Internationale Zensurkampagne gegen staatsnahe russische Medien

In den letzten Tagen haben die Europäische Union sowie die internationalen Technologie- und Social-Media-Plattformen und Streamingdienste Zensurmaßnahmen gegen Medien mit Beziehungen zur russischen Regierung ergriffen.

Das Logo des russischen Staatssenders RT im Fenster des Moskauer Büros des Unternehmens (AP Photo Pawel Golowkin, Archiv)

Am Mittwoch setzte die EU ein Verbot der russischen Staatsmedien RT und Sputnik in Kraft, das am vorherigen Sonntag angekündigt worden war. Die Sanktionen betreffen sowohl die traditionellen Rundfunkausstrahlungen als auch die zugehörigen Online-Plattformen und Handy-Apps.

Die Medienregulierungsbehörden der EU werden das Verbot in allen 28 EU-Staaten kontrollieren, und falls Anbieter die Inhalte weiterhin teilen, drohen ihnen Geldstrafen.

RT ist ein international tätiger Fernsehsender, der von der russischen Regierung finanziert wird. Er betreibt kostenpflichtige sowie frei empfangbare Kanäle, die sich an ein Publikum außerhalb Russlands richten, darunter Online-Inhalte auf Englisch, Spanisch, Französisch, Deutsch, Arabisch und Russisch. Sputnik, früher Stimme Russlands genannt, ist eine staatliche Nachrichtenagentur und ein Radiosender.

Am Sonntag kündigte die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, an, sie werde „die Medienmaschine des Kremls in der EU verbieten. Die staatlichen Medien Russia Today und Sputnik sowie ihre Tochtergesellschaften werden nicht mehr in der Lage sein, ihre Lügen zu verbreiten, um Putins Krieg zu rechtfertigen ...“

Am Dienstag kündigte der Satellitenfernseh- und Streaming-Dienst DirecTV an, er werde RT „mit sofortiger Wirkung“ aus seiner Programmliste entfernen. Der Fernsehanbieter, der zu dem Medienkonglomerat AT&T gehört, erklärte zu der Entscheidung, der Vertrag von RT wäre im Verlauf dieses Jahres ohnehin abgelaufen, eine Verlängerung sei geprüft worden. Die Entscheidung habe den Schritt nur beschleunigt.

Am Donnerstag berichtete der Kabelsender CNN Business, RT America stelle seinen Betrieb ein und werde einen Großteil seines Personals entlassen. Laut einer Mitteilung stellte die Produktionsfirma hinter RT America den Betrieb in ihren Niederlassungen in New York, Miami, Los Angeles und Washington D.C. „aufgrund unvorhergesehener, das Geschäft störender Ereignisse“ ein.

Mischa Solodownikow, der Generaldirektor von T&R Productions, erklärte dem Personal, die Entlassungen seien dauerhaft. CNN Business erklärte, dass DirecTV, einer der zwei großen TV-Anbieter, die RT ausgestrahlt haben, das Programm einstelle, sei ein „schwerer finanzieller Schlag für den Sender.“

Auch Roku, ein Anbieter von Geräten zum Streamen von Videoinhalten, erklärte am Mittwoch, er habe RT und Sputnik weltweit aus seiner Programmliste geworfen. Zuvor waren sie nur in Europa gesperrt worden.

Ein RT-Bericht enthielt eine Erklärung der stellvertretenden Chefredakteurin Anna Belkina. Sie verurteilte die Entscheidung und erklärte, Kritiker des Kanals hätten „kein einziges Beispiel, nicht den geringsten Beweis vorgelegt, dass die Berichterstattung von RT in diesen Tagen nicht wahrheitsgemäß ist.“

Im Vorfeld der Entscheidung der EU hatte der Vizepremier der Ukraine, Michailo Fedorow, am 26. Januar auf Twitter eine Erklärung veröffentlicht, laut der er YouTube mit der Bitte kontaktiert hatte, „die russischen Propagandakanäle – wie Russia24, TASS oder RIA Nowosti – zu blockieren.“ Er behauptete, sie seien voll mit „giftigen Lügen.“

Am Dienstag sperrten auch die wichtigsten Social-Media-Plattformen YouTube, Facebook und TikTok RT und Sputnik für Europa. Google Europe, der Besitzer von YouTube, erklärte auf Twitter: „Aufgrund des anhaltenden Kriegs in der Ukraine blockieren wir ab sofort europaweit YouTube-Kanäle, die in Verbindung mit RT und Sputnik stehen.“

Facebooks Präsident für globale Angelegenheiten Nick Clegg twitterte am Montag: „Wir haben Anfragen von mehreren Regierungen und der EU erhalten, weitere Schritte hinsichtlich der russischen Staatsmedien zu unternehmen. Angesichts der derzeitigen außergewöhnlichen Lage werden wir hiermit den Zugang zu RT und Sputnik in der gesamten EU sperren.“

Laut einem Bericht der Washington Post hat Facebook am Sonntagabend berichtet, es habe eine „russische Desinformationsoperation gegen die Ukraine“ unterbrochen. Dies sei „eine der ersten offiziellen Bestätigungen einer solchen Kampagne seit dem Überfall auf die Ukraine letzte Woche“ gewesen. Zudem habe Facebook eine Hackergruppe geblockt, die „versucht hat, die Accounts von wichtigen Ukrainern zu kompromittieren.“

Apple kündigte am Dienstag an, es werde RT und Sputnik weltweit – abgesehen von Russland – aus seinem App-Store entfernen. Gleichzeitig mit diesen Zensurmaßnahmen hat Apple den Verkauf seiner Produkte durch den Apple Store in Russland eingestellt und die Zahlungen über Apple Pay und andere Services eingeschränkt.

Ein Vertreter von Apple erklärte gegenüber CNBC: „Wir haben als Reaktion auf den Überfall eine Reihe von Maßnahmen ergriffen. ... [Wir] haben sowohl den Verkehr und die Live-Ereignisse auf Apple Maps in der Ukraine deaktiviert. Hierbei handelt es sich um eine Sicherheits- und Vorsichtsmaßnahme für ukrainische Staatsbürger.“

TikTok bestätigte am Montag gegenüber der Post seine Entscheidung, die russischen Medien in der EU zu verbieten. Twitter kündigte am Montag an, es werde Tweets mit Inhalten von RT- und Sputnik-Seiten mit Warnhinweisen versehen und ihre Sichtbarkeit einschränken.

Auf Twitter wurde ein Link von RT mit einem Hinweis versehen, auf dem es heißt: „Bleiben Sie informiert: Dieser Tweet verweist auf eine Website der russischen Staatsmedien.“ Außerdem enthält er einen Link mit dem Titel „Mehr hier.“ Wer auf den Link klickt, gelangt auf eine Seite des Twitter Help Center, in dem das Unternehmen seine Haltung zur „Kennzeichnung von Regierungs- und Staatsmedien“ erklärt.

Twitter erklärte, die Hinweise würden automatisch auf Tweets mit einer URL angebracht, die von einer gekennzeichneten, den Staatsmedien nahestehenden Website erfolgen. Sie würden obendrein die Sichtbarkeit dieser Tweets reduzieren, indem sie diese den Nutzern nicht empfehlen und aus der „Top Search“-Funktion herausnehmen. Twitter erklärte außerdem, es werde in den kommenden Wochen zusätzliche staatlich finanzierte Medien aus anderen Ländern hinzufügen.

Am Dienstag erklärte die russische Dokumentarfilm-Firma Redfish, die von der Regierung unterstützt wird, ihre Seiten seien in Europa gesperrt worden. In einem Tweet erklärte die antikapitalistische Medienfirma: „YouTube hat gerade unsere Seite für Europa gesperrt. IG [Instagram] hat über unseren Account einen Shadowban verhängt, wir rechnen mit einem baldigen vollständigen Verbot auf allen Plattformen. Aber denkt daran, wie das mit dem Totalitarismus das letzte Mal in Europa ausgegangen ist.“ Bei einem Shadowban wird Content vom Nutzer einer Social-Media- oder Onlineplattform für Teile der Community gesperrt, ohne dass dies für den Nutzer selbst unmittelbar ersichtlich ist.

Es gab in letzter Zeit auch andere Fälle von Online-Zensur von linken und Antikriegs-Ansichten, u.a. die Einstellung des Spotify-Podcasts „Moment of Clarity“ von Lee Camp. Camp, der den Einmarsch des Putin-Regimes in der Ukraine mit den zahlreichen Angriffskriegen des US-Imperialismus in den letzten Jahrzehnten in Verbindung gebracht hatte, twitterte: „Mein Podcast ,Moment of Clarity‘ wurde von Spotify entfernt. Ich stelle fest: Man darf auf Spotify Inhalte gegen Frauen, Transsexuelle und Rassismus veröffentlichen, aber nichts gegen Krieg. Das ist nicht erlaubt.“

Camp twitterte außerdem: „Wenn also wieder einmal alles bis auf die Kriegspropaganda der USA aus Fernsehen und Internet verbannt ist, werden Sie sich dann sicher fühlen? Wird dann alles besser sein?“

Senator Mark R. Warner (Demokraten, Virginia) begrüßte die Entscheidung zur Sperrung russischer Medienquellen ebenfalls. Er hat die Tech-Branche seit langem unter Druck gesetzt, Medien aus dem Umfeld der russischen Regierung zu sperren, um die Zensur im Internet auszuweiten.

Warner, der Vorsitzende des Geheimdienstausschusses des Senats, lobte am Montag während einer Post-Live-Veranstaltung die Schritte, die unternommen werden, um die russischen Staatsmedien aus dem Verkehr zu ziehen. Er erklärte außerdem, der Krieg in der Ukraine zeige die Notwendigkeit weiterer Regulierungen der sozialen Netzwerke in den USA: „Wir müssen für die Zukunft einige Verkehrsregeln einführen. Egal ob im Frieden oder im Krieg: Diese Unternehmen haben beispiellose Macht.“

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