Corona: Mit der Öffnung der Schulen in Los Angeles droht dem Gesundheitssystem eine Katastrophe

Am Montag begann in Los Angeles mit dem Schuljahr 2021–2022 der Präsenzunterricht für mehr als 600.000 Schüler und 24.000 Lehrer an den öffentlichen Schulen.

Noch im Frühling hatte sich die große Mehrheit der Eltern und Schüler nach der Wiederöffnung der Schulen für eine Fortsetzung des Distanzunterrichts entschieden. Jetzt jedoch wird im zweitgrößten staatlichen Schulbezirk der USA nahezu keine Möglichkeit für Distanzunterricht mehr angeboten. So wird die Ausbreitung der hochgradig ansteckenden Delta-Variante zu einem massiven Anstieg der Fälle, zu Hospitalisierungen und Todesfällen unter Kindern und Jugendlichen führen.

Die Wiederöffnung der Schulen in Los Angeles ist ein wichtiges Element der Kampagne, die Schulen in den gesamten Vereinigten Staaten uneingeschränkt wieder zu öffnen. Die amerikanische Kapitalistenklasse opfert ihrem Profitstreben bewusst das Leben von Kindern. Alleine in Los Angeles werden mehr als 1.000 Schulen wiedereröffnet, damit die Eltern zurück an die Arbeit gezwungen und die letzten Einschränkungen für die Wirtschaft beseitigt werden können.

Schon am letzten Sonntag verzeichnete die Gesundheitsbehörde von Los Angeles County mit 3.356 Neuinfektionen einen Anstieg von 51 Prozent im Vergleich zu den vorangegangenen zwei Wochen; außerdem acht Todesfälle. Allerdings sind beide Zahlen vermutlich zu niedrig angesetzt, weil es aufgrund des Wochenendes zu Verzögerungen bei der Meldung von Fällen kam. Solche düsteren Berichte und Zahlen sind nur ein Vorgeschmack darauf, was bei der vollständigen Wiederöffnung von Schulbezirken wie dem Los Angeles Unified School District (LAUSD) bevorsteht.

Schüler und Eltern am ersten Schultag an der Enrique S. Camarena Elementary School in Chula Vista (Kalifornien), 21. Juli 2021 (AP Photo/Denis Poroy)

Eltern und Schülern steht als einzige Möglichkeit zum Distanzunterricht das unabhängige Lernprogramm City of Angels (COA) zur Verfügung, das für Schauspieler im Kindesalter, junge Olympia-Athleten oder andere Schüler gedacht ist, die nicht regelmäßig zur Schule kommen können.

Die Bundesstaatsregierung von Kalifornien hat vor kurzem ein Gesetz verabschiedet, laut dem Schulbezirke unabhängige Lernprogramme als faktischen Distanzunterricht an Schulen anbieten müssen. Der Schuldistrikt hat daraufhin sein unabhängiges Lernprogramm auch für Schüler zur Verfügung gestellt, „deren Gesundheit durch Präsenzunterricht gefährdet würde“.

Die meisten solchen Programme benötigen nur eine minimale Interaktion mit einem realen Lehrer. Sie sind für Schüler konzipiert, die meist aus begüterteren Verhältnissen kommen und deren Eltern für unabhängige Lehrkräfte und teure Lernmittel zahlen können. Die Mehrheit der Schüler und ihre Familien, die jetzt betroffen sind, haben diese Mittel jedoch nicht zur Verfügung. Im Schulbezirk LAUSD kommen 75 Prozent der Schüler aus geringverdienenden Familien, die Anspruch auf kostenlose Schulspeisung haben.

Zudem ist der Prozess zur Aufnahme in das Programm äußerst kompliziert. Ein Paar erklärte in einem Interview mit dem Magazin LAist, sie hätten fünfmal versucht, den Schulbezirk zu kontaktieren, nachdem sie das Teilnahmeformular ausgefüllt, aber keine Antwort erhalten hatten. Zu Beginn des derzeitigen Schuljahres konnten sich weniger als drei Prozent der Schüler im LAUSD erfolgreich für die Teilnahme an dem unabhängigen Lernprogramm einschreiben.

Der Schulbezirk verfügt über ausreichend Gelder aus dem staatlichen Corona-Hilfsfonds. Dieses Jahr beträgt sein Betriebsbudget 13,8 Milliarden Dollar bzw. 62 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Dennoch wurde nichts für die Sicherheit von Schülern, Familien und Personal unternommen.

Die einzigen zusätzlichen Maßnahmen, die der LAUSD jetzt noch zur Eindämmung des Virus vorschlägt, sind wöchentliche Tests und Quarantäne für positiv getestete Schüler und Beschäftigte. Bei positiven Fällen werden nur die Eltern derjenigen Schüler aus dem engen Umfeld informiert. Laut der Gesundheitsbehörde werden bestenfalls einzelne Klassen geschlossen, aber nicht ganze Schulen.

Der Schulbezirk hat nichts für eine angemessene Belüftung und Luftfilterung unternommen, und sogar die öffentlichen Trinkwasserspender wurden wieder angeschaltet, nachdem sie zu Beginn der Pandemie abgestellt worden waren. In Fluren und Klassenzimmern wurden keine sozialen Distanzierungsmaßnahmen eingeführt und auch keine Lernpläne für Schüler, die nach einem positiven Test in Quarantäne müssen.

Ein Lehrer des LAUSD erklärte gegenüber der WSWS: „Ich glaube wirklich, es ist für unsere Kinder und das Personal nicht sicher. Kinder dürfen in der Cafeteria ohne soziale Distanzierung essen. Am Eingang werden die Temperaturen gemessen, und wir müssen täglich eine Gesundheitsumfrage ausfüllen, aber das war‘s. Ich bin so froh, dass ich meine Kinder im Onlineunterricht behalten kann, aber ich selbst habe keine andere Wahl, als zur Arbeit zu kommen.“

Eine Mutter eines Schülers aus Los Angeles warnte: „Sie sagen, die Zahlen steigen, aber das ist ihnen egal. Ich kann nicht glauben, dass sie die Schulen öffnen und damit das Leben unserer Kinder riskieren.“

Viele Eltern aus der Facebook-Gruppe Parents Supporting Teachers äußerten Bedenken wegen fehlender Sicherheitsmaßnahmen am ersten Schultag. Eltern teilten Bilder und Videos von langen, engen Schlangen von Schülern und Eltern, die vor Schulgebäuden auf einen Check wegen Symptomen warten. Dies kann bis zu zwei Stunden dauern, ehe sie in überfüllte Klassenzimmer gelassen werden.

Zudem berichten viele Eltern, die ihre Kinder aus dem Präsenzunterricht fernhalten, dass sie einen ganzen Tag auf den Link zum Unterrichtsbeginn warten mussten.

Die Rückkehr zum Präsenzunterricht ist Teil einer landesweiten Kampagne der Biden-Regierung; in Kalifornien wird sie vom demokratischen Gouverneur Gavin Newsom umgesetzt. Das beweist, dass die Demokraten die öffentlichen Gesundheitsmaßnahmen genauso den Profitinteressen unterordnen wie ihre faschistischen Pendants von den Republikanern.

Die Demokraten werden bei diesem tödlichen Kurs von den rechten Republikanern in der Opposition unterstützt. Die ganze „Debatte“ über die Wiederöffnung der Schulen wird auf das Thema Maskenpflicht reduziert. Aber Gesundheitsexperten haben bewiesen, dass Masken und Impfungen alleine nicht ausreichen, um die Pandemie aufzuhalten, wenn sie nicht damit verbunden werden, die Übertragungsketten des Virus zu unterbrechen. Hierfür sind u.a. ein rigoroses Kontaktverfolgungsprogramm, soziale Distanzierung und die Schließung von Schulen und der nicht systemrelevanten Produktion notwendig.

Die Demokraten genießen bei dieser Kampagne die volle Unterstützung der Lehrergewerkschaften, darunter der American Federation of Teachers (AFT) von Randi Weingarten und der National Education Association (NEA) unter Becky Pringle. Weingarten hatte vor kurzem öffentlich erklärt, die Wiederöffnung der Schulen habe für sie oberste Priorität. Sie führt in den Zeitungen, Fernsehsendern und sozialen Netzwerken eine massive Propagandakampagne mit dem Ziel, Millionen Eltern und Lehrer über die Gefahren des Präsenzunterrichts zu täuschen.

Am 15. August twitterte Weingarten: „Das dritte Schuljahr in Folge unter der Drohkulisse von Covid-19 beginnt, und mehr als 40 Prozent der impffähigen Amerikaner sind immer noch nicht geimpft. Das führt dazu, dass mich die Frage umtreibt, was notwendig ist, um diesen alptraumhaften Kreislauf zu durchbrechen.“

Auch die lokale Gewerkschaft United Teachers of Los Angeles (UTLA), die von den pseudolinken Democratic Socialists of America als „militant“ und „progressiv“ dargestellt wird, propagiert die Rückkehr zum Präsenzunterricht. In der ersten Augustwoche veranstaltete diese Gewerkschaft eine virtuelle Konferenz, auf der ihrer Sekretäre die Mitglieder aufforderten, „sich eine physische Rückkehr in die Schulen vorzustellen, die für unsere Schüler und Kommunen keine Rückkehr zum Status quo bedeutet, sondern eine Neugestaltung“.

Dies ist Teil der Kampagne der UTLA für „Schulen, die die Schüler in LA verdienen“. Sie bedient sich der Rassenpolitik, um die Aufmerksamkeit von der unzureichenden Finanzierung von Material und Sicherheitsmaßnahmen und dem mörderischen Kurs auf Präsenzunterricht abzulenken, aber von diesen Problemen sind Schüler aller Ethnien betroffen.

Letzten Winter, als die Schulen des LAUSD noch Distanzunterricht abhielten, veranstaltete die UTLA eine Abstimmung unter ihren Mitgliedern: Lehrer konnten wählen, ob sie ohne Sicherheitsmaßnahmen oder mit nur ganz minimalen Sicherheitsmaßnahmen in die Klassenzimmer zurückkehren wollten. Eine Fortsetzung des Distanzunterrichts war dabei keine Option. Bei einer ähnlichen Abstimmung für das aktuelle Schuljahr enthielt sich fast die Hälfte aller Mitglieder der UTLA gänzlich. Das bringt den völligen Mangel an Vertrauen gegenüber der Fähigkeit der Gewerkschaft zum Ausdruck, ihre Sicherheit zu gewährleisten.

Der Bezirk hat versucht, die Befürchtungen der Eltern und Lehrer zu beschwichtigen, indem er auf die beschränkten Maßnahmen wie Maskenpflicht für alle Schüler und Beschäftigten sowie Impfpflicht für alle Lehrer und das gesamte Personal ab dem 15. Oktober hinwies. Nach der Verabschiedung der Maßnahmen in Los Angeles hat das öffentliche Schulsystem von Chicago die gleiche Impfplicht mit Frist bis zum 15. Oktober eingeführt.

Selbst wenn man außer Acht lässt, dass sich laut einem geleakten Bericht der CDC jede Woche Zehntausende geimpfte Amerikaner mit der Delta-Variante infizieren, wird diese zweimonatige Frist dem Virus genug Zeit verschaffen, um sich im ganzen Schulsystem auszubreiten.

Die UTLA und der LAUSD sind sich jedoch sehr wohl bewusst, dass Maskenpflicht und Impfungen nur eine beschränkte Wirkung haben werden. Etwa 85 Prozent der Lehrer und 65 Prozent des Personals haben mindestens eine Dosis des Impfstoffs erhalten. Laut dem amerikanischen Kinderärzteverband wird zwar ein völliges Fehlen von Masken in den Schulen landesweit zu einem Anstieg der Infektionsraten um bis zu 75 Prozent innerhalb der nächsten drei Monate führen. Doch selbst bei einem allgemeinen und konsequenten Maskeneinsatz wird es zu beträchtlichen Infektionsraten von 20 Prozent oder mehr im gleichen Zeitraum kommen.

Tatsächlich ist die Zahl der Corona-Fälle unter Kindern bereits vor der Öffnung der Schulen in die Höhe geschossen. Am Sonntag berichtete der Direktor der National Institutes of Health, Francis Collins, dem Fox News-Moderator Chris Wallace von erschütternden Zahlen und erklärte: „Ich glaube, bisher haben die Leute gedacht: ,Naja, Kinder werden ja nicht krank‘... Es sind bereits mehr als 400 Kinder an Covid-19 gestorben. Momentan haben wir fast 2.000 Kinder im Krankenhaus, viele davon jünger als vier Jahre. Das bedeutet, wenn man Ihnen erzählt: ,Machen Sie sich keine Sorgen um die Kinder, das Virus macht ihnen nicht wirklich was aus‘, dann stimmt das nicht. Vor allem weil Delta so ansteckend ist, sind Kinder sehr stark gefährdet.“

Der amerikanische Kinderärzteverband stellte vor Kurzem in einem seiner wöchentlichen Berichte fest, dass es in der zweiten Augustwoche 121.427 neue Covid-Fälle unter Kindern gab, was 14 Prozent der Gesamtzahl ausmachte. Die Zahl der Fälle unter Kindern steigt seit Mitte Juni exponentiell an; damals lag die Zahl der neuen Fälle für die Woche bei fast 8.000.

Collins zog zwar nicht die offensichtliche Schlussfolgerung, doch mit seinen Äußerungen widerlegte er eindeutig die Politik der Regierung Biden. Dieser hat kurz nach seiner Amtsübernahme die Öffnung aller Schulen für den Präsenzunterricht innerhalb der ersten 100 Tage seiner Amtszeit als eines seiner zentralen Ziele angekündigt.

Biden wurde größtenteils wegen seines Versprechens gewählt, im Gegensatz zu Trump und seinen faschistischen Tiraden „auf die Wissenschaft zu hören“. Allerdings verbreiten auch er und die Demokraten unablässig Desinformationen und Lügen über das Virus. Als Corona im Februar die Krankenhäuser und Intensivstationen im ganzen Land füllte, erklärte Biden einem achtjährigen Mädchen bei einer Bürgerversammlung: „Kinder bekommen nicht oft Covid. Das passiert gewöhnlich nicht. Sie bekommen es nicht – die Beweise deuten bisher darauf hin, dass Kinder nicht die Anfälligsten für Covid sind.“

Im Mai hatten die CDC die Maskenpflicht für geimpfte Amerikaner abgeschafft. Am 4. Juli rief Biden der Bevölkerung per Fernsehen auf: „Nehmen Sie die Maske ab, Sie haben es sich verdient.“ Seither sind mindestens weitere 50.000 Amerikaner gestorben, und die Krankenhäuser füllen sich wieder bis an ihre Kapazitätsgrenzen.

Ein Verbrechen von historischem Ausmaß findet statt, und es kann nur durch eine koordinierte Intervention der Arbeiterklasse beendet werden. Die Sozialistischen Gleichheitsparteien rufen die Eltern, Arbeiter und Schüler auf, Aktionskomitees zu gründen, als Teil einer internationalen Kampagne für die Beendigung der mörderischen Schulöffnungen.

Mach mit bei den Aktionskomitees für sichere Bildung und trag dich als Mitglied bei ihrer Facebookgruppe ein.

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