Ungarn: Wahlsieg von Premier Orbán

Victor Orbán bleibt ungarischer Regierungschef. Seine Fidesz-Partei gewann am Sonntag zum vierten Mal in Folge die Parlamentswahl.

Victor Orbán (Bild: EPP/CC BY-SA 2.0/wikimedia)

Mit 53 Prozent der Stimmen schnitt Fidesz deutlich besser ab als vorausgesagt. Mit 135 von 199 Parlamentssitzen verfügt sie erneut über eine Zweidrittelmehrheit im Parlament. Das Oppositionsbündnis „Ungarn in Einheit“, ein Zusammenschluss von sechs Parteien, blieb mit 35 Prozent weit hinter den Erwartungen zurück.

Ebenfalls im Parlament vertreten ist die ultra-rechte Partei „Unsere Heimat“, die sechs Prozent der Stimmen erzielte. Ein Mandat geht an den Vertreter der deutschen Minderheit. Die Wahlbeteiligung lag mit rund 70 Prozent auf dem Niveau der letzten Wahl vor vier Jahren.

Orbán ist nicht populär. Er ist für zahllose soziale Angriffe verantwortlich und hat in den vergangenen zwölf Jahren ein autoritäres Herrschaftssystem aufgebaut, demokratische Rechte eingeschränkt und die Presse gleichgeschaltet.

Der Klassencharakter seiner Regierung zeigte sich während der Coronapandemie besonders deutlich. Seit Pandemiebeginn sind 45.510 Menschen an dem Virus gestorben. Gemessen an der Einwohnerzahl sind in der EU nur in Bulgarien mehr Tote zu verzeichnen.

Das Gesundheitssystem befindet sich in einem desaströsen Zustand. Aus diesem Grund verbot die Regierung Ärzten, Pflegekräften und anderem Klinikpersonal schon 2020, Interviews zu geben. Kritische Medien dürfen öffentliche Kliniken nicht betreten. Laut dem europäischen Index für Gesundheitssysteme (EHCI) liegt Ungarn auf Platz 33 von 35 Ländern.

Schon Anfang März hatte die Regierung sämtliche Corona-Schutzmaßnahmen aufgehoben. Gleichzeitig gab es zu keinem Zeitpunkt eine ernsthafte Impfkampagne. Ende März waren in Ungarn nur 64,2 Prozent der Bevölkerung doppelt geimpft.

Die menschenverachtende Behandlung von Flüchtlingen, die Gleichschaltung der Medien und die offene Einflussnahme auf die Justiz stießen in der Bevölkerung auf starken Widerstand. Dass Orban die Wahlen dennoch für sich entscheiden konnte, ist dem Bankrott der sogenannten Opposition geschuldet.

Das Bündnis von sechs Parteien, das von der faschistischen Jobbik-Partei über die Grünen bis zu zwei völlig diskreditierten sozialdemokratischen Parteien reicht, stimmte nur in dem Wunsch überein, Orbán loszuwerden. In vielen Fragen stand es deutlich rechts von Orbán.

Alleine die Tatsache, dass mit Peter Márki-Zay ein rechter, christlich-fundamentalistischer Provinzpolitiker als Spitzenkandidat des Bündnisses in die Wahl zog, spricht Bände. Der Bürgermeister der südostungarischen Kleinstadt Hodmezövasarhely warf der ausländerfeindlichen Fidesz vor, sie sei nur verbal gegen Migration. Er beschuldigte Orbán, der Flüchtlinge an der Grenze in Konzentrationslager sperrt, er habe durch die großzügige Vergabe von „goldenen Visa“ und Aufenthaltsbewilligungen eine effektive Kontrolle der Zuwanderung verhindert.

Während Orbán – zumindest in Worten – Distanz zu Brüssel hält, versprach das Bündnis, die Beziehungen zur Europäischen Union zu verbessern. Es kritisierte Orbán, dass seine Steuersenkungen und Wirtschaftshilfen für Unternehmen zu gering seien.

Es ist bezeichnend, dass dieses rechte Bündnis Unterstützung aus mehreren europäischen Ländern erhielt. Grüne, wie der deutsche Anton Hofreiter, haben es ausdrücklich unterstützt, obwohl im Falle eines Wahlsieges die antisemitischen und rassistischen Vertreter von Jobbik Ministerposten bekleidet hätten.

Ausschlaggebend für Orbáns deutlichen Wahlerfolg war schließlich der Ukrainekrieg. Zunächst hatte das Bündnis einen „Anti-Korruptions“-Wahlkampf gegen Orbán geführt. Mit Kriegsausbruch stellte sich Máki-Zay dann uneingeschränkt hinter die Nato und unterstützte deren aggressive Kriegspolitik.

Mitglieder des Parteienbündnisses verlangten Waffenlieferungen an die Ukraine und die Entsendung eigener Soldaten. Orbán sei „eine Schande in Europa“, weil er die Unterstützung der Nato verloren habe, ohne die Ungarn nicht geschützt werden könne. Am Schluss stellte das Bündnis seine Kampagne unter das Motto „Putin oder Europa“.

Orbán verfolgte einen doppeldeutigen Kurs. Er trug die Sanktionen der EU mit, stimmte aber nicht in deren Kriegsgeheul ein. Er vermied offene Kritik an Putin und stellte Ungarn als neutrale Kraft zwischen der EU und Russland dar. Der Opposition warf er vor, sie wolle Ungarn in den Krieg hineinziehen, während er auf Neutralität achte und das Land aus dem Krieg heraushalte.

Das brachte Fidesz mehr Stimmen ein, als ursprünglich vorausgesagt. Erhebliche Teile der Bevölkerung Ungarns lehnen, wie in anderen europäischen Ländern, sowohl die Kriegspolitik der NATO wie die Kriegspolitik Russlands ab. Orbán machte sich dies zunutze.

In Brüssel und Berlin löste Orbáns Wahlsieg Ärger aus. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gab zwei Tage nach der Wahl bekannt, die EU leite nun das lange hinausgezögerte Verfahren wegen Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit gegen das Land ein.

Die Vizepräsidentin des Europaparlaments Katarina Barley (SPD) erklärte: „Wir haben nun einen erklärten EU-Gegner, einen erklärten Putin-Freund in den Reihen des Europäischen Rates.“ Der Vorsitzende der Linksfraktion im EU-Parlament, Martin Schirdewan, ergänzte, Orbáns Wahl sei eine Ermutigung für andere autoritär orientierte Regierungschefs. „Die Widersprüche vor allem entlang der Konfliktlinie Demokratie versus Autoritarismus werden massiv zunehmen.“

Tatsächlich geht es den Vertretern des deutschen und europäischen Imperialismus nicht um die Verteidigung von Demokratie. Die Regierungen fürchten vielmehr, dass es angesichts der Zuspitzung im Ukrainekrieg auch innerhalb Europas zu heftigen Konflikten kommt.

In Serbien, wo am Sonntag ebenfalls gewählt wurde, gab es eine ähnliche Entwicklung. Der amtierende Staatspräsident Aleksandar Vucic gewann die erste Wahlrunde der Präsidentschaftswahl mit über 58 Prozent. Bei den Parlamentswahl erzielte seine Serbische Fortschrittspartei (SNS) mehr als 42 Prozent.

Vucic, der in der Vergangenheit eher als moskaufreundlich galt, hielt sich im Ukrainekonflikt mit Kritik an Russland zurück. Er lehnte nicht nur den Angriff auf die Ukraine ab, sondern auch die Kriegsdrohungen gegen Russland.

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