Olympia-Boykott damals und heute: „Menschenrechte“ im Dienst imperialistischer Verbrechen

Am 6. Dezember kündigte die Regierung von US-Präsident Biden einen diplomatischen Boykott der Olympischen Winterspiele an, die im nächsten Februar in Peking stattfinden. Der Schritt, der mit der angeblichen Sorge der USA um die Menschenrechte der muslimischen Uiguren in der chinesischen Region Xinjiang gerechtfertigt wird, ist eine Entscheidung von atemberaubender Heuchelei.

Vorwürfe des Völkermords und der Verbrechen gegen die Menschlichkeit könnten mit viel größerer Berechtigung gegen den US-Imperialismus erhoben werden: Seine neokolonialen Kriege haben u.a. im Irak und Afghanistan zur Zerstörung ganzer Gesellschaften geführt und seine kriminelle Pandemiepolitik hat im eigenen Land mehr als 800.000 vermeidbare Todesopfer gefordert.

Die Entscheidung zum Boykott der Spiele in Peking erinnert an den Boykott der Olympischen Spiele in Moskau 1980, der von der Carter-Regierung initiiert wurde, um gegen den sowjetischen Einmarsch in Afghanistan im Dezember 1979 zu protestieren. Die unverkennbaren Parallelen gehen über den blanken Zynismus hinaus, mit dem sich Washington regelmäßig auf „Menschenrechte“ beruft, um seine Interessen durchzusetzen, und verdeutlichen die weitreichenden Ziele der Kampagne gegen China.

Ein Mann geht an den olympischen Ringen vor dem Pekinger Nationalstadium vorbei, das auch als Vogelnest bekannt ist und im Jahr 2022 ein Austragungsort der Olympischen Winterspiele sein wird (AP Photo/Mark Schiefelbein)

Doch der Boykott der Spiele in Moskau hatte nichts mit Sorge um die afghanische Bevölkerung zu tun. Er war vielmehr Teil der umfassenderen Bestrebungen der USA, die damalige Sowjetunion zu schwächen und aufzuspalten, und die Biden-Regierung versucht jetzt das Gleiche mit China.

Mittlerweile liegen der Öffentlichkeit ausreichende Beweise dafür vor, dass die Carter-Regierung von ihrer anfänglichen Eindämmungspolitik gegenüber der Sowjetunion zu einer Politik überging, mit der die Sowjetunion aufgespalten werden sollte. Unter der Federführung von Carters nationalem Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski benutzte das Weiße Haus Afghanistan – wo im März 1978 eine pro-sowjetische Regierung an die Macht gekommen war – um die Sowjetunion in den Strudel ihres „eigenen Vietnam“ zu zerren.

Brzezinski, ein antikommunistischer Hardliner und Stratege des Kalten Kriegs, war Mitglied einer Schicht von rechten Ideologen im amerikanischen Sicherheits- und Geheimdienstapparat, die den islamistischen Fundamentalismus als eine politische Kraft betrachteten, die sich gegen die Sowjetunion einsetzen ließe – vor allem in den zentralasiatischen Sowjetrepubliken und im Kaukasus. Er bewilligte die Einrichtung der Nationalities Working Group, an der u.a. Vertreter von Carters Nationalem Sicherheitsrat, der CIA, dem Pentagon und dem Außenministerium beteiligt waren. Das Ziel dieser Gruppe bestand darin, in der Sowjetunion islamistische Unruhen zu schüren.

Brzezinski betrachtete die Entstehung einer bewaffneten Widerstandsbewegung von islamistischen Fundamentalisten gegen das von der Sowjetunion unterstützte afghanische Regime der Demokratischen Volkspartei Afghanistans (DVA) in Kabul als Gelegenheit, seine strategischen Vorhaben umzusetzen. Es ist allgemein bekannt, dass die CIA unter Carter, und später unter Reagan, die Mudschaheddin-Milizen in Afghanistan für einen schmutzigen „geheimen Krieg“ finanziert, ausgebildet und mit Waffen versorgt hat.

Weniger bekannt ist, dass der US-Krieg in Afghanistan schon vor dem sowjetischen Einmarsch 1979 begann und ein wichtiger Faktor bei der Destabilisierung des Landes war. Auf diese Weise sollte die Sowjetunion zur Intervention veranlasst werden. 1998 gab Brzezinski in einem Interview mit Le Nouvel Observateur offen zu, dass die Behauptung, die CIA habe die Mudschaheddin erst seit 1980 unterstützt, eine Lüge war. Carter hatte bereits im Juli 1979 durch eine Direktive die geheime Unterstützung für die Gegner der prosowjetischen Regierung eingeleitet. Brzezinski erklärte in einem Brief an Carter: „Meiner Meinung nach wird diese Hilfe eine sowjetische Militärintervention herbeiführen.“

Die Carter-Regierung hatte trotz ihrer „Menschenrechts“-Predigten keine Hemmungen, mit der pakistanischen Diktatur von General Zia-ul Haq zusammenzuarbeiten, der eng in die Unterstützung islamistischer Rebellen in Afghanistan eingebunden war, oder mit der saudischen Monarchie, die in der Finanzierung eines Heiligen Kriegs in Afghanistan die Möglichkeit sah, die Auswirkungen der iranischen Revolution von 1979 einzudämmen. Carter ließ die Beziehungen der USA zu Zia wiederherstellen, die wegen der Hinrichtung des früheren pakistanischen Premierministers Zulfikar Ali Bhutto im April 1979 gestört waren.

In diesem Kontext kündigte Carter den Boykott der Olympischen Spiele in Moskau im Januar 1980 an, um die antisowjetische Propaganda wegen des Einmarsches in Afghanistan zu verschärfen – doch vor allem, um die politische Unterstützung für den Gotteskrieg der CIA in Zentralasien in der muslimischen Welt zu stärken. Nach acht Jahren eines brutalen Kriegs, der von der CIA mit etwa drei Milliarden Euro finanziert wurde, war ein Großteil Afghanistans zerstört und bis zum Februar 1989 hatten sich die sowjetischen Streitkräfte zurückgezogen.

Kurze Zeit später brachen die stalinistischen Regimes in Osteuropa zusammen und die Sowjetunion selbst wurde im Dezember 1991 aufgelöst. Der geheime Krieg der CIA in Afghanistan war zwar nicht der Hauptgrund für die Krise des Stalinismus, aber dennoch ein wichtiger Faktor in der Verschärfung der internen wirtschaftlichen und politischen Krise in Moskau. Die Ursache für diese Krise lag in der Unvereinbarkeit autarker nationaler Volkswirtschaften mit der sich entwickelnden Globalisierung der Produktion.

Afghanistan wurde außerdem zum Nährboden für reaktionäre islamistische Gruppierungen wie al-Qaida, die zusammen mit der CIA und den pakistanischen und saudischen Geheimdiensten islamistische Fanatiker aus der ganzen Welt nach Afghanistan schleusten.

Als Brzezinski 1998 im Interview mit Le Nouvel Observateur gefragt wurde, ob er es bereue, den Aufstieg des islamischen Fundamentalismus begünstigt zu haben, antwortete er: „Was ist wichtiger für die Weltgeschichte? Die Taliban oder der Zusammenbruch des Sowjetimperiums? Ein paar aufgemischte Muslime oder die Befreiung Mitteleuropas und das Ende des Kalten Kriegs?“

Nur drei Jahre später beging al-Qaida die Terroranschläge vom 11. September 2001, die von der Bush-Regierung als Vorwand für den „Krieg gegen den Terror“ und die verbrecherischen Kriege in Afghanistan und dem Irak benutzt wurden.

Die Hintergründe des Olympia-Boykotts in Peking

Vierzig Jahre seit Carter die Olympischen Spiele in Moskau boykottierte, nimmt der US-Imperialismus China ins Fadenkreuz, das er als die größte Bedrohung für seine globale Hegemonie ansieht. Wenn man die Entstehung von al-Qaida als Bumerang-Effekt des geheimen CIA-Kriegs in Afghanistan ansieht, dann könnte das atemberaubende Wachstum Chinas als Bumerang-Effekt von Nixons Annäherung an Mao Zedong 1972 angesehen werden, mit dem er ein antisowjetisches Bündnis aufbaute. Dies ebnete den Weg zur Wiedereinführung des Kapitalismus in China und die Verwandlung des Landes in eine riesige Billiglohnlandschaft für globale Konzerne.

Der Kurswechsel der USA von einer Kollaboration mit dem Regime der Kommunistischen Partei Chinas hin zur Konfrontation ist weit fortgeschritten. Die Biden-Regierung hat alle aggressiven diplomatischen, wirtschaftlichen und militärischen Maßnahmen gegen China verschärft, die mit dem „Pivot to Asia“ (Wende nach Asien) der Obama-Regierung begannen. Sie wurden von Biden als Vizepräsident uneingeschränkt mitgetragen und unter Trump verschärft.

Die Corona-Pandemie hat die politische und wirtschaftliche Krise in Washington ebenso stark verschärft, wie die Befürchtungen innerhalb herrschender Kreise Amerikas, dass die Zeit knapp wird. Die USA bereiten sich immer offener auf einen Krieg vor, sowohl um die Bedrohung durch China zu zerstören als auch um den immensen sozialen Druck im Inland gegen einen äußeren Feind zu lenken. Die Stärkung der Beziehungen zwischen den USA und Taiwan, die die Grundlage der diplomatischen Beziehungen zwischen Washington und Peking untergraben, ist ein eindeutiges Anzeichen dafür, dass sich die USA auf Kriegskurs befinden.

Der Boykott der Olympischen Spiele in Peking ist nur ein Element einer umfassenderen antichinesischen Strategie – er ist jedoch geprägt vom verbrecherischen Vorgehen der Vergangenheit. Es ist kein Zufall, dass der Grund für den Boykott das Zetergeschrei um die „Menschenrechte“ der muslimischen Minderheit der Uiguren in China ist. Zweifellos intrigieren die USA mithilfe der CIA und diversen uigurischen Organisationen, um Unruhen innerhalb Chinas zu schüren.

Genau wie 1979, als Carter per Direktive die Unterstützung der afghanischen Mudschaheddin anordnete, ist auch heute das volle Ausmaß der Beteiligung der USA ein wohlgehütetes Geheimnis. Bekannt ist nur, dass uigurische Exilorganisationen wie der World Uyghur Congress und die American Uyghur Association seit langem Beziehungen zu amerikanischen Propagandamedien wie der Voice of America und Radio Free Asia unterhalten und offen von der CIA-Tarnorganisation National Endowment for Democracy unterstützt werden.

Washington weist Chinas Begründung, die repressiven Maßnahmen in Xinjiang seien zur Bekämpfung von „Terrorismus“ notwendig, regelmäßig zurück. Allerdings kam es in der Vergangenheit immer wieder zu brutalen Angriffen von Uiguren auf Han-Chinesen innerhalb von Xinjiang und in anderen Teilen Chinas. Noch bis vor kurzem hat das US-Außenministerium die uigurische Islamische Turkestan-Partei (ITP) als Terrororganisation eingestuft. Bei dieser Einstufung handelte es sich ursprünglich um ein Zugeständnis der Bush-Regierung an China als Gegenleistung für dessen Unterstützung im „Krieg gegen den Terror“.

Im Nahen Osten wird die Verbindung zwischen der CIA und militanten uigurischen Islamisten noch undurchsichtiger, vor allem in Syrien, wo der „Krieg gegen den Terrorismus“ die USA nicht daran gehindert hat, al-Qaida und IS-nahe Milizen im Bürgerkrieg gegen das syrische Regime von Präsident Baschar al-Assad zu unterstützen. Zu diesen Milizen gehörten nicht wenige uigurische Kämpfer, die teilweise bereits in den islamistischen Gruppen aktiv waren, die gegen die US-Besetzung Afghanistans gekämpft hatten. Verschiedenen Schätzungen zufolge gibt es tausende ITP-Kämpfer in Syrien – rekrutiert aus der uigurischen Diaspora in der Türkei, wo die türkischsprachigen Uiguren eine gewisse politische Unterstützung genießen, vor allem von der extremen Rechten.

Es ist zwar nicht bekannt, in welchem Ausmaß die USA mit uigurischen Separatisten zusammenarbeiten, doch die Erfahrung aus dem geheimen Krieg der CIA in Afghanistan macht deutlich, dass Washington nichts ausschließt. Xinjiang ist zudem strategisch bedeutend als die westlichste Region Chinas mit beträchtlichen Energievorkommen. Sie ist ein Korridor für Öl- und Gaspipelines durch Zentralasien, die einen Teil des massiven chinesischen Infrastrukturprojekts Belt and Road Initiative (Neue Seidenstraße) bilden, mit der Asien und Europa verbunden und so die Einkreisung Chinas durch die USA bekämpft werden soll. Zweifellos rechnet Washington damit, dass die Destabilisierung Xinjiangs ein schwerer Schlag für Peking wäre.

Worin liegen die Unterschiede zwischen dem gegenwärtigen Olympia-Boykott und dem Boykott der Moskauer Spiele von 1980? Bis jetzt haben sich eine Handvoll von Washingtons engsten Verbündeten – vor allem Großbritannien, Australien und Kanada – dem Boykott angeschlossen. 1980 beteiligten sich knapp 65 Länder aus den verschiedensten Gründen nicht an den Olympischen Spielen in Moskau. Dieser Kontrast ist ein deutlicher Indikator für den historischen Niedergang der Position des US-Imperialismus und des Ausmaßes, in dem sich der Block aus dem Kalten Krieg angesichts zunehmender geopolitischer Spannungen selbst zerstritten hat.

Allerdings wäre die Annahme falsch, dass die relative Schwäche der USA sie weniger gefährlich macht. Vielmehr ist der amerikanische Imperialismus angesichts seines Niedergangs umso eher zu verzweifelten und rücksichtslosen Maßnahmen bereit. Der Boykott der Olympischen Spiele in Peking und die Lügen über den Völkermord an den Uiguren sind nur die öffentliche Fassade für die intensiven geheimen Intrigen des Weißen Hauses, des Pentagons und der CIA mit dem Ziel, China zu destabilisieren und als Gefahr auszuschalten, notfalls auch mit militärischen Mitteln.

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