Google gibt Zensur der World Socialist Web Site zu

Der Vorstandschef des Google-Mutterkonzerns Alphabet, Sundar Pichai, gab am 28. Oktober in einer Anhörung vor dem US-Senat zu, dass seine Suchmaschine die World Socialist Web Site zensiert hat.

Bei der Anhörung vor dem Handelsausschuss des Senats wurde er von dem republikanischen Senator Mike Lee (Utah) aufgefordert, eine linke „namhafte Person oder Organisation“ zu nennen, die von Google zensiert wurde. Daraufhin nannte Pichai die WSWS.

Die Anhörung, in der die Unternehmensführer der drei Tech-Giganten – Pichai (Google), Mark Zuckerberg (Facebook) und Jack Dorsey (Twitter) – befragt wurden, war von dem republikanisch kontrollierten Ausschuss einberufen worden, um ihre völlig falsche Behauptung zu propagieren, im Vorfeld der Wahlen seien nur rechte und konservative Medien von Internet- und Social-Media-Unternehmen zensiert worden.

Während der festgelegten Fragezeit stellte Senator Lee den drei Vorstandschefs die Frage: „Ich glaube, der Trend ist eindeutig, dass Sie fast immer Personen und Gruppen zensieren – d.h. Content blockieren, Faktenchecks durchführen, vor Inhalten warnen oder Websites aus dem Verkehr ziehen – die konservativ, pro-Republikaner oder gegen Abtreibung sind. ... Können Sie mir eine bekannte Person oder Organisation mit einer linksliberalen Ideologie nennen, die Sie zensiert haben, und welche Maßnahmen Sie genau unternommen haben?“

Google-Vorstandschef Sundar Pichai am 28. Oktober bei einer Anhörung vor dem Handelsausschuss des Senats auf dem Capitol Hill(Michael Reynolds/Pool via AP)

Dorsey und Zuckerberg nannten keine Namen und erklärten, sie würden später eine Liste vorlegen. Doch als Lee die Frage an Pichai richtete, antwortete der Google-Vorstandschef: „Wir haben Moderationsrichtlinien, die wir gleichermaßen anwenden. ... Wir hatten Compliance-Probleme mit der World Socialist Review [sic], einer links orientierten Publikation.“

Pichai benutzte zwar den Namen World Socialist Review – ein gedruckter Newsletter, der im Jahr 2011 eingestellt wurde – allerdings meinte er eindeutig die World Socialist Web Site. Wenn man bei Google nach World Socialist Review sucht, findet sich die WSWS sogar in den obersten zwei Ergebnissen.

Pichai erklärte zwar nicht, was er mit „Compliance-Problemen“ meinte, doch seine Antwort an Senator Lee ist absolut eindeutig. Er gab zu, dass Google tatsächlich linke und sozialistische Publikationen zensiert, und nannte die World Socialist Web Site als Beispiel.

Pichais außergewöhnliches Eingeständnis, dass Google die Inhalte der WSWS unterdrückt, bestätigt die Kampagne gegen Internetzensur, die das Internationale Komitee der Vierten Internationale (IKVI) im Frühjahr 2017 begonnen hat.

Nachdem Google einen neuen Suchalgorithmus eingeführt hatte, berichtete die WSWS im April 2017, dass der Zugang zur WSWS und anderen linken, Antikriegs- und progressiven Seiten stark zensiert werde. Am 2. August veröffentlichte sie Daten, denen zufolge der Traffic auf 13 Websites von Google um 19 bis 67 Prozent reduziert wurde. Demnach war die World Socialist Web Site „am stärksten betroffen. Ihr Google-Suchtraffic ist um zwei Drittel gesunken.“

Die WSWS charakterisierte die Änderung der Suchalgorithmen durch Google als eine „Verschwörung ... mit der Staat und Wirtschaft demokratische Rechte drastisch beschneiden wollen“ und forderte: „Sozialistische, linke und progressive Websites müssen auf breiter Basis zusammenarbeiten, um die Öffentlichkeit und möglichst große Teile der Arbeiterklasse aufzurütteln.“

Auf diese Analyse folgte am 25. August 2017 ein offener Brief von David North, dem Vorsitzenden der internationalen Redaktion der WSWS, in dem er den Vorstand von Google und Alphabet aufforderte, ihre Internetzensur zu beenden. Er schrieb: „Wir fordern Sie und Google daher auf, die Praxis der schwarzen Liste gegenüber der WSWS ebenso einzustellen wie die Zensur von sämtlichen linken, sozialistischen, fortschrittlichen und Anti-Kriegs-Websites, die durch Ihre neuen, diskriminierenden Such-Richtlinien benachteiligt werden.“

Weiter heißt es in dem offenen Brief: „Die Zensur linker Webseiten und insbesondere der WSWS widerspiegelt die Angst davor, dass eine wirklich sozialistische Perspektive, wenn man sie zulässt, Gehör findet, in den USA und international breite Unterstützung gewinnt.“

Im Rahmen dieser Kampagne verbreitete die WSWS eine Onlinepetition, die von Tausenden Lesern in 70 Staaten und auf fünf Kontinenten unterzeichnet wurde.

Obwohl Google nie offiziell auf den offenen Brief reagiert hat, veröffentlichte die New York Times am 26. September 2017 einen Artikel von Daisuke Wakabayashi, der David North interviewteund auf die Kampagne der WSWS einging. In einem weiteren Artikel versuchte die Timesdann, die Vorwürfe der WSWS über die Google-Zensur zu diskreditieren.

Im November 2019 bestätigte das Wall Street Journal den Standpunkt der WSWS, dass Google seine Suchalgorithmen manipuliert, um Inhalte in seiner Suchmaschine zu unterdrücken. Das Journal schrieb: „Obwohl Google es öffentlich leugnet, unterhält es schwarze Listen, um bestimmte Seiten zu entfernen oder zu verhindern, dass sie bei bestimmten Suchbegriffen auftauchen.“

Am 20. Januar 2020 veröffentlichte die WSWS einen Artikel mit dem Titel „Google zensiert Artikel der World Socialist Web Site in Suchergebnissen zum 1619 Project der New York Times“. Gestützt auf unabhängige Datenanalyse zeigte sie auf, dass die anerkannten und breitgelesenen WSWS-Artikel über die Geschichtsfälschung des „1619 Project“ in der Google-Suche unterdrückt wurden.

Pichais jüngste Aussage ist bereits das zweite Mal, dass er die World Socialist Web Site bei einer Anhörung vor dem Kongress unter falschem Namen erwähnt. Am 29. Juni äußerte er sich in einer Anhörung vor dem Justizausschuss des Repräsentantenhauses mit dem Titel „Untersuchung der Dominanz von Amazon, Apple, Facebook und Google“ in ähnlicher Weise auf die Frage des republikanischen Kongressabgeordneten Greg Steube.

Als Steube behauptete, Googles Algorithmen würden ausschließlich konservative Meinungen im Internet zensieren, erklärte Pichai: „Wir erhalten durchaus Beschwerden von verschiedenen Seiten des politischen Spektrums. Zum Beispiel beschwerte sich die World Socialist Review [sic] im Januar dieses Jahres, dass ihre Seite nicht in den Suchergebnissen von Google zu finden sei. Also, wir erhalten Beschwerden, wir sehen uns die Vorgänge an, aber in der Herangehensweise an unsere Aufgaben sind wir nicht parteiisch und wir sehen unseren Anspruch langfristig darin, den Nutzern im ganzen Land unseren Dienst zur Verfügung zu stellen.“

Auch wenn er das nicht explizit erläuterte, meinte Pichai mit dieser Aussage vor dem Ausschuss eindeutig die Vorwürfe der WSWS im Januar, dass Artikel zum „1619 Project“ unterdrückt werden.

Auf dieses öffentliche Eingeständnis folgte am 31. Juli ein zweiter offener Brief von WSWS-Chefredakteur David North. Darin hieß es: „Die Tatsache, dass Sie sich in Ihrer Aussage im Kongress ausdrücklich auf die Beschwerde der WSWS bezogen haben, lässt darauf schließen, dass die Angelegenheit sehr ernst genommen wurde. Sie wurden als CEO von Googles Mutterkonzern Alphabet über die Beschwerde informiert. Auch sechs Monate, nachdem der Artikel veröffentlicht wurde, blieb er Ihnen im Gedächtnis.“

David North fragte daraufhin: „Warum wurde die World Socialist Web Site dann nie darüber informiert, dass ihre Beschwerde innerhalb des Managements von Alphabet/Google diskutiert wurde oder dass eine Untersuchung unserer Beschwerde durchgeführt wurde?“ Weder Vorstandschef Pichai noch sonst jemand aus dem Management haben je auf diese Frage oder den offenen Brief reagiert.

Es ist von großer Bedeutung, dass Google-Chef Pichai nach mehr als drei Jahren des Mauerns und der Weigerung, auf Fragen oder Forderungen zu antworten, jetzt zugibt, die Inhalte der WSWS die ganze Zeit unterdrückt zu haben. Sein Technologiekonzern kontrolliert fast 90 Prozent des weltweiten Such-Traffics.

Warum wird die WSWS von Google zensiert? Weil sie die einzige Quelle für echten Marxismus und sozialistischen Internationalismus im Internet ist und für die politische Unabhängigkeit der Arbeiterklasse und den Sturz des kapitalistischen Systems weltweit kämpft. Die globale Pandemie hat die Krise dieses Systems verschärft, und die Arbeiterklasse setzt sich zunehmend zur Wehr. Auf diese Situation hat sich die WSWS durch ihren Relaunch vorbereitet und wird nun zusehends zum Zentrum der politischen, theoretischen und kulturellen Aufklärung für Millionen Menschen weltweit, die nach einer sozialistischen Perspektive suchen.

Angesichts der Zusammenarbeit zwischen Alphabet, Google und den US-Geheimdiensten muss Pichais Aussage als Botschaft an das politische Establishment der USA – das ihn in der Angelegenheit nicht weiter befragte – verstanden werden: Die Zensur der WSWS wird in der kommenden Periode fortgesetzt und verschärft.

Es ist die Sache der internationalen Arbeiterklasse, das grundlegende demokratische Recht auf Meinungsfreiheit im Internet zu verteidigen und den Kampf für die Freilassung von WikiLeaks-Herausgeber Julian Assange und ein Ende der Internetzensur aufzunehmen.

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