Exponentieller Anstieg der Corona-Neuinfektionen in Deutschland

Die Zahl der gemeldeten Corona-Neuinfektionen steigt auch in Deutschland wieder dramatisch an. Am Donnerstag meldete das Robert-Koch-Institut (RKI) fast 2000 neue Fälle und die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz stieg auf über 12. Die Reproduktionszahl liegt bei 1,19 – was einen stark exponentiellen Anstieg bedeutet.

In der Entwicklung schlägt sich auf gefährliche Weise die Dynamik der hochansteckenden Delta-Variante nieder. Den Zahlen des RKI zufolge haben die aktiven Fälle bundesweit im Vergleich zur Vorwoche um mehr als 42 Prozent zugenommen. Der Sieben-Tage-Durchschnitt der Neuinfektionsfälle lag bereits am Dienstag rund 67 Prozent über demjenigen der Vorwoche – der relative Anstieg ist damit höher als zu irgendeinem Zeitpunkt der sogenannten „dritten Welle“.

Wie eine Analyse der Zeitung Welt zeigt, beträgt der Verdopplungszeitraum der aktiven Corona-Fälle mit durchschnittlich 12 Tagen nur noch ein Fünftel des Wertes der Vorwoche.

Es ist damit nur eine Frage der Zeit, bis das Infektionsgeschehen auch hierzulande auf dem Niveau der aktuell am stärksten betroffenen Länder in Europa liegen wird. In Großbritannien, Spanien und Frankreich infizieren sich täglich Zehntausende mit dem Virus. Am Donnerstag gab es 43.907 Neuinfektionen in Großbritannien, 30.587 in Spanien, 21.539 in Frankreich. Die Sieben-Tage Inzidenz stieg auf 496 in Großbritannien, 378 in Spanien und 122 in Frankreich.

Am Donnerstag warnte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf ihrer jährlichen Sommer-Pressekonferenz in Berlin, dass sich Deutschland auf dem Weg in eine vierte Corona-Welle befinde. Zuvor hatte bereits Bundesgesundheitsminister Jens Spahn gegenüber der Presse erklärt, die Marke von 400 wöchentlichen Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner könne bereits im September überschritten werden, gefolgt von einer Sieben-Tage-Inzidenz von 800 im Oktober.

Die Regierungen in Bund und Ländern verfolgen eine bewusste Durchseuchungspolitik, die Profite vor Leben stellt. Um die Bereicherungsorgie an den Börsen nicht zu gefährden, erklären Vertreter aller Parteien gebetsmühlenartig, es dürfe keine erneuten Lockdown-Maßnahmen mehr geben und man müsse „mit dem Virus leben“. Damit beschwören sie – ähnlich wie im vergangenen Herbst – eine neue massive Corona-Welle mit hunderttausenden Infizierten und Toten herauf.

Laut einem Bericht der Gruppe um den Mobilitätsforscher Kai Nagel, der dem Bundesministerium für Bildung und Forschung vorliegt, „wird im Oktober ein exponentieller Anstieg bei den Krankenhauszahlen starten“, der bei der derzeitigen Entwicklung „sogar früher beginnen und sich im Oktober dann noch mal verstärken“ werde. Der hohe relative Anstieg der Fallzahlen werde von den Forschern als „beunruhigend“ bewertet, berichtet der Spiegel.

„Unter allen derzeit realistisch erscheinenden Bedingungen“ ergebe das Modell „eine vierte Welle bei den Erwachsenen, welche mit der Verlagerung von Aktivitäten in Innenräume im Herbst verstärkt werden wird“. Eine derartige Infektionswelle bei den Erwachsenen werde wiederum Ansteckungen unter den Schülern nach sich ziehen, so der Bericht. „Würden die Schulen nach den Sommerferien ohne Schutzmaßnahmen geöffnet“, ergäbe sich sodann „eine Infektionswelle bei den Schülerinnen und Schülern“, die „zu einer Welle bei Erwachsenen“ führe – ein Teufelskreis.

Die derzeit üblichen „zwei Schnelltests pro Woche“ seien in jedem Fall „bei Weitem nicht ausreichend“, um die Infektionsdynamik zu verringern, schlussfolgern die Wissenschaftler.

Wie die World Socialist Web Site berichtet hat, sollen Kinder und ihre Eltern laut Bundesbildungsministerin Anja Karliczek nach dem Ende der Sommerferien gemäß einem „Stufenplan“ durchseucht werden. Ein solcher Plan würde bedeuten, Kinder de facto als menschliche Labors für die Züchtung neuer, noch gefährlicherer Virusmutanten zu missbrauchen und zugleich hunderttausende Arbeiterfamilien in Deutschland und Europa einem tödlichen Risiko auszusetzen.

„Präsenzunterricht um jeden Preis bedeutet, die Durchseuchung der Schulen in Kauf zu nehmen“, stellte Heinz-Peter Meidinger, der Präsident des Lehrerverbands, am Mittwoch gegenüber der Welt fest. Die Impfbereitschaft liege unter Lehrkräften stichprobenartigen Erhebungen zufolge bei 85 bis 90 Prozent und sei auch unter den über-16-Jährigen relativ hoch, so Meidinger. Da diesen Gruppen jedoch kaum Impfstoff zur Verfügung gestellt werde, könne sich die Delta-Variante „unter den weitgehend ungeimpften Schülern also ungehindert ausbreiten“.

Bereits jetzt sind Jugendliche und junge Erwachsene besonders stark von Ansteckungen betroffen. Am Montag erreichte der Anteil der 15- bis 34-Jährigen unter den Neuinfizierten mit 56 Prozent den bisher höchsten Stand im gesamten Verlauf der Pandemie, obwohl diese Altersgruppe nur 23 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmacht.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Karl Lauterbach warnte am Dienstag vor den Konsequenzen der aggressiven Durchseuchungspolitik, die seine eigene Partei in der Regierung verfolgt. „Es wird sich vielleicht noch als Riesenfehler erweisen, wenn wir bei Kindern und jungen Menschen jetzt die Fallzahlen explodieren lassen. Weil dann Varianten entstehen können, die noch viel stärker als Delta bereits Geimpfte schwer erkranken lassen können“, schrieb er auf Twitter.

Während die Regierungen von Deutschland und unzähligen anderen Ländern es darauf anlegen, das Coronavirus mitsamt seinen immer gefährlicheren Mutanten systematisch in die Bevölkerung zu tragen, erscheinen nahezu täglich neue Studien über die Langzeitfolgen einer Covid-Erkrankung, die Patienten zutiefst versehren und über Jahre und Jahrzehnte hinweg zeichnen können.

So hat die Universitätsklinik Ulm in einem aktuellen Forschungsprojekt an jedem fünften ihrer Long-Covid-Patienten Organschäden festgestellt. Dominik Buckert, betreuender Oberarzt der Spezialambulanz für Covid-Spätfolgen der Klinik, nannte gegenüber dem Spiegel unter anderem Herzmuskelentzündungen und Folgen wie Herzschwäche und -rhythmusstörungen, sowie Atemnot infolge eines veränderten Lungengerüsts. Der größte Teil der übrigen Patienten fühle sich schlechter belastbar als vor der Erkrankung, so Buckert. Bereits im Juni hatte eine Erhebung der Barmer-Krankenkasse unter ihren Versicherten ergeben, dass rund 17 Prozent der Covid-19-Fälle länger als vier Wochen krankgeschrieben waren.

In Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen sowie den angrenzenden Ländern Belgien und Niederlande trifft die Ausbreitung der Delta-Variante mit der verheerenden Flutkatastrophe zusammen, die in den letzten Wochen mehr als 200 Menschen getötet und unzählige weitere entwurzelt hat.

Professor Uwe Janssens, der auf dem Gelände seiner überfluteten Uniklinik zum Sender ntv sprach, warnte davor, dass Masken und andere Hygienemittel in den Notunterkünften nicht in ausreichender Zahl vorhanden seien. „Wir haben viele Praxen in der Umgebung, die nicht mehr betriebsfähig sind“, betonte der Intensivmediziner und sprach mit Blick auf die Zerstörung der öffentlichen Infrastruktur in Westdeutschland von einem „herben Schlag für die Impfkampagne“.

In der Tat haben erst 60,2 Prozent der Bevölkerung mindestens eine Impfung erhalten, insgesamt 47,3 Prozent wurden bislang zweifach geimpft. Während die Zahl der täglich verabreichten Impfungen im Verlauf der letzten sechs Wochen rapide gesunken ist, wächst zugleich die Gefahr von impfresistenten Mutanten und sogenannten „Durchbruchinfektionen“ selbst bei vollständig geimpften Personen.

Laut einer neuen Studie aus Israel, die in der Fachzeitschrift „Clinical Microbiology and Infection“ veröffentlicht wurde, kommt es „vor allem bei Menschen mit Vorerkrankungen“ zu derartigen Impfdurchbrüchen. In dem Land mit 9 Millionen Einwohnern mussten bis Ende April insgesamt 397 vollständig geimpfte Covid-Patienten im Krankenhaus behandelt werden, wovon 234 „schwer“ erkrankten und 90 starben.

Die Forscher des Samson Assuta Ashdod Universitätsklinikums untersuchten 152 doppelt mit Biontech immunisierte Patienten, die überwiegend in verschiedenen Konstellationen unter Bluthochdruck, Diabetes, Krebs, Demenz oder chronischen Organerkrankungen litten oder immunsupprimiert waren. Die Prognose dieser Patientinnen und Patienten ähnelte insgesamt derjenigen von Ungeimpften: 61 Prozent entwickelten einen schweren Krankheitsverlauf, 22 Prozent starben an der Infektion, so die Mediziner.

Loading