Bundesgerichtshof bestätigt mildes Urteil gegen NSU-Helfer André Eminger

Der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigte am 15. Dezember das absurd milde Urteil gegen den NSU-Helfer André Eminger. Es verwarf sowohl die Revision der Bundesanwaltschaft, die ein wesentlich härteres Urteil gefordert hatte, als auch die Revision von Eminger selbst, der im Münchener NSU-Prozess wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt worden war.

Damit ist die juristische Aufarbeitung der Verbrechen des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU), der zwischen 2000 und 2007 zehn Morde, drei Anschläge und 15 Raubüberfälle verübte, endgültig abgeschlossen. Bis auf Beate Zschäpe, die zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt wurde, befinden sich alle Mittäter und Komplizen des NSU auf freiem Fuß und sind teilweise, wie Eminger selbst, weiterhin in Neonazi-Kreisen aktiv.

Abgebrannte NSU-Wohnung in Zwickau nach dem Auffliegen der Terrorzelle (Bild: Aka/CC BY-SA 2.5/Wikimedia Commons)

Der mittlerweile 42-jährige André Eminger war zusammen mit seiner Frau Susann vierzehn Jahre lang der engste Vertraute von Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, die den Kern des NSU ausmachten. Er mietete unter seinem Namen eine Wohnung für sie, machte Einkäufe, besorgte Bahncards und gab ihnen seine Krankenkassenkarte, wenn sie einen Arzt benötigten. Drei Mal mietete er für sie ein Wohnmobil, mit dem sie zu zwei Überfällen und dem Sprengstoffanschlag in der Kölner Probsteigasse fuhren. Zudem besteht der Verdacht, dass er ihnen Waffen beschafft hat.

Eminger selbst ist überzeugter Neonazi und trug dies auch während des Münchener Prozesses offen zur Schau. Er hat sich den Spruch „Die Jew die“ (Stirb, Jude, stirb) und ein SS-Symbol auf den Bauch tätowiert. Auf seinem Computer fand die Polizei ein Handbuch für den Rassenkrieg. Sein eigener Anwalt hat ihn als einen „Nationalsozialisten mit Haut und Haaren“ beschrieben. Seine rechtsradikale und faschistische Gesinnung, die der NSU mit seinen Bluttaten praktisch umsetzte, steht außer Zweifel.

Als es 2007 in der Wohnung des NSU zu einem Wasserschaden kam, gab Eminger Beate Zschäpe den Ausweis seiner Frau Susann und bestätigte ihre Identität bei der Polizeibefragung, um sie vor der Entdeckung zu schützen. Zu diesem Zeitpunkt hatte das NSU-Trio bereits neun Menschen ermordet. Noch im selben Jahr wurde die Polizistin Michèle Kiesewetter ermordet. Das Oberlandesgericht (OLG) München ordnete diesen Mord ebenfalls dem NSU zu, obwohl es daran erhebliche Zweifel gibt. Als der NSU am 4. November 2011 aufflog, verhalf André Eminger Beate Zschäpe zur Flucht, indem er sie zum Zwickauer Bahnhof fuhr und ihr Kleidungsstücke seiner Frau übergab.

Trotz seiner aktiven Unterstützung für den NSU saß Eminger nur wenige Monate in Untersuchungshaft. Nachdem ihn die Eliteeinheit GSG 9 im November 2011 festgenommen hatte, wurde er bereits im Juni 2012 wieder freigelassen. Er verkehrte danach weiterhin in der rechtsextremen Szene. Erst im September 2017 musste er wegen Fluchtgefahr wieder in Untersuchungshaft, nachdem die Bundesanwaltschaft eine zwölfjährige Haftstrafe für ihn gefordert hatte.

Während des NSU-Prozesses verprügelte Eminger einen 18-Jährigen, den er angeblich zu einer Aussprache in ein Parkhaus in Zwickau bestellt hatte, mit Fäusten gegen den Kopf und Tritten in die Rippen. Er drohte ihm mit dem Tod, sollte er seinen Sohn – mit dem er zuvor aneinandergeraten war – erneut anrühren. Das örtliche Amtsgericht verurteilte ihn deshalb zu einer Geldstrafe, die aber nicht rechtskräftig ist, da sowohl die Staatsanwaltschaft wie Eminger Berufung einlegten. Damit war Eminger nicht vorbestraft, als das OLG München 2018 das NSU-Urteil fällte, was sich zu seinem Nachteil ausgewirkt hätte.

Dass ihn das OLG München wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung lediglich zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilte, sorgte für Verwunderung und Wut. Die Bundesanwaltschaft hatte zwölf Jahre wegen Beihilfe zu Mord und Raubüberfällen gefordert. Da die Strafe zum Zeitpunkt der Verkündung bereits durch die Untersuchungshaft abgesessen war, wurde Eminger noch im Gerichtssaal unter dem Beifall zahlreicher Neonazis aus der Haft entlassen.

Der Prozess in München war vor allem durch die systematische Vertuschung der Rolle des Staates bei den NSU-Morden geprägt. Obwohl sich im Umfeld der drei Haupttäter mehrere Dutzend Spitzel und Beamte der Verfassungsschutzämter und der Polizeibehörden tummelten, blendeten die Bundesanwaltschaft und der Vorsitzende Richter Manfred Götzl in dem fünf Jahre dauernden Prozess die Rolle staatlicher V-Leute gezielt aus.

Das spiegelte sich auch im Urteil wieder. Beate Zschäpe, die einzige Überlebende der drei Haupttäter, erhielt eine lebenslange Freiheitsstrafe. Die vier Mitangeklagten, die eng mit der von V-Leuten durchsetzten Unterstützerszene verbunden sind, kamen mit einem blauen Auge davon.

Das Gericht begründete sein mildes Urteil für Eminger damit, dass er nicht gewusst habe, welche verbrecherischen Taten das von ihm unterstützte Trio beging. Obwohl Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt konspirativ im Untergrund lebten und über erhebliche Geldmittel verfügten, gelangten die Richter in der schriftlichen Urteilsbegründung zum Schluss, „dass der Angeklagte E. bei lebensnaher Betrachtung davon ausgegangen ist, die drei würden ihren Lebensunterhalt aus grundsätzlich erlaubten und nicht schwerstkriminellen Quellen bestreiten“. Man fragt sich, welche Lebensnähe das Gericht damit meint.

In Wirklichkeit wusste nicht nur Eminger, sondern ein großer Teil der Neonazi-Szene von den Aktivitäten des NSU. Das Neonazi-Fanzine „Der Weiße Wolf“ hatte sich schon 2002 beim NSU für eine Spende aus einem ihrer Raubüberfälle bedankt: „Vielen Dank an den NSU, es hat Früchte getragen ;-) Der Kampf geht weiter …“

Und die Neonaziband „Gigi & Die Braunen Stadtmusikanten“ hatte die Mordserie des NSU schon 2010 – bevor sie öffentlich bekannt wurde – auf ihrem Album „Adolf Hitler lebt!“ gefeiert. Da die von V-Leuten durchsetzte Neonazi-Szene Bescheid wusste, wussten auch die Sicherheitsbehörden Bescheid.

Mit der Bestätigung des Urteils des Oberlandesgerichts München nach über 20 Monaten Revision hat sich nun auch der Bundesgerichtshof unter dem Vorsitzenden Richter Jürgen Schäfer an der Vertuschung dieser rechten Verschwörung beteiligt. Dass dabei politische Gründe den Ausschlag gaben, zeigt ein Vergleich mit Urteilen gegen linke Demonstranten.

Während der Neonazi André Eminger für die jahrelange aktive Unterstützung einer rechtsradikalen Mörderbande eine Haftstrafe von zweieinhalb Jahren erhielt und den Gerichtssaal als freier Mann verlassen durfte, wurde der französische Jurastudent und Umweltaktivist Loïc Schneider zu drei Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt, weil er 2017 während einer Demonstration gegen den G20-Gipfel in Hamburg zwei Bierflaschen und zwei Steine in Richtung Polizei geworfen hatte.

Und Schneider war nur einer von zahlreichen Jugendlichen, die gnadenlos verfolgt wurden, weil sie von ihrem Demonstrationsrecht gegen eine Versammlung imperialistischer Gangster, darunter Donald Trump, Gebrauch gemacht hatten. Verantwortlich für den brutalen Polizeieinsatz gegen die Demonstranten und ihre anschließende Verfolgung war der damalige Erste Bürgermeister der Hansestadt und heutige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).

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