Brasilien: Schließt die Schulen, um Menschenleben zu retten!

Das Aktionskomitee für sichere Bildung in Brasilien (CBES-BR) ruft Lehrer, Eltern und Schüler auf, für die sofortige landesweite Schließung der Schulen zu kämpfen, um das Leben der Kinder zu retten und die gesamte Bevölkerung gegen die Corona-Pandemie zu schützen.

Angesichts der rapiden Ausbreitung der hochansteckenden Delta-Variante ist die umfassende Wiederöffnung der Schulen ein abscheuliches politisches Verbrechen. Der Hauptzweck besteht darin, alle wirtschaftliche Tätigkeit im Interesse des kapitalistischen Profits wieder aufzunehmen. Die gleichen bürgerlichen Politiker, die Sorge um die Auswirkungen auf die Lern- und Sozialisierungsfähigkeit junger Menschen heucheln, haben jahrelang das öffentliche Bildungswesen zusammengekürzt.

Streikende Lehrer im brasilianischen Recife im Jahr 2020 (Facebook)

Auch in anderen Ländern setzt die Kapitalistenklasse die gleiche Politik des sozialen Mordes um, und sie löst unter Lehrkräften und Arbeitern weltweit eine Welle des Widerstands aus. In Brasilien haben vor etwa einem Monat Hunderttausende gegen die mörderische Reaktion der faschistischen Regierung von Jair Bolsonaro auf die Pandemie protestiert. Seither wächst die Wut der Lehrer und der ganzen Bevölkerung über die unsichere Öffnung der Schulen rapide an.

Die Gewerkschaften rufen nicht zum Kampf gegen diese kriminelle Politik auf, und das ist keineswegs der Passivität einfacher Arbeiter geschuldet. Es ist der Beweis dafür, dass diese Organisationen aufgehört haben, die Interessen der Arbeiter zu vertreten.

Das Aktionskomitee für sichere Bildung in Brasilien (CBES-BR) will Arbeitern und Jugendlichen eine Stimme geben und ihren Kampf zur Ausrottung der Pandemie mit einem Programm bewaffnen, das auf Wissenschaft und der Unabhängigkeit und internationalen Einheit der Arbeiterklasse beruht.

Die Pandemie ist noch immer außer Kontrolle

Die Zahl der Infektionen, Hospitalisierungen und Todesfälle durch Covid-19 steigt weltweit wieder an. Die neue globale Welle der Pandemie wird von der Ausbreitung der Delta-Variante angetrieben, die sich durch die Fähigkeit auszeichnet, den Impfschutz zu durchbrechen und sich sehr viel schneller als das ursprüngliche Virus Sars-CoV-2 zu reproduzieren.

Die Delta-Variante breitet sich in Brasilien mit atemberaubender Geschwindigkeit aus, weil die Regierung, die Gouverneure und die Bürgermeister kriminell fahrlässig handeln und jegliche Eindämmungsmaßnahmen beseitigen. Laut Laboranalysen ist die Delta-Variante bei 80 Prozent der Tests in Rio de Janeiro und bei 69,7 Prozent in São Paulo die vorherrschende Variante geworden. Auch in Minas Gerais ist sie die vorherrschende Variante.

Dass die Infektions- und Todeskurven in Brasilien sich verlangsamt haben, verdeckt laut der Covid-19-Beobachtungsstelle Fiocruz die Tatsache, „dass sich das Virus mit der Zunahme der Delta-Variante stark ausbreitet“. Schon heute sterben in Brasilien täglich mehr als 600 Menschen, und gleichzeitig steht das Land unmittelbar vor einer neuen Explosion der Pandemie. Sie muss sofort aufgehalten werden!

Schulen sind nicht sicher

Die herrschende Klasse behauptet, die Schulen seien Inseln, auf denen sich das Coronavirus nicht ausbreiten könne und die Kinder sich nicht ansteckten oder Covid-19 weiterreichten. Das sind nichts als schmutzige Lügen.

Die allgemeine landesweite Rückkehr zum Präsenzunterricht seit August hat bereits zu einer neuen Welle von Ausbrüchen an allen Schulen geführt. In der Hauptstadt des Bundesstaats Rio de Janeiro meldeten die Lehrer schon an 94 Schulen Infektionen von Personal oder Schülern; weitere 100 sind vollständig oder teilweise wegen Covid-Fällen geschlossen. Die Regierung von São Paulo gab bekannt, dass alleine im August 3.668 Covid-Fälle an Schulen bestätigt worden seien. Die große Mehrheit davon (2.873) waren Schüler. Weitere 2.239 Verdachtsfälle werden noch untersucht.

Wenn man Millionen von ungeimpften Kindern und Heranwachsenden in die Schulen schickt – die meisten davon in schlechtem baulichen Zustand, überfüllt und ohne angemessene Belüftung –, könnte man sie auch gleich in brennende Gebäude schicken. Die Konsequenzen sind potenziell katastrophal für das Leben junger Menschen und die Verschärfung der Pandemie.

Kinder sind nicht immun!

Schon bevor sich die Delta-Variante in Brasilien ausbreitete, war es eins der Länder mit der höchsten Kindersterblichkeit durch Covid-19. Laut offiziellen Daten, die anerkanntermaßen zu niedrig liegen, sind im Jahr 2020 nicht weniger als 1.200 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren an Covid-19 gestorben. 45 Prozent davon waren noch keine zwei Jahre alt. Allein in den ersten sechs Monaten des Jahres 2021 sind schon 1.581 Zehn- bis Neunzehnjährige an Covid-19 gestorben.

Kinder und Jugendliche, die sich mit Covid-19 anstecken, können nicht nur sterben, sondern auch das Multisystemische Entzündungssyndrom bei Kindern (MIS-C) entwickeln. Es greift mehrere Organe an und löst weitere, möglicherweise dauerhafte Krankheiten aus.

Dr. Malgorzata Gasperowicz von der Universität Calgary (Kanada) erklärte bei der Onlineveranstaltung der World Socialist Web Site („Für eine globale Strategie zur Beendigung der Pandemie und zur Rettung von Menschenleben“), dass schätzungsweise zwischen drei und zwölf Prozent aller mit Covid-19 infizierten Kinder Long Covid entwickeln werden. Diese Krankheit birgt das Risiko von Schäden an ihrer geistigen Gesundheit und kognitiven Entwicklung.

Bei der gleichen Veranstaltung erklärte Dr. Michael Baker, ein Experte für öffentliche Gesundheit und Professor an der Universität von Otago (Neuseeland): „Das Vorsichtsprinzip bedeutet, dass man nicht zulässt, dass eine Bevölkerung einer Gefahr ausgesetzt wird, deren Konsequenzen man nicht kennt und deren Folgen man für möglicherweise schwerwiegend hält.“

Das bedeutet, die Wiederöffnung der Schulen ist erst zulässig, wenn die Corona-Pandemie vollständig unter Kontrolle ist.

Für die Ausrottung von Covid-19

Genau wie die Gamma-Variante aus Manaus, die für die zweite verheerende Welle von Covid-19 in Brasilien verantwortlich war, ist die Delta-Variante ein Monster, erschaffen durch die kriminelle Politik der Kapitalistenklasse. So lange das Coronavirus menschliche Wirte findet und sich reproduziert, wird es weiter mutieren und sich zu noch ansteckenderen Formen entwickeln.

Bolsonaro hat sich zu einem der weltweit führenden Befürworter der „Herdenimmunität“ entwickelt. Diese unwissenschaftliche und soziopathische Theorie basiert auf der falschen Behauptung, die Durchseuchung eines Großteils der Bevölkerung sei wünschenswert, weil sie einen menschlichen Schutzschild um die am stärksten gefährdeten Personen schaffe. Ihre tragisch nachgewiesenen Folgen sind massive Todesfälle und die Entstehung neuer, noch schrecklicherer Varianten.

Doch die Politik, die Bolsonaros „Gegner“ innerhalb der Bourgeoisie vertreten, hat genauso verheerende Konsequenzen: So behaupten die Gouverneure der Sozialdemokratischen Partei Brasiliens (PSDB) und des Partido dos Trabalhadores (PT), es sei möglich, die Auswirkungen der Pandemie „abzumildern“, ohne sie aktiv auszurotten.

Diese Politiker behaupten, es sei ausreichend, die Bevölkerung zu impfen und eine Maskenpflicht durchzusetzen, während man gleichzeitig den Schulbetrieb und die wirtschaftliche Tätigkeit wieder aufnehmen könne. Das ist jedoch kein effektiver Weg, um die Pandemie zu besiegen. Ohne eine Strategie, um die virale Übertragungskette zu durchbrechen, können sich diese Maßnahmen sogar kontraproduktiv auswirken.

Eine Hochrechnung von Dr. Gasperowicz schätzt, dass der R-Wert bei einer Impfquote von 64 Prozent der Bevölkerung und der Annahme, dass die Impfstoffe zu 60 Prozent gegen die Delta-Variante wirken, noch immer bei sehr hohen 3,7 liegen würde. Das bedeutet, dass sich das Virus weiter ausbreitet und neue, impfstoffresistente Mutationen entwickelt.

Die einzige effektive und wissenschaftlich konsequente Strategie zur Bekämpfung der Pandemie ist deren Ausrottung. Dies ist nur möglich durch eine Kombination der Kampagne, die gesamte Bevölkerung weltweit zu impfen, mit umfassenden Maßnahmen des Testens, der Kontakteverfolgung und der sozialen Isolation, die auch die Schließung der Schulen und nicht-systemrelevanten Arbeitsplätze einschließen wird.

Für die politische Unabhängigkeit von den Gewerkschaften

Die Gewerkschaften ignorieren nicht nur dieses Programm, das das Leben von Arbeitern auf wissenschaflticher Grundlage schützen könnte, sondern sie bekämpfen es auch ganz offen. Sie versuchen, gemeinsam mit den bürgerlichen Regierungen, die Arbeiterklasse von einem effektiven Kampf gegen die Pandemie abzubringen.

Der Gewerkschaftsbund CNTE, dem die meisten Lehrergewerkschaften in Brasilien angehören, hat vor Kurzem ein Manifest mit dem Titel „Gesundheit, Bildung und soziale Unterstützung zur Verteidigung von Leben und Demokratie“ veröffentlicht, in dem er seine Strategie darlegt. Es ist eine Strategie, um die Politik des sozialen Mords der Bourgeoisie zu verschleiern.

Dieses kriminelle Dokument rationalisiert auf niederträchtige Weise die Wiederöffnung der Schulen: „Bei stabilen oder sinkenden epidemiologischen Indikatoren“ – d.h. die derzeitige Lage, in der eine Katastrophe droht – „überwiegen die nachteiligen Folgen dieser Maßnahmen [zur Kontrolle der Pandemie, darunter auch die Schließung der Schulen] die direkten Risiken durch das Coronavirus.“

Weiter wird versucht, ein „akzeptables“ Niveau von Infektionen und Todesfällen unter Kindern zu etablieren: „Das Risiko einer Ansteckung, von Infektionen, Komplikationen oder Todesfällen durch Covid-19 ist sehr unterschiedlich je nach Altersgruppe und Sicherheitsumfeld; die Maßnahmen zur Kontrolle der Pandemie bergen das Risiko sozialer Schäden.“

Diese Akzeptanz der kapitalistischen Öffnungspolitik durch den Gewerkschaftsverband CNTE ist die politische Grundlage für den kriminellen Verrat der Lehrergewerkschaften in der jüngeren Vergangenheit. Während in verschiedenen Bundesstaaten auf Druck der Mitglieder Streiks ausbrachen, hat sich die CNTE geweigert, einen landesweit vereinten Kampf gegen die Öffnung der Schulen zu führen, und die lokalen Gewerkschaften sabotierten die Bestrebungen der Arbeiter.

Die Lehrkräfte dürfen nicht zulassen, dass weitere Streiks durch die undemokratischen Manöver der Gewerkschaften gebrochen werden, wie es die APEOESP und die SINPEEM in São Paulo und vor Kurzem die APLB in Bahia getan haben. Es müssen sofort Aktionskomitees gegründet werden, um die demokratische Kontrolle der Lehrkräfte über ihre Kämpfe zu etablieren!

Für einen internationalen Kampf der Arbeiterklasse

Die Corona-Pandemie ist ein globales Problem und kann nur auf internationaler Ebene bekämpft werden. Die Ausrottung des Virus in einem einzelnen Land, wie es in China oder Neuseeland gelang, ist nur vorläufig, und die umfassende Integration der Weltwirtschaft macht es im Wesentlichen undurchführbar.

Nur das Handeln der internationalen Arbeiterklasse kann den unnötigen Verlust weiterer Millionen Menschenleben durch Covid-19 verhindern.

Das Aktionskomitee für sichere Bildung in Brasilien wird seinen Kampf mit den Aktionskomitees von Lehrkräften in den USA, Großbritannien, Deutschland, der Türkei, Sri Lanka, Australien und weiteren Ländern koordinieren, die für die sofortige Schließung aller Schulen und die globale Ausrottung der Pandemie kämpfen.

Diese Komitees sind in der Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees (IWA-RFC) zusammengeschlossen. Sie kämpft für die Errichtung unabhängiger, demokratischer und militanter Aktionskomitees in Fabriken, Schulen und Arbeitsplätzen auf der ganzen Welt. Gleichzeitig koordiniert sie auch den Widerstand gegen die korporatistischen Gewerkschaften, welche die Kämpfe der Arbeiterklasse unterdrücken.

Wir fordern Arbeiter und Jugendliche in ganz Brasilien auf, die folgenden Forderungen zu erheben:

  • Sofortige Schließung aller öffentlichen und privaten Schulen, bis die Corona-Pandemie ausgerottet ist!
  • Für einen allgemeinen qualitativ hochwertigen Distanzunterricht! Alle Lehrer und Schüler müssen Zugang zu hochmodernen Computern und Internet haben.
  • Einstellung aller nicht systemrelevanten Tätigkeiten mit voller finanzieller und sozialer Unterstützung für alle Arbeiterfamilien! Kein Elternteil oder Vormund sollte gezwungen sein, seine Kinder in die Schule zu schicken, um Profite für die Kapitalistenklasse zu erarbeiten.
  • Massive Investitionen zur Reformierung und zum Aufbau neuer Schulen! Brasilianische Schulen müssen an das 21. Jahrhundert angepasst werden, mit Klassengrößen von höchstens 15 Schülern und angemessenen Lüftungssystemen.
  • Keine Prüfungen im Präsenzunterricht! Tests wie ENEM oder Lernleistungsbewertungen, an denen Hunderte, Tausende oder Millionen von Jugendlichen teilnehmen, sind Super-Spreader-Ereignisse für Covid-19. Schüler müssen gegen sie mobil machen!

Alle Arbeiter und Jugendlichen, die an diesem Kampf interessiert sind, sollten über die Facebook-Seite des Aktionskomitees mit uns Kontakt aufnehmen oder dieses Formular ausfüllen.

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