„Wie wir sehen, sind wir arbeitenden Menschen für das System entbehrlich.“

Chicago: Wut und Trauer nach dem Covid-Tod eines jungen Ford-Arbeiters

Schreibt uns, um über die Bedingungen in Eurem Betrieb zu informieren. Schickt eine E-Mail an auto@gleichheit.de. Alle Einsendungen werden anonym behandelt.

* * *

Vergangene Woche ist in Chicago der 32-jährige Ford-Arbeiters Caleb Dye an Covid-19 gestorben. Sein Tod hat bei seinen Kollegen im Ford-Montagewerk von Chicago Trauer und Wut ausgelöst. Caleb starb nach einem langen Kampf gegen das SARS-CoV-2-Virus; er hatte seit dem 10. Dezember im Krankenhaus gelegen.

Dies ist nur der jüngste tragische Todesfall durch Covid-19 in der Automobilindustrie. Weder die Autogewerkschaft United Auto Workers (UAW), noch die Autohersteller von Detroit haben eine vollständige Aufstellung der landesweiten Todesfälle und Infektionen veröffentlicht. Im Gegenteil vertuschen sie das Ausmaß der Ausbreitung systematisch. Allein die World Socialist Web Site berichtet darüber regelmäßig. Unter den jüngsten Todesfällen waren folgende Autoarbeiter:

  • Xavier Anderson, Kevin Railey und Omie Smith vom Stellantis-Stanzwerk Sterling Stamping Plant. Letzter war der fünfte Arbeiter dieses Werks im Großraum Detroit, der an Covid gestorben war.
  • Monique Bowen, eine Arbeiterin im Montagewerk Sterling Heights Assembly, sowie ihr Ehemann Anthony.
  • William Domitrovitsch Jr., Arbeiter im Mack Trucks-Werk in Macungie, Pennsylvania.
Caleb Dye (Foto: Facebook)

Auch die schiere Anzahl der Neuinfektionen gerät immer mehr außer Kontrolle. Bei Warren Truck nördlich von Detroit sind schätzungsweise 500 Arbeiter an Covid erkrankt; in Sterling Heights sind es mehr als 1.000; im Dana-Autoteilewerk in Fort Wayne, Indiana, sind es 140.

Als Antwort auf den explosionsartigen Anstieg der Infektionen in den Werken und im ganzen Land fordert das Arbeiter-Aktionskomitee, das Autoworkers Rank-and-File Safety Committee, die Schließung von Autowerken und anderen nicht-lebensnotwendigen Betrieben, bis die Pandemie ernsthaft beseitigt ist. Vom Lockdown betroffene Arbeiter müssen voll entschädigt werden. Das Aktionskomitee wurde von einfachen Arbeitern gegründet, die sich den geheimen Absprachen zwischen dem Management und den Gewerkschaften widersetzen und nicht länger akzeptieren, dass Gesundheit und Leben der Arbeiter dem Profit geopfert werden.

Auf den WSWS-Bericht über den Tod von Dye reagierten mehrere Autoarbeiter mit durchdachten Facebook-Kommentaren. Darin drückten sie nicht nur Trauer, sondern auch Wut auf die Gewerkschaften, die Autokonzerne und das Profitsystem aus. „RIP Brother! Das muss uns die Augen öffnen, wie dieses System auf eine Pandemie reagiert“, schrieb ein Arbeiter auf Facebook. „Diejenigen, die es entwickelt haben, können keine Unterbrechung der Funktion dieses Systems dulden.“

Weiter heißt es dort: „Wir leben in einer konsumorientierten Gesellschaft, und so wie die Dinge liegen, kann jeder Verlust von öffentlichen Ausgaben oder größeren Produktionsausfälle eine Kette von Ereignissen auslösen und die Profite der Reichen schmälern, die die Dinge leiten. Es ist ihr System (…) Sie haben es so eingerichtet.“

Und weiter: „Wie wir an diesem Beispiel sehen, sind wir arbeitenden Menschen für das System entbehrlich. Wir sehen, wie die Reichen und ihr System die Nicht-Reichen betrachten. Wir erleben als Verbraucher, dass man uns ermutigt, weiterhin Dinge zu kaufen, denn wenn unser Konsum wegfällt, führt das zu Verlusten bei den Unternehmensgewinnen.

Caleb Mateo Dye und seine Arbeitskollegen im ganzen Land dürfen nicht länger entbehrlich sein. Wenn so etwas wie eine weltweite Bedrohung der öffentlichen Sicherheit auftaucht, dann sollte das System die Gesellschaft schützen, anstatt sie zu opfern, indem es Profite über Menschenleben stellt. In einer Zeit, in der wir mehr Menschen verloren haben als in jedem Krieg der Geschichte, den wir je geführt haben, sollte es eine bessere Reaktion geben als die, die wir gerade erleben (…) Aber dafür kassieren die da oben das große Geld, nicht wahr?“

Ein Autoarbeiter aus dem Ford-Werk in Chicago, wo Caleb arbeitete, schrieb einen Tag, nachdem der Artikel über seinen Tod erschienen war, an den Autoworker Newsletter und beschrieb die Bedingungen im Werk. „Zwei Wochen vor Weihnachten hatte die Crew der Karosseriewerkstatt B sieben Covid-positive Personen an einer Straße. Die anderen Montagearbeiter waren alle in der Nähe und mussten weiter arbeiten, aber kein einziger UAW-Funktionär ließ sich blicken. Im Moment sind wahrscheinlich mehr als 150 Beschäftigte wegen Covid ausgefallen. Wir brauchen ein echtes Gefahrenteam, das das gesamte Werk ein paar Tage lang desinfiziert, um unsere Arbeitsumgebung für uns und unsere Familien zu Hause sicher zu machen.“

Ein anderer Kollege von Dye schrieb: „Er war ein wirklich guter Mensch; man konnte scherzen mit ihm oder sich über Comics unterhalten. Es ist unglaublich, zu denken, dass ich ihn nie wieder im Werk treffen werde.“

Ein anderer Arbeiter schrieb: „Ich arbeite in einem gewerkschaftlich organisierten Autowerk, und weder das Unternehmen noch die UAW informieren uns über die Covid-Todesfälle. Wir erhalten keine Statistik über die Anzahl unserer Mitglieder, die krank geworden oder gestorben sind. Ich glaube, die Ausrede, die sie dafür anführen, lautet Datenschutz, aber das ist meiner Meinung nach eine schlechte Ausrede.“

Ein pensionierter Arbeiter des Stellantis-Jeep-Werks in Toledo sagte dem Autoworker Newsletter: „Mit Omikron sollten sie die Werke nicht auf diese Weise laufen lassen.“ Über den jungen, verstorbenen Ford-Arbeiter sagte er: „Er war sehr jung, das ist wirklich traurig. Sogar einige Kinder von Jeep-Arbeitern sind schon ernstlich mit dem Virus erkrankt.“

Er fügte hinzu: „Die UAW-Ortsgruppe 12 bei Jeep hat seit einiger Zeit keine Sitzung mehr abgehalten. Alle lokalen und internationalen Gewerkschaften haben aufgehört, Versammlungen abzuhalten. Sie halten ihre Türen geschlossen und lassen keine Arbeiter rein, weil sie sich vor dem Virus schützen, aber diese armen Arbeiter sind gezwungen, ins Werk zu gehen.“

Loading