EU finanziert Griechenlands faschistische Antiflüchtlings-Offensive – Teil 1

Teil 2

Griechenland bewacht im Auftrag der Europäischen Union die militarisierte Grenze der „Festung Europa“, um Flüchtlinge und Migranten fernzuhalten. Die griechische Regierung erfüllt ihre Aufgabe mit grausamem Eifer, indem sie EU-finanzierte Gefangenenlager mit Hightech-Überwachungstechniken aufbaut, die den Gestank des Faschismus verbreiten.

Im Jahr 2020 bezeichnete die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Griechenland als „Schutzschild Europas“. Seit 2015 hat die EU Athen über 3,3 Milliarden Euro an direkter finanzieller Unterstützung zukommen lassen.

Im Rahmen des EU-Türkei-Deals von 2016 erhielt die Türkei 6 Milliarden Euro aus EU-Mitteln. Im Gegenzug sollten „alle neuen irregulären Migranten, die ab dem 20. März 2016 von der Türkei auf die griechischen Inseln gelangen, in die Türkei zurückgebracht werden“. Die Finanzierung dieses Abkommens lief 2019 aus, und im März 2020 erklärte die Türkei, sie werde Flüchtlinge nicht mehr daran hindern, über ihre Grenzen nach Europa zu gelangen.

Als Reaktion darauf haben die EU und Griechenland die Angriffe auf Flüchtlinge verschärft. Auf dem Festland und den griechischen Inseln richteten sie Internierungslager ein, in denen jede Facette des elenden Lebens der Inhaftierten überwacht wird.

Im September 2020 zerstörte ein Großbrand das berüchtigte Elendslager Moria auf der Insel Lesbos. Als Ersatz errichtete die griechische Regierung in Zusammenarbeit mit der EU das provisorische Flüchtlingslager Kara Tepe auf einem ehemaligen Truppenübungsplatz direkt am Meer. Die Bedingungen waren nicht nur schlechter als in Moria, sondern die Behörden nutzten auch die Gelegenheit, die „Sicherheit“ der Lager zu erhöhen, indem sie Stacheldrahtzäune, Ausgangsbeschränkungen und Drohnen zur Überwachung der Flüchtlinge einsetzten.

Menschen fliehen aus dem brennenden Flüchtlingslager Moria auf Lesbos, Griechenland, 9. September 2020 (AP Photo/Petros Giannakouris)

Im März 2021 kündigte die EU-Kommissarin für Inneres Ylva Johansson an, Griechenland 198 Millionen Euro bereitzustellen, um neue und noch repressivere permanente Lager aufzubauen. Die sogenannten Mehrzweck-Aufnahme- und Identifizierungszentren (MPRICs) sollten auf fünf Inseln in der Ostägäis und auf einer nahe der Landgrenze zur Türkei errichtet werden. Die MPRICs werden aus dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der Europäischen Kommission finanziert und sind als Ergänzung zu den mehr als 30 Lagern für inhaftierte Einwanderer gedacht, die bereits über ganz Griechenland verteilt sind.

Johansson, die in den 1980er Jahren Mitglied der stalinistischen schwedischen Linkspartei war und sich dann einen Platz in den höchsten Rängen der regierenden Sozialdemokraten verschafft hat, behauptete bei der Ankündigung der neuen Lager, dass es „keine Morias“ mehr geben werde. Bezogen auf die MPRICs versprach sie: „Das sind Einrichtungen, die nicht geschlossen sein werden. Sie werden menschlich sein und Platz für Familien und vulnerable Gruppen bieten.“

Das war eine Lüge. Die in Griechenland errichteten Lager, die von bürgerlichen Politikern in ganz Europa in höchsten Tönen gelobt werden, sind Gefängnisse, die eine totale Überwachung und Kontrolle der Inhaftierten ermöglichen.

Ende März 2021, noch vor der Eröffnung der MPRICs, erklärte der griechische Migrationsminister Notis Mitarakis, diese Lager werden „geschlossen und kontrolliert“ sein. Ein Hauptzweck sei die Erkennung vermeintlicher „Bedrohungen“ durch die inhaftierten Flüchtlinge mithilfe modernster Technologie, die von Militärs und Regimen entwickelt wurde, die auf die Unterdrückung der Bevölkerung spezialisiert sind.

Im September wurde auf der ägäischen Insel Samos, die 1,6 km vor der westtürkischen Küste liegt, das erste „Closed Controlled Access Center“ eröffnet – für 38 Millionen Euro. Das Lager bietet Platz für 3.000 Asylbewerber.

Zwei weitere Lager auf den Inseln Leros und Kos wurden im November eröffnet. Zwei noch größere Lager werden auf den Inseln Lesbos und Chios gebaut und sollen dieses Jahr eröffnet werden. Medienrecherchen zufolge liegt die geplante Baustelle auf Lesbos direkt neben einer Mülldeponie.

Vor der Eröffnung des Samos-Lagers hatte die EU ihre Position geändert. Während sie die geschlossenen Lager erst abgelehnt hatte, unterstützt sie jetzt die rigorose Antiflüchtlingspolitik der rechten griechischen Regierung unter Nea Dimokratia (ND). Bei der Einweihung erklärte die deutsche EU-Bürokratin Beate Gminder, die die „Task Force für Migrationsmanagement“ der Europäischen Kommission leitet: „Migration kann gesteuert werden, und zwar auf kontrollierte, geordnete und korrekte Weise.“

Gminder sagte weiter: „Das neue Mehrzweck-Aufnahmezentrum ist in zwei getrennte Bereiche unterteilt. Einen kontrollierten Bereich mit einem Eingangs-/Ausgangssystem, in den die Bewohner und das Personal mit einer persönlichen Zugangskarte eintreten können, wie es in vielen anderen Mitgliedstaaten der Fall ist, und einen klar abgetrennten, geschlossenen Bereich für Personen vor der Abschiebung.“

Sie fügte hinzu: „Die Kommission arbeitet gemeinsam mit dem Europäischen Unterstützungsbüro für Asylfragen und Frontex eng mit den griechischen Behörden zusammen, um die notwendigen Verbesserungen zur Straffung der Verfahren und zum Ausbau der Kapazitäten fortzusetzen, auch für die Rückführung von Personen, die kein Recht auf einen Aufenthalt in der EU haben.“

Gminder begrüßte das „neue Zentrum in Samos, das wir heute einweihen“, als „ein Paradebeispiel für einen neuen, europäischen Ansatz, da es eine bessere, kontrollierte Steuerung der Migration verspricht“.

Der Stacheldrahtzaun des Lagers auf Samos überragt die Container, in denen die Flüchtlinge untergebracht sind, 1. Oktober 2021 (AP Photo/Thanassis Stavrakis)

Die Al Jazeera-Journalistinnen Lydia Emmanouilidou und Katy Fallon berichteten im Dezember über die totale Überwachung der Lager. Das griechische Ministerium für Migration und Asyl kontrolliert die Lager per Fernüberwachung von seinen Büros aus im Hunderte Kilometer entfernten Nikea, einem Vorort Athens.

Die Journalistinnen, die bei einer Vorstellung der Operation dabei sein durften, schildern, wie sie „einen luftdichten Raum betraten, der hinter zwei verriegelten Türen lag und nur mit einem Ausweis und einem Fingerabdruckscanner zugänglich war“.

Die Wand vor ihnen war „bedeckt von einem riesigen Bildschirm. Mehr als ein Dutzend Rechtecke und Quadrate zeigen Filmmaterial aus drei [jetzt vier] Flüchtlingslagern, die bereits an das System angeschlossen sind.“

Das Überwachungssystem Centaur ist bereits in den Lagern auf Samos, Leros, Kos sowie in Malakasa auf dem Festland in Betrieb und soll in allen fast 40 Flüchtlingslagern des Landes eingeführt werden.

Einige Bildschirme „zeigen einen Basketballplatz in einem Flüchtlingslager auf der Insel Samos. Ein anderer Bildschirm zeigt den Spielplatz und ein weiterer das Innere eines Containers, in dem Menschen zusammenkommen.“

Neben den Hauptkameras „wird es auch Wärmebildkameras, Drohnen und andere Technologien geben, einschließlich Augmented-Reality-Brillen, die an Polizisten und private Sicherheitskräfte verteilt werden“.

Bei der Eröffnung am 20. September führte Minister Mitarakis die Botschafter der EU-Länder durch das Migrationskontrollzentrum.

In einem Bericht des Nachrichtensenders Omnia TV heißt es: „Auf dem Foto sind 26 Botschafter und ein Minister zu sehen, die per Videoüberwachung das Leben der Menschen im geschlossenen Internierungslager auf Samos beobachten. Wie sie schlafen, wie sie essen, sogar wie die Kinder auf dem Spielplatz spielen.“ (Hervorhebung hinzugefügt)

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Mitarakis selbst beschrieb das Treffen in einem Tweet: „Ich habe den Botschaftern der 26 EU-Mitgliedstaaten die Funktionsweise des neuen Verwaltungszentrums des Migrationsministeriums im ‚Keranis‘-Gebäude erklärt. Es ist mit der neuen Einrichtung auf Samos verbunden und wird in der nächsten Zeit auch mit den 36 Einrichtungen in ganz Griechenland verbunden sein.“

Was diese „Einrichtungen“ wirklich sind, verstehen auch die Flüchtlinge. Al Jazeera zitiert Mohammed, einen 25-jährigen Flüchtling aus Palästina, der im neuen Lager Samos lebt. Er sagt ohne Umschweife: „Es gibt keinen großen Unterschied zwischen diesem Lager und einem Gefängnis.“

Die von Stacheldraht umzäunten Lager in abgelegenen Gebieten sind weitgehend unzugänglich. Engagierte Journalisten haben ihr Bestes getan, um sie als geschlossene Einrichtungen und Gefängnisse für Flüchtlinge zu entlarven.

Der Journalist Rory O’Keeffe schrieb an Nacira Boulehouat, Referatsleiterin in der Direktion für Migration, Schutz und Visa der Europäischen Kommission, und wies auf einen Bericht der Kommission hin, in dem es heißt: „Die griechischen Behörden haben bestätigt, dass die Bewohner der neuen MPRICs nach Belieben ein- und ausgehen dürfen, während die MPRICs in vollem Einklang mit dem einschlägigen EU-Besitzstand und den Standards gebaut werden.“

Dies sei nicht wahr, antwortete O’Keeffe. „Tatsächlich hat die griechische Regierung in Medieninterviews, im Parlament und in öffentlichen Reden wiederholt erklärt, dass die Lager ‚geschlossen‘ sein werden, d.h. dass jede Bewegung in und aus den Lagern eingeschränkt wird, auch die der Männer, Frauen und Kinder, die auf der Suche nach einem sicheren Ort in die EU kommen.

Die ‚Nationale Migrationsstrategie 2020-21‘ ist ein 18-seitiges Dokument, in dem die fünf auf den Ägäischen Inseln geplanten Lager beschrieben werden. Sieben Seiten sind ‚Hintergrund‘ und erwähnen die Lager überhaupt nicht, aber auf den anderen elf Seiten verwendet das Dokument 18 Mal den Begriff ‚geschlossen‘, um die Lager zu beschreiben.“

„Geschlossene/kontrollierte Insellager“: Seite aus der „Nationalen Migrationsstrategie 2020-21“ Griechenlands

Allein die abgebildete Seite aus der Migrationsstrategie erwähnt das Wort „geschlossen“ viermal. Die Überschrift lautet: „Geschlossene/kontrollierte Insellager“, mit dem Untertitel „Kontrolle, Sicherheit, Schutz“. Weiter heißt es, die „kontrollierte Einrichtung“ sei für die „allgemeine Bevölkerung“, „schutzbedürftige Gruppen“ und „unbegleitete Minderjährige“. Die „geschlossene Einrichtung“ sei für „Neuankömmlinge“, Personen, deren Asylantrag abgelehnt wurde und die auf ihre Abschiebung in die Türkei warten, sowie Personen, die gegen die Regeln des Hafteinrichtung verstoßen haben.

O’Keeffe schrieb: „Die in der ‚Strategie‘ enthaltenen Vorschläge für die Lager umfassen Folgendes:

  • doppelte Wände in Militärqualität;
  • eingeschränkte Ein- und Ausgangszeiten (8 bis 20 Uhr: ein fragwürdiger Vorschlag. Warum sollte es den Menschen verboten werden, zu jeder Tages- und Nachtzeit ins Freie zu gehen? Mit welcher Begründung? Dies ist ein Merkmal eines geschlossenen Lagers.)
  • ein CCTV-System und Videomonitore;
  • Drohnenflüge über den Lagern;
  • kameraüberwachter Perimeteralarm;
  • Kontrollschleusen mit Metalldetektoren und Röntgengeräten;
  • ein System zur Übertragung von Lautsprecherdurchsagen;
  • ein Kontrollzentrum für die Lager am Hauptsitz des Ministeriums.

Das wird 33 Millionen Euro kosten, die die Kommission auch zu zahlen bereit ist.“

Weitere Beweise für die Gefängnisstruktur wurden in dem Rechercheprojekt „Das neue Moria“ gesammelt. Die Recherchen von Katy Fallon, Elisa Perrigueur, Franziska Grillmeier und Vera Deleja-Hotko wurden Ende Oktober in einer Sendung des Satirikers und Journalisten Jan Böhmermann im ZDF präsentiert. Das Video der Satiresendung kann hier auf der Website Das neue Moria angesehen werden.

In der Untersuchung heißt es: „Die EU finanziert nicht nur Lager, die Gefängnissen ähneln, sie macht diese auch zu einem Pilotprojekt für die Aufnahme von Asylsuchenden.“

Das Lager auf Samos verfüge über „drei Meter hohe Maschendrahtzäune, darauf NATO-Stacheldraht mit Widerhaken, Wachtürme sowie uniformiertes Sicherheitspersonal das 24 Stunden am Tag inner- und außerhalb des Lagers patrouilliert“.

Fortsetzung folgt

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