USA: Massachusetts setzt Nationalgarde ein wegen fehlender Schulbusfahrer infolge der Pandemie

Der Gouverneur von Massachusetts, Charlie Baker, hat angesichts des landesweiten Mangels an Schulbusfahrern infolge der Pandemie 250 Nationalgardisten in den Schulbezirken des Bundesstaats als Ersatzfahrer eingesetzt. Der republikanische Gouverneur entschied sich für dieses Vorgehen vor dem Hintergrund der Schulöffnungen. Die Biden-Regierung und beide Parteien öffnen die Schulen trotz des Anstiegs von Corona-Infektionen und Todesfällen und setzen das Leben von Millionen Schülern und Schulbeschäftigten aufs Spiel.

Wie Baker erklärte, werden 90 Soldaten ab Dienstag beginnen, die Beförderung von Schülern in den Bezirken Chelsea, Lawrence, Lowell und Lynn zu üben. Mit den als 7D-Fahrzeugen bekannten Militärbussen, die maximal elf Sitze einschließlich des Fahrers haben, soll eine symbolische Anzahl von Förderschülern von der Schule und zurück transportiert werden. In jedem Fahrzeug wird ein Aufpasser anwesend sein.

Soldatin der Air National Guard von Louisiana beim Fahrtraining für Schulbusfahrer in New Orleans am 6. Juni 2020 (Senior Airman Dane St.Pe)

Baker erklärte vor der Presse, solange sich keine qualifizierteren Fahrer finden, „werden wir versuchen, so vielen Kommunen behilflich sein, wie wir können“. Er erklärte, der Bundesstaat werde von der US-Bundesregierung entschädigt und fügte hinzu: „Natürlich ist das Ziel, wenn wir die Fahrzeuge haben, sicherzustellen, dass qualifizierte Fahrer eingesetzt werden und dass wir tun, was wir können, damit die Kinder in die Schulen kommen.“

Die Schulbehörde von Boston hat das Privatunternehmen Transdev beauftragt, täglich 25.000 Schüler, d.h. die Hälfte der Schüler des Bezirks, zu befördern. Der Mangel an Fahrern und Änderungen der Routen in letzter Minute haben zu vielen Verzögerungen seit der Öffnung der Schulen am letzten Sonntag geführt. Bisher haben Vertreter der von den Demokraten regierten Stadt Bakers Angebot militärischer Unterstützung noch nicht angenommen.

Letzte Woche veröffentlichte die National Association for Pupil Transportation die Ergebnisse einer landesweiten Umfrage, laut der mehr als die Hälfte der befragten Verantwortlichen für den Schulverkehr über einen „schweren“ oder „extremen“ Mangel an Busfahrern klagten; fast zwei Drittel erklärten, dieser Mangel sei derzeit ihr größtes Problem. Selbst die wenigen Bezirke, in denen es nach eigenen Angaben genug reguläre Busfahrer gab, haben nicht genug Fahrer, um auf Corona-Quarantänen und die Welle von Pensionierungen zu reagieren.

Minnesota droht laut Vertretern der Schulbehörde eine „verheerende Schulbuskrise“. In Pennsylvania erklärte der leitende Direktor der School Bus Association, Ryan Dellinger, man rechne im ganzen Bundesstaat mit etwa 1.000 nicht besetzten Schulbusfahrer-Stellen.

Während der Pandemie sind etwa 200 Schulbusfahrer gestorben, Dutzende von ihnen seit Beginn der Schulöffnungen im August. In Chicago haben die Behörden Geld an die Eltern gezahlt, damit sie einen Uber-Fahrer anheuern können. Und in Iowa wurden Lehrer und Schulpersonal aufgefordert, sich um die Fahrerlaubnis für Schulbusse zu bemühen.

Da viele Schulbusfahrer im fortgeschrittenen Alter sind und gesundheitliche Probleme haben, gehen sie in Scharen in Rente. Doch der Mangel bestand schon vor der Pandemie und wurde durch jahrzehntelange Haushaltskürzungen beider Parteien, Schulbusprivatisierungen und Massenentlassungen beschleunigt. Die Folge war eine deutliche Verschlechterung der Arbeitsbedingungen, der Löhne, der medizinischen Versorgung und der Renten der Busfahrer. Jetzt bieten die Schulbezirke eine erbärmliche Lohnerhöhung und Boni an, um die pensionierten Fahrer zurückzuholen. Doch ältere Arbeiter mit gesundheitlichen Einschränkungen und potentielle Neueingestellte wollen nicht ihr Leben und das ihrer Familie riskieren, indem sie das Virus nach Hause bringen.

Mary, eine pensionierte Schulbusfahrerin aus Detroit, die mehrere Stellenangebote erhalten hat, erklärte gegenüber der World Socialist Web Site: „Wir haben Angst. Kinder haben ein besseres Immunsystem als ältere Fahrer, aber wenn sie krank werden, bekommen wir sofort Covid. Man fordert von den Busfahrern und seinem Helfer, dass sie ihr Leben riskieren. Deshalb hören die meisten Fahrer auf. Neue Fahrer kündigen nach ein oder zwei Wochen, weil sie krank werden oder in Quarantäne müssen.

Es ist Wahnsinn, dass sie jetzt das Militär holen. Die Schulen zu öffnen ist kriminell. Leute sterben, damit die Reichen reicher werden können. Wie viele Busfahrer und Lehrer müssen noch sterben? In Florida, Tennessee, Indiana und anderen Bundesstaaten sind schon so viele gestorben. Sie stecken sich mit dem Virus an, und in ein paar Tagen sind sie tot. Das ist sehr beängstigend. Die Eltern tun mir leid, aber wenn ich Kinder hätte, würde ich sie nicht in die Schule schicken.“

Mary erklärte, Detroit biete einen Stundenlohn von 18 Dollar, die Vororte etwa 20 Dollar und einen Bonus von 1.000 bis 3.000 Dollar nach 90 Tagen. Aber die Fahrer werden nur fünf oder sechs Stunden pro Tag bezahlt: „Das sind etwa 100 Dollar brutto, und für die meisten ist das nicht genug, um sich einer lebensgefährlichen Covid-Erkrankung auszusetzen.“

Die Schulbusfahrer seien immer sehr wichtig gewesen, so Mary: „Als ich noch gefahren bin, ging ich in die Häuser, um den Kindern aus dem Bett zu helfen, ich habe ihnen zu essen gegeben, wenn sie kein Frühstück hatten, und ihnen Geld fürs Mittagessen gegeben. Aber wir wurden von der Schulbehörde wie der letzte Dreck behandelt. Wir mussten einen spontanen Streik für das Geld führen, dass man uns schuldete. Wir mussten kämpfen, damit Asbest aus dem Busdepot entfernt wurde. Nachdem wir soviel Dieseldämpfe eingeatmet haben, sind fast alle meine Freunde an Krebs gestorben. Dann hat der Schulbezirk die Busse privatisiert und den neuen Arbeitern die Renten weggenommen. Jetzt betteln sie die Busfahrer, Hausmeister und Cafeteria-Beschäftigten an, damit sie zurückkommen. Sie holen sogar das Militär, weil wir genauso wichtig sind wie Pflegekräfte, Ärzte und andere Arbeiter an der Front.“

Die Öffnung der Schulen hat zu einer Katastrophe geführt. Am Montag mussten in New York mehr als eine Million Kinder zurück in die Schulen gehen. Obwohl viele Bundesstaaten und Bezirksbehörden Details über Ausbrüche bewusst verheimlichen, haben sich in den ersten Wochen in einigen Schulen mehr Kinder infiziert als im ganzen letzten Jahr. Laut Daten der Online-Plattform Burbio wurden fast 1.700 Schulen vorübergehend geschlossen.

In South Carolina haben sich seit Beginn des Schuljahrs mehr als 4.000 Schüler und 400 Beschäftigte mit dem Coronavirus infiziert; eine Schule in Beaufort County musste bis zum 2. September zum Distanzunterricht wechseln, weil sich die Hälfte der Schüler in Quarantäne befinden. Im September starben in diesem Bundesstaat mindestens zwei Kinder an Covid-19.

In Kentucky starb am Sonntag der Hausmeister Bill Bailey und im August die Lehrassistentin Heather Antle. Der Bundesstaat, in dem ein Fünftel der Schulen wegen Ausbrüchen vorübergehend schließen musste, meldete diese Woche 5.252 neue Fälle, darunter 1.602 bei Jugendlichen bis 18 Jahren.

In Tennessee starben seit Anfang des Jahres mindestens acht Beschäftigte von öffentlichen Schulen an Covid-19, darunter fünf Lehrer, ein Vorschulbetreuer, ein Cafeteria-Angestellter und ein Schulbusfahrer.

In West Virginia gab es seit der Wiederöffnung der Schulen 86 Ausbrüche, und in zwei Counties wurden die Schulen vollständig geschlossen.

In Florida sind seit dem 30. Juli zehn Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren gestorben. Dennoch versucht Gouverneur Ron DeSantis, eine Maskenpflicht in einzelnen Schulbezirken weiterhin zu verhindern, indem er die Gehälter von Angestellten der Schulbehörden einbehält.

Die Wiederöffnung der Schulen für 50 Millionen Schüler, von denen 30 Millionen unter 12 Jahren sind und deshalb nicht geimpft werden können, lässt die Infektionsrate unter Kindern steil ansteigen. Sie machen mittlerweile 28,9 Prozent aller Covid-19-Fälle aus.

Laut einem Bericht der American Academy of Pediatrics von Montag gab es letzte Woche mehr als 243.000 neue Fälle unter Kindern, d.h. die zweithöchste Zahl seit Beginn der Pandemie. Nach einem Rückgang Anfang des Sommers sind die Fallzahlen bei Kindern exponentiell gestiegen, in den letzten zwei Wochen um fast 500.000 und fast eine Million seit Anfang August. Und mehrere Bundesstaaten, die die Fallzahlen nicht nach Alter auflisten, sind hier nicht berücksichtigt.

Der Widerstand gegen diesen tödlichen Kurs wächst, auch unter vielen Eltern, die nicht direkt unter dem Einfluss der Lehrergewerkschaften American Federation of Teachers und der National Education Association stehen. Diese haben Bidens Schulöffnungspolitik voll und ganz unterstützt. In den letzten Tagen kam es in Chicago, New York, Knox County (Tennessee) und Hawaii zu Protesten, u.a. gegen Versuche von Schulbehörden, Ausbrüche bewusst zu verheimlichen. In Georgia haben Dutzende Schulbusfahrer des Schulbezirks Savannah-Chatham County abwechselnde Sick-outs und Proteste für höhere Löhne und angemessene Corona-Schutzmaßnahmen organisiert. In Allentown (Pennsylvania) lehnten die Lehrer einen Tarifvertrag, der von einem Schlichter ausgearbeitet wurde, mit einer Mehrheit von fünf zu eins ab, weil er die Eigenbeteiligung an den Gesundheitskosten deutlich erhöht hätte.

In ihrer Eile, Kinder wieder in die Schulen zu schicken, damit ihre Eltern in den Betrieben wieder Profite für die Unternehmen erwirtschaften können, haben die Biden-Regierung und Politiker beider Parteien die Warnungen von Epidemiologen und Gesundheitsbehörden ignoriert. Der Direktor des Center for Infectious Disease Research and Policy an der University of Minnesota, Michael Osterholm, der Mitglied in Bidens Covid-19-Übergangsteam ist, verwies auf die Dominanz der ansteckenderen Delta-Variante und erklärte: „Die derzeitigen Richtlinien basieren nicht auf wissenschaftlicher Realität. Wir haben eine so dramatische Veränderung bei den Übertragungen erlebt... So etwas wie sichere Schulen mit Covid gibt es jetzt nicht.“

Die Schließung der Schulen sowie der nicht lebensnotwendigen Betriebe ist von entscheidender Bedeutung für eine Gesundheitsstrategie, um Covid-19 endgültig auszurotten. Allerdings wird diese Herangehensweise von beiden Parteien des Großkapitals und den korporatistischen Gewerkschaften abgelehnt, weil sie weiterhin Tausende Menschenleben dem Profit opfern wollen. Deshalb müssen Lehrer, Eltern und alle Arbeiter das nationale und internationale Netzwerk der Aktionskomitees in allen Schulbezirken aufbauen, um die Arbeiterklasse zu mobilisieren, Schulen zu schließen sowie die gesellschaftlichen Ressourcen von den Superreichen zurückzuholen und für qualitativ hochwertigen Distanzunterricht, Unterstützung für Schüler und Eltern und andere wichtige Bedürfnisse einzusetzen, bis die Pandemie gestoppt ist.

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