Trotz Milliardengewinnen erklärt Volvo den Arbeitern in Virginia, für ihre Löhne sei kein Geld da

Wie der schwedische Autokonzern Volvo am Dienstag bekanntgab, hat er im zweiten Quartal des Jahres mehr als eine Milliarde Dollar Profit gemacht. Nur kurz vor dieser Veröffentlichung endete letzte Woche der fünfwöchige Streik im Werk New River Valley (NRV) im Südwesten Virginias.

Mit der maßgeblichen Unterstützung der Gewerkschaft United Auto Workers (UAW) hatte das Unternehmen einen Tarifvertrag mit sechsjähriger Laufzeit durchgesetzt, der neben anderen Zugeständnissen eine deutliche Erhöhung der Gesundheitskosten für die Arbeiter und Lohnerhöhungen unterhalb der Inflationsrate für die große Mehrheit beinhaltet.

Volvo und die UAW hofften, wenn der Streik erst beendet und der Tarifvertrag durchgesetzt sei, sei damit auch der Widerstand der Arbeiter gebrochen. Diese sind jedoch voller Wut und trotzig an die Arbeit zurückgekehrt. Gegenüber der World Socialist Web Site erklärten sie, dass die Produktion seit Montag nur stockend wieder angelaufen sei.

Volvo-Logo in der Lobby der Volvo-Zentrale in Brüssel (AP Photo/Virginia Mayo)

Volvo gab in seinem Quartalsbericht ein angepasstes operatives Ergebnis von April bis Juni von etwa 1,12 Milliarden Dollar (9,7 Milliarden schwedische Kronen, 0,95 Milliarden Euro) an. Dieser Wert ist einer der wichtigsten Maßstäbe für den Profit eines Unternehmens. Zusammen mit den Ergebnissen aus dem ersten Quartal hat das Unternehmen in den ersten sechs Monaten des Jahres etwa 2,5 Milliarden Dollar Profit gemacht.

Das Unternehmen vermeldete für das zweite Quartal zudem eine Umsatzrendite von 10,7 Prozent, was in der Autoindustrie nahe am Höchstwert liegt aber einen Rückgang von den 12,6 Prozent des ersten Quartals bedeutet.

Obwohl sich das Betriebsergebnis von Volvo im zweiten Quartal im Vergleich zum Vorjahreszeitraum fast verdreifacht hat, lag es knapp unter dem von Finanzanalysten prognostizierten Ergebnis von 9,84 Milliarden schwedischen Kronen. Der Aktienkurs sank deshalb für die Dauer des Tages um 2,9 Prozent.

Dennoch reagierten die Analysten einiger großer Finanzkonzerne positiv. In einer Studie von JP Morgan hieß es: „Volvo hat gute Ergebnisse vorgelegt, die leicht unter den allgemeinen Schätzungen lagen.“

Auch der Umsatz stieg beträchtlich: Die Nettoverkaufszahlen für das Quartal lagen mit etwa 10,4 Milliarden Dollar 43 Prozent über dem Vorjahreszeitraum, wobei der Verkauf des japanischen Unternehmens UD Trucks durch Volvo berücksichtigt werden muss. Doch trotz der steigenden Absätze und Profite im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, der in der Anfangsphase der Pandemie lag und daher stark beeinträchtigt war, lagen die Zahlen noch unter dem Ergebnis von vor zwei Jahren. Damals verzeichnete Volvo etwa 13,9 Milliarden Dollar Umsatz und ein bereinigtes Betriebsergebnis von 1,7 Milliarden Dollar.

Vorstandschef Martin Lundstedt erklärte im Quartalsbericht, Volvo sei mit „kurzfristigen Herausforderungen“ konfrontiert, „manövriert aber noch immer aus einer Position der Stärke“.

Lundstedts Betonung von Volvos finanziellen Stärke und die Einnahmen in Milliardenhöhe stehen in Widerspruch zu dem unaufrichtigen Argument, das Volvo und die UAW in den letzten drei Monaten implizit verbreitet haben: Das Unternehmen habe einfach nicht genug Geld, um die Forderungen der Arbeiter zu erfüllen und den seit langem anhaltenden Niedergang der Löhne und Zusatzleistungen rückgängig zu machen. Tatsächlich müssten die Arbeiter sogar weitere Opfer bringen.

Ein langjähriger Volvo-Arbeiter erklärte zu den gemeldeten Profiten des Unternehmen: „Das zeigt, dass sie genug Geld haben, und dass sie unsere Lohnforderungen ohne weiteres hätten erfüllen können. Sie kümmern sich nur um die Top-Investoren, die Beschäftigten sind ihnen egal.“

In dem Quartalsbericht versuchte das Unternehmen weitgehend den Eindruck zu erwecken, der Streik in New River Valley sei nie passiert. Es war lediglich von „beträchtlichen Produktionsunterbrechungen“ wegen des Mangels an Halbleitern und anderen „Störungen der Lieferkette“ die Rede. Der Streik wurde nur ein einziges Mal während einer Telefonkonferenz mit Investoren am Dienstag erwähnt, als ein Analyst von Goldman Sachs die Frage stellte, wie hoch die Profitmarge ohne den Streik gewesen wäre. Darauf gab der Finanzchef von Volvo, Jan Ytterberg, nur eine ausweichende Antwort.

Die anhaltende Halbleiterknappheit, die sowohl die Autoindustrie als auch andere globale Hersteller getroffen hat, stellt jedoch ein reales Problem für Volvo dar. Lundstedt ging in einem Großteil seiner Kommentare darauf ein.

In einer gleichzeitig mit dem Quartalsbericht veröffentlichten Erklärung erläuterte Lundstedt: „Die weltweite Lieferkette für Halbleiter und andere Komponenten ist weiterhin instabil und schlecht überschaubar. Es wird in der zweiten Hälfte des Jahres weitere Störungen und Unterbrechungen in der Lastwagenproduktion und anderen Teilen des Unternehmens geben.“

Finanzchef Ytterberg erklärte den Investoren während des Gesprächs, dass das Unternehmen sich aufgrund der anhaltenden Knappheit bei Halbleitern und anderer Herausforderungen der Lieferkette „weiterhin auf Kostendisziplin und finanzielle Vorsicht beim weiteren Vorgehen konzentrieren muss“. Also betrachten die Vorstände die Angriffe, die im kürzlich durchgesetzten Tarifvertrag enthalten sind, nur als erste Offensive in einer größeren Kampagne zur Umstrukturierung ihrer Operationen. Es ist klar, dass sie die Kosten für Engpässe in der Lieferkette und die Umstellung auf Elektrofahrzeuge den Arbeitern aufhalsen wollen.

Während diese „Disziplin“ gnadenlos den Arbeitern abverlangt wird, sind Volvos Investoren davon nicht betroffen. An sie wurden dieses Jahr fast sechs Milliarden Dollar an Dividenden und Ausschüttungen ausgezahlt. Die „finanzielle Vorsicht“ bezieht sich offenbar auch nicht auf die millionenschweren Gehaltspakete und Boni für die Vorstände des Unternehmens. Vorstandschef Martin Lundstedt erhielt im Jahr 2020 Aufwandsentschädigungen im Wert von etwa fünf Millionen Dollar.

Volvo hat seinen Investoren mehrfach versichert, dass es jetzt versuchen wird, die Produktion dramatisch zu beschleunigen, um ausstehende Aufträge zu erfüllen. Lundstedt erklärte, es sei die „kurzfristige Priorität in allen Teilen der Organisation, angesichts der für den Rest des Jahres vollen Auftragsbücher“ die Nachfrage „so schnell und präzise wie möglich zu erfüllen“.

Genau wie andere Arbeitgeber versucht Volvo, seine Profite vor den Auswirkungen der Chipknappheit zu schützen, indem es Arbeitskosten senkt, Lohnerhöhungen begrenzt, die Kosten der Krankenversicherung für die Arbeiter erhöht und allgemein die Ausbeutung der Belegschaften steigert. Dies sind die Hauptziele der unternehmensfreundlichen Tarifverträge, die die UAW forciert. In Virginia haben die Arbeiter diese Verträge wiederholt zurückgewiesen, die ersten beiden Male mit 90 Prozent.

Nachdem die Arbeiter am 9. Juli eine dritte, im Wesentlichen identische vorläufige Vereinbarung mit fast zwei Dritteln der Stimmen ablehnten, kündigte die UAW an, Volvo werde in der kommenden Woche seinen „letzten, besten und endgültigen“ Vorschlag durchsetzen. Die Gewerkschaft unterstützte dies durch offenen Streikbruch und erzwang vor einer Woche eine neue Abstimmung über den Deal. Diese endete mit dem dubiosen Ergebnis, dass der Vertrag mit nur 17 Stimmen Mehrheit angenommen wurde.

Das Volvo Workers Rank-and-File Committee, das Aktionskomitee der Volvo-Arbeiter, hatte den Kampf gegen die Diktate von Unternehmen und Gewerkschaft angeführt. Es fasste die Erfahrungen des Kampfs am Sonntag in einer Erklärung zusammen, die in der Feststellung gipfelt:

Der Kampf geht weiter. Widerstand und Wut werden unweigerlich wieder aufflammen, wenn die volle Wahrheit über den neuen Tarifvertrag ans Licht kommt und das Unternehmen versucht, durch erzwungene Arbeitsbeschleunigung die ausgefallene Produktion auszugleichen.

Ein Arbeiter des Werks New River Valley erklärte am Dienstag gegenüber der WSWS: „Die Stimmung ist angespannt. Gestern haben mehr als 200 Leute gekündigt. Volvo muss jetzt nicht nur die bereits zuvor offenen Stellen besetzen, sondern auch diejenigen ersetzen, die gekündigt haben, weil sie sich ungehört fühlten.“

Über die Zusammenarbeit zwischen der UAW und dem Unternehmen erklärte er: „Den UAW-Funktionären scheint es weniger um uns zu gehen als darum, sich die Taschen vollzustopfen. Sie haben alles akzeptiert und uns vorgelegt, was Volvo ihnen übermittelt hat.“

Ein anderer fügte hinzu: „Diese Schweine machen Rekordgewinne und zwingen uns, mehr für unsere Krankenkasse zu zahlen. Wenn die Leute merken, was die UAW verschenkt hat, werden sie sauer sein. Das wird passieren, wenn sie wegen irgendeiner Routinebehandlung zum Arzt gehen und herausfinden, dass sie 1.000 Dollar mehr an Zusatzleistungen bezahlen müssen.

Volvo will die Produktion hochfahren, aber sie haben die Leute so verärgert, dass daraus nichts wird. Wir haben uns letztes Jahr den Arsch aufgerissen, damit sie Geld einnehmen. Niemand wird sich mehr für das Team anstrengen, wenn dieses Team gegen sie ist.“

Während die Arbeiterklasse und große Teile der Bevölkerung seit Beginn der Corona-Pandemie und der damit einhergehenden Wirtschaftskrise immens zu leiden hatten, nutzte die herrschende Klasse die Krise als Chance und bereicherte sich maßlos daran. Die treibende Kraft waren die Billionen-schweren Rettungspakete für die Konzerne und die Aufblähung der Aktienmärkte im März 2020, was alle großen Parteien unterstützten.

Das Wall Street Journal schrieb am Dienstag: „Die Erwartungen an die Umsätze der Unternehmen verbessern sich“, und Investmentanalysten rechneten für das zweite Quartal mit einem Anstieg der Profite der Unternehmen im Aktienindex S&P 500 um 71 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Bezeichnenderweise erklärte das Journal, dass eine Erhöhung der Unternehmensprofite dabei helfen würde, die derzeitigen astronomisch hohen Aktienkurse aufrechtzuerhalten und zunehmende Bedenken wegen einer massiven Finanzblase zu verzögern. Der Anstieg der Aktienkurse und die Zunahme der fieberhaften Spekulation beruhten zum Großteil auf der Politik des billigen Geldes, die die Federal Reserve und andere Zentralbanken durch ultraniedrige Zinssätze und andere Geldspritzen in die Wertpapiermärkte umgesetzt haben.

Larry Adam, Investmentchef des Finanzdienstleistungs-Unternehmens Raymon James, erklärte gegenüber dem Journal: „Es müssen wirklich die Grundlagen steigen, die Einnahmen, und genau das erleben wir (…) Wenn man diese Bewegung erreicht, machen sich die Leute weniger Sorgen um die Bewertungen.“

Mit anderen Worten, die aufgeblasenen Aktienkurse können nur durch eine unablässige Verschärfung der Ausbeutung der Arbeiterklasse aufrechterhalten werden. Der Kampf bei Volvo ist ein Ausdruck der Reaktion, die die Arbeiter in den USA und der Welt auf diese Politik der herrschenden Klasse zeigen werden.

Volvo-Arbeiter können sich unter volvowrfc@gmail.com oder per Textnachricht unter 001 540 307-0509 mit dem Volvo Workers Rank-and-File Committee in Verbindung setzen.

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