Ein offener Brief an David Gier, Dekan der University of Michigan School of Music, Theatre and Dance

Diesen offenen Brief schrieben die IYSSE an der University of Michigan am 15. Oktober an David Gier, den Dekan der School of Music, Theatre and Dance an der Universität Michigan in Ann Arbor.

Sehr geehrter Herr Dekan,

die International Youth and Students for Social Equality fordern die sofortige Wiedereinsetzung von Bright Sheng, seines Zeichens Leonard Bernstein Distinguished University Professor of Composition, als Kursleiter für Komposition für Bachelor-Studenten. Weiterhin fordern wir, dass Sie und die Universitätsverwaltung sich bei Professor Sheng entschuldigen und sich von den Verleumdungen gegen ihn, er sei „rassistisch“ oder habe sich „rassistisch“ verhalten, distanzieren.

Bright Sheng [Quelle: brightsheng.com]

Die Kampagne gegen Sheng hat nichts mit progressiver Politik zu tun, auch nicht mit der Verantwortung der Universität, ihre Studenten auszubilden.

Anlass für den Angriff der Universität Michigan auf Sheng war, dass er seinen Studenten die preisgekrönte Verfilmung von Shakespeares Othello aus dem Jahr 1965 gezeigt hatte, mit Laurence Olivier in der Hauptrolle, unter der Regie von Stuart Burge. Die obsessive Fixierung auf das Thema „Rasse“ hat das Klima an den amerikanischen Universitäten so verändert, dass es inzwischen ein Verbrechen ist, Studenten einen Film zu zeigen, in dem einer der größten Schauspieler des 20. Jahrhunderts eine Figur aus einem der größten Werke von Shakespeare darstellt. Othellos Tragödie bestand darin, dass er „nicht klug, doch zu sehr“ liebte. Für die Rassenpolizei der Universität bestand der Fehler Oliviers offenbar darin, dass er nicht klug, doch zu schwarz spielte.

Sheng wurde als Kursleiter abgesetzt, weil Studenten sich darüber beklagt hatten, dass Olivier den Othello, einen maurischen General der venezianischen Armee, schwarz geschminkt spielte. Eine der beteiligten Studentinnen sagte später gegenüber dem Michigan Daily, sie sei „erschüttert [gewesen], dass (Sheng) uns so etwas an einem Ort zeigt, der ein sicherer Ort sein soll“. Sicher wovor? Vor der emotionalen und intellektuellen Vielschichtigkeit von Shakespeares Tragödie? Vor Kultur und Denken? Wieder einmal wurden Beschwerden von wenig belesenen, falsch ausgebildeten und fehlorientierten Studenten höher bewertet als alles andere.

Auf beschämende Weise fördern Sie den reaktionären Unsinn der Studenten mit einer E-Mail an das gesamte Institut. Darin behaupten Sie, „Professor Shengs Verhalten entspricht nicht den Grundsätzen unserer Schule über antirassistisches Verhalten, Diversität, Gleichheit und Inklusion“.

Nachdem Sie Sheng gedrängt haben, als Kursleiter zurückzutreten, haben sie ihren dreisten Angriff auf die Freiheit der Lehre mit der absurden Behauptung - und einer gehörigen Portion Zynismus - gerechtfertigt, sein Rückzug würde „ein positives Lernumfeld ermöglichen“. Professor Evan Chambers, der mit der Weiterführung des Kurses seiner Karriere einen Dienst erwies, erklärte, den Film zu zeigen, sei „bereits ein rassistischer Akt, ungeachtet der Absichten des Professors“. Sie meldeten dann den „Vorfall“ dem Office of Equity, Civil Rights, and Title IX der Universität.

Das Vorgehen gegen Professor Sheng, ein international renommierter Gelehrter, stellt wohl die unrühmlichste Episode in der Geschichte der Universität dar. Sie enthüllt, wie sehr die unerbittliche Propagierung von rassefixierten Vorstellungen, denen ein wichtigtuerischer postmoderner Jargon den Anschein von Legitimität verleiht, ein durch und durch vergiftetes Klima an den Universitäten geschaffen hat.

Jede ernsthafte Untersuchung von Shakespeares Stück und der Laufbahn eines der größten Schauspieler des 20. Jahrhunderts widerlegt den Vorwurf des Rassismus gegen Olivier und die Verfilmung von 1965. Vergleiche mit schwarz geschminkten Darstellern von Afro-Amerikanern offenbaren Unwissenheit. Die Angriffe auf Oliviers Darstellung sind besonders reaktionär, wenn man bedenkt, dass er versuchte, sich von den ängstlichen, halbrassistischen Herangehensweisen an den Charakter des Othello zu distanzieren, die in den vorherigen eineinhalb Jahrhunderten vorgeherrscht hatten.

Mit seiner Darstellung Othellos als Schwarzer, als Afrikaner, erteilte er mehreren Kommentatoren eine Abfuhr, die entsetzt waren darüber, dass sich die weiße Desdemona Hals über Kopf in einen Schwarzen verliebt. In seinen Memoiren erklärt Olivier, der vorherrschende „kaffeebraune Kompromiss“ habe sich „aus dem Gefühl ergeben, dass der Mohr nicht wirklich ein edler Mohr sein könne, wenn er zu schwarz wäre und damit in zu großem Gegensatz zu den edlen Weißen stehe: ein erschütternder Fall von reinem Snobismus.“

Olivier, der alle Shakespeare-Charaktere, die er spielte, mit großer Präzision darstellte, wollte mit seinem Spiel die rassischen Konflikte und Vorurteile deutlich machen, die in dem Stück von Shakespeare eine zentrale Rolle spielen.

Unklarheiten bei den Studenten zu der Darstellungsweise hätten im Kurs selbst angesprochen und geklärt werden sollen – durch ein „positives Lernumfeld“. Stattdessen hat sich die Universitätsleitung dem Angriff auf Sheng angeschlossen.

Das Vorgehen der Universität hat weitreichende Konsequenzen. Die Kampagne gegen Sheng soll Fakultätsangehörige und Studenten einschüchtern, die sich dagegen wehren, dass Rasse und andere Elemente von Identitätspolitik benutzt werden, um die Freiheit der Lehre zu unterdrücken.

Mit den Vorwürfen gegen Sheng spielen Sie und alle, die sich an dieser Kampagne beteiligen, der extremen Rechten in die Hände, die diesen antidemokratischen Angriff bereits für ihre eigenen Zwecke ausschlachtet. Die faschistischen Kräfte um Trump nutzen die zunehmend mit rassischen Konzepten aufgeladene Politik der Demokratischen Partei, die an der Universität Michigan aggressiv propagiert wird, um sich selbst als Verteidiger der demokratischen Rechte aufzuspielen.

Professor Bright Sheng gebührt eine öffentliche Entschuldigung. Die International Youth and Students for Social Equality, die seit Jahren an der Universität aktiv sind, fordern die Universitätsverwaltung auf, sich von den Verleumdungen gegen Professor Sheng zu distanzieren und ihm anzubieten, die Kursleitung, die ihm nie hätte entzogen werden dürfen, sofort wieder zu übernehmen.

Mit freundlichen Grüßen

The International Youth and Students for Social Equality an der Universität Michigan, Ann Arbor

Leser sollten die Wiedereinsetzung von Professor Sheng fordern und eine E-Mail schicken an: dgier@umich.edu, und eine Kopie an die World Socialist Web Site, comments@wsws.org

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