginias, den die Arbeiter eine Woche zuvor abgelehnt hatten, bei einer Neuabstimmung mit nur 17 Stimmen Mehrheit angenommen wurde. Unter den Arbeitern kocht jedoch nach wie vor die Wut.

Streikende Arbeiter vor dem Volvo-Werk New River Valley in Dublin (Virginia) (Facebook-Seite des UAW-Ortsverbands 2069)

Viele Arbeiter reagierten mit Anschuldigungen, es sei bei der Abstimmung zu Manipulationen gekommen, und mit Forderungen nach einer Neuauszählung, zu denen sich die UAW bislang in keiner Weise geäußert hat. Die Neuabstimmung über eine dritte vorläufige Vereinbarung zwischen der UAW und Volvo war organisiert worden, obwohl die Belegschaft diesen Deal nur wenige Tage zuvor mit einer Mehrheit von 60 Prozent abgelehnt hatte.

Die UAW hatten für den Deal geworben und irreführenderweise behauptet, die Arbeiter hätten keine andere Wahl, als ihn anzunehmen. Ein Volvo-Arbeiter erklärte gegenüber der World Socialist Web Site: „Volvo wusste genau, wie sie bekommen, was sie wollen. Unsere Gewerkschaften tun einen Dreck für uns. Matt [Blondino, der Präsident des Ortsverbands 2069] hat nur erklärt, was passieren wird, wenn wir mit Ja stimmen. Er hat nie erklärt, was wir tun können, wenn wir mit Nein stimmen. Er hat nur gesagt, es könnte dann Monate oder Jahre dauern. So hat er darauf gedrängt, mit Ja zu stimmen. Völliger Schwachsinn.“

Die UAW-Zentrale veröffentlichte am Mittwochabend eine Erklärung, in der sie das Ergebnis begrüßte, aber sowohl den Inhalt des Abkommens als auch die Rolle der Gewerkschaft völlig verfälschte. Die Gewerkschaft hatte mit dem Unternehmen zusammengearbeitet, um das Abkommen durchzusetzen. Die Zentrale erklärte, der sechsjährige Tarifvertrag „beinhaltet die Abschaffung der zweiten Lohnstufe, schützt die Gesundheitsprämien für die Dauer des Abkommens, bietet Schutz rund um Schichtplanungen und Betriebsabläufe und legt einen deutlichen Bonus für die Unterzeichnung und aggressive jährliche Lohnerhöhungen für jedes Jahr des Abkommens fest“.

Während die UAW von „deutlichen Verbesserungen“ spricht, haben sich mehrere Arbeiter auf Facebook bitter über den Inhalt des Tarifvertrags beklagt. Ein Arbeiter schrieb: „Ich werde nie den Spitzenlohn erhalten, die Neueingestellten werden nie den Spitzenlohn erhalten. Das Lohnklassensystem wird bleiben. Wer eine Familie hat, kann sich keine Abzüge von 4.000 Dollar leisten. Krankgemeldete sind wieder die Dummen. Wir haben das beste Punktesystem verloren, das wir hatten. Keine Angleichung der Lebenshaltungskosten, keine Renten, keine Boni. Sieht aus, als hätte sich das Unternehmen durchgesetzt. Im nächsten Tarifvertrag wird niemand mehr über irgendetwas abstimmen müssen, weil nichts mehr da ist.“

Andere haben kritisiert, wie der Tarifvertrag Rentner behandelt. Das Unternehmen und die UAW haben mehrfach das Versprechen gebrochen, ihre Gesundheitsversorgung vollständig zu zahlen. Einer von ihnen schrieb: „Nicht zufrieden als Rentner. Jetzt werde ich mir wohl eine Vollzeitstelle suchen müssen, um die Versicherung meiner Familie bezahlen zu können...“

Die UAW hat den Streik innerhalb kurzer Zeit beendet – die Streikposten wurden am Mittwochabend nur wenige Minuten nach Bekanntgabe der Ratifizierung aufgelöst – und die Arbeiter angewiesen, am nächsten Tag an die Arbeit zurückzukehren. Dennoch setzen die Gewerkschaft und das Unternehmen die wirtschaftliche Erpressung der Arbeiter fort.

Die Arbeiter fordern von den Funktionären des Ortsverbands 2069 eine Erklärung, warum ihre Krankenversicherung nicht schon am Freitag wieder in Kraft war, obwohl Präsident Matt Blondino ihnen versichert hat, das Unternehmen werde sie ab Donnerstag wieder in Kraft setzen. Ein Arbeiter schrieb dazu: „Ich dachte, die Versicherung solle ab heute wieder existieren. ... Bisher sind wir noch nicht wieder versichert.“ Ein anderer schrieb: „Ich wollte heute um 18:45 Uhr ein Rezept einlösen, und man hat mir gesagt, ich wäre nicht krankenversichert. Die App [der Krankenversicherung] sagt auch, ich wäre nicht versichert!“

Ein Administrator der Seite des Ortsverbands 2069 antwortete lahm: „Soweit ich weiß, braucht Anthem [der Versicherungsanbieter] 24 Stunden, um uns wieder aufzunehmen, sobald sie angewiesen wurden. Sie tritt heute wieder in Kraft, aber ich persönlich glaube, es wird ein paar Tage dauern, bis alles wieder läuft.“

Andere Arbeiter waren empört, nachdem der Ortsverband erklärte, die letzte Streikgeldüberweisung – die weiterhin nur lächerliche 275 Dollar pro Woche beträgt – werde erst am 26. Juli verfügbar sein, mehr als eine Woche nach dem Ende des Streiks. Ein Volvo-Arbeiter fragte: „Warum können sie nicht zwei Schecks auf einmal zahlen wie das letzte Mal? Was ist mit denjenigen, denen sie zwei Schecks schulden!! Einige werden nicht in der Stadt sein, weil wir frei haben!!!“

Nachdem die UAW dem Unternehmen entscheidende Hilfestellung bei seinen Versuchen geleistet hat, seinen Tarifvertrag durchzusetzen, werden Volvo und die UAW jetzt vermutlich versuchen, die zurückkehrenden Arbeiter zu schikanieren und eine brutale Arbeitshetze durchzusetzen, um die ausgefallene Produktion auszugleichen.

Doch der mutige Kampf der Volvo-Arbeiter gegen das Unternehmen und die UAW inspiriert weiterhin Arbeiter in den USA und dem Rest der Welt, die mit ähnlichen Problemen konfrontiert sind. Das Volvo Workers Rank-and-File Committee, das den Widerstand gegen die Angriffe des Unternehmens und der UAW angeführt hat, hat der WSWS einen Brief geschickt, den es von der Frau eines Arbeiters des Verpackungsgüter-Herstellers Amcor in Terre Haute (Indiana) erhalten hat. Dort hat eine Gewerkschaft, die Teil der Service Employees International Union (SEIU) ist, vor Kurzem einseitig einen Tarifvertrag gegen den Widerstand der Arbeiter durchgesetzt:

„Die Gewerkschaft hat uns als Schwächlinge dastehen lassen und uns ausverkauft... Unsere Unterstützung haben sie nicht, und sie sind sogar noch gieriger als das Unternehmen, gegen das sie angeblich kämpfen. Ich unterstütze eure Sache und will euch mitteilen, dass unsere Herzen bei euch sind!“

Ein Zeitarbeiter aus dem General-Motors-Fertigungswerk in Flint (Michigan) erklärte gegenüber der WSWS: „Ich bin wütend, und es bricht mir das Herz, dass die Gewerkschaft diese Abstimmung durchgeführt hat. Und es fällt mir sehr schwer zu glauben, dass sie erfolgreich war. Selbst wenn sie es war, haben die Arbeiter deutlich gemacht, dass die Mehrheit einen besseren, faireren Deal wollte. Ich rufe die Volvo-Arbeiter auf, den Kampf mit allen verfügbaren Mitteln fortzusetzen.“

Ein Daimler Truck-Arbeiter in North Carolina erklärte im Gespräch mit der WSWS über die Situation bei Volvo, seiner Meinung nach stecke die UAW „mit dem Unternehmen unter einer Decke“.

„Ich habe [die Berichterstattung der WSWS] täglich verfolgt, und [die Situation bei Volvo] ist wirklich enttäuschend. Ray Curry kam sogar aus unserem Werk. Ich habe mit ihm zehn Jahre in der zweiten Schicht gearbeitet und miterlebt, wie er in der UAW aufstieg. Er ist heute nicht mehr der gleiche Ray Curry, den ich kannte.

Ich hätte nie gedacht, dass ich mal erlebe, dass das Unternehmen entscheidet, was das letzte und endgültige Angebot ist. Genau das hat die UAW aber praktisch bei Volvo getan.

Für mich ist es wirklich erschütternd, dass die UAW auch nur in Erwägung zieht, einen solchen Vertrag anzunehmen, wie sie ihn Volvo und uns vorlegt hat. Sie haben uns gesagt, das wäre unser bestes und letztes Angebot, wir sollten es besser annehmen.“

Sie zeigen einem die sogenannten Highlights, nur das, was man sehen soll, damit man mit ‚Ja‘ stimmt. Sie lassen sich nicht in die Karten schauen.

Eine Vertreterin unseres Unternehmens kam und fragte, wie es uns geht. Ein Kollege sagte ihr: ‚Alles in Ordnung, aber ich habe eine Frage: Warum bietet das Unternehmen kein Rentenpaket nach 30 Jahren Betriebszugehörigkeit an?‘ Sie antwortete: ‚Wir sind keine Rentenversicherung, sondern ein Lastwagenhersteller.‘“

Ein Arbeiter aus dem Volvo-Mack-Trucks-Werk in Macungie (Pennsylvania) erklärte seine Unterstützung für den Streik und sagte, es sei „nicht richtig“, dass der Arbeitskampf beendet wurde. Er erklärte, die Vorgabe, dass neu eingestellte Arbeiter erst nach sechs Jahren den vollen Lohn erhalten „stinkt wirklich“.

Er wies darauf hin, dass der Mangel an Halbleiterchips vor allem die Lkw-Industrie betroffen hat, und erklärte: „Wer weiß schon, ob es dieses Werk in sechs Jahren noch geben wird? Ich war noch nie in New River Valley, aber das Werk ist größer als das in Macungie, und dort wird mehr gearbeitet. Wenn die Arbeiter dort nicht schneller vollen Lohn erhalten, werden viele die Arbeit kündigen und sich etwas Stabileres, besser Bezahltes suchen.

Die Leute von der UAW da unten sollten aus ihren Büros und der Gewerkschaft geworfen werden. NRV hat einen Präzedenzfall geschaffen“, um einen unpopulären Tarifvertrag durchzusetzen. „Was steht uns [bei Mack] in zwei Jahren bevor? Was ist mit Ford, General Motors und dem Rest?“

Der Arbeiter erklärte, er sehe ebenfalls die Notwendigkeit zur Gründung unabhängiger Aktionskomitees in allen Betrieben, um Widerstand gegen die drohenden Angriffe zu leisten.

Mitglieder des Volvo Workers Rank-and-File Committee (VWRFC) und des Solidaritätskomitees, das bei Mack Trucks in Allentown gegründet wurde, erklärten am Freitag gegenüber der WSWS, sie hofften darauf, dass die Arbeiter die notwendigen Schlüsse über die Rolle der UAW ziehen und erkennen, dass die Komitees ausgebaut werden müssen, um den Kampf fortzusetzen.

Ein Mitglied des VWRFC erklärte: „Das hat der Gewerkschaft ziemlich die Maske vom Gesicht gerissen. Ich hoffe, die Leute haben begriffen, wo sie stehen, und werden den Arbeitern bei Mack und anderen Unternehmen helfen, sich auf ihre Kämpfe vorzubereiten.“

Ein Mitglied des Solidaritätskomitees im Mack-Trucks-Werk Allentown fügte hinzu: „Wenn sie keine Angleichung der Lebenshaltungskosten, Krankenversicherung oder andere Verbesserungen durchsetzen können, ist es für die Arbeiterklasse Zeit, sich von der UAW abzuwenden. Das Unternehmen und die Gewerkschaft haben gezeigt, was sie getan haben, und ich bin nicht bereit, ihnen das zu verzeihen.“

Das Volvo Workers Rank-and-File Committee ruft Arbeiter bei Volvo und Mack dazu auf, sich anzuschließen und das Komitee aufzubauen. Kontakt per Email unter volvowrf@gmail.com oder per SMS an (540) 307-0509.

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