US-Autoarbeiter Will Lehman fordert UAW-Bürokratie heraus

In den Vereinigten Staaten kandidiert Will Lehman, ein Arbeiter bei Mack Trucks und Sozialist, für das Amt des Präsidenten der Autogewerkschaft UAW. Seine Kampagne hat das Ziel, unter Arbeitern eine Massenbewegung gegen die Gewerkschaftsbürokratie zu mobilisieren.

Auf der ganzen Welt beteiligen sich immer mehr Arbeiter an Streiks und Protesten. Sie kämpfen gegen Arbeitsplatzabbau, Lohndumping, Gesundheitsgefährdung durch Corona und durch die Kriegspolitik ausgelöste Inflation. Ihre Kämpfe stoßen jedoch rasch an Grenzen, die ihnen die Gewerkschaften setzen. Das haben in Deutschland zuletzt die Pflegekräfte der NRW-Uniklinken erlebt, als ihr zwölf Wochen langer Streik durch Verdi übel ausverkauft wurde, wie auch die Ford-Arbeiter von Saarlouis. Dort organisieren IG Metall und Betriebsrat die Stilllegung des Werks und sabotieren einen internationalen Kampf um die Arbeitsplätze.

Als Antwort auf den völligen Übergang der Gewerkschaften ins Lager des Klassengegners hat das Internationale Komitee der Vierten Internationale die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees (IWA-RFC) ins Leben gerufen. Diese baut ein Netz unabhängiger Komitees unter demokratischer Kontrolle der Arbeiter auf. Solche Aktionskomitees sind bereits in mehreren Ländern von Autoarbeitern, Lehrern, Pflegekräften, Landarbeitern, etc. gegründet worden.

Will Lehman

Will Lehman hat zusammen mit seinen Kollegen ein solches Aktionskomitee aufgebaut. Lehman ist 34 Jahre alt und arbeitet bei dem Nutzfahrzeughersteller Mack Trucks in Macungie (Pennsylvania), der heute zu Volvo gehört. Als die Volvo-Arbeiter im New River Valley (Virginia) wochenlang gegen einen miesen Tarifabschluss streikten, den die amerikanische Autogewerkschaft UAW verhandelt hatte, solidarisierten sich die Mack-Trucks-Arbeiter in Macungie mit ihnen. Im Juli 2021 gründeten sie ihr eigenes Aktionskomitee.

Das Komitee kämpfte von Anfang an auch für die Abschaffung des Zwei-Stufen-Lohnsystems und gegen den geplanten Zehn-Stunden-Tag, der mit Unterstützung der UAW eingeführt werden sollte. Als die Corona-Pandemie ausbrach, nahm das Komitee den Kampf gegen die Gleichgültigkeit und Komplizenschaft auf, mit der die UAW die Covid-19-Politik des Managements unterstützte. Mehrere Autoarbeiter, die sich im Werk angesteckt hatten, fielen dem Virus zum Opfer.

Im Juli 2022 ließ sich Lehman als Kandidat für das Amt des UAW-Präsidenten aufstellen. Diese Kampagne ist von großer Bedeutung. Im Herbst haben fast eine Million UAW-Mitglieder die Möglichkeit, einen Sozialisten zum Präsidenten der UAW zu wählen. Es ist die erste Direktwahl seit mehr als 70 Jahren.

Sie wurde möglich, weil die UAW unter die Aufsicht eines gerichtlich bestellten Beobachters gestellt wurde, und weil letztes Jahr die Arbeiter gegen entschiedenen Widerstand des UAW-Apparats mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit für direkte Wahlen votierten.

Die UAW-Bürokratie versuchte, Lehman durch Manöver und Einschüchterungsversuche von der Wahl fernzuhalten. Aber der Sozialist wandte sich an seine Kollegen in den Betrieben und sprach vor den Toren zahlreicher Autowerke mit Arbeitern, die ihre Kongressdelegierten zu seiner Nominierung aufforderten. Am 27. Juli nominierten ihn schließlich auf dem 38. Gewerkschaftstag der UAW in Detroit zwei Delegierte, ein langjähriger Fabrikarbeiter aus Detroit und ein Delegierter aus Chicago, für den Gewerkschaftsvorsitz. Damit steht er auf der offiziellen Wahlliste; mehr als zwei Nominierungen waren nicht zuläßig.

Will Lehmann, Kandidat für den UAW-Vorsitz, spricht am 25. Juli mit einem Arbeiter bei Warren Truck

Es geht Will Lehman nicht darum, die amtierenden Bürokraten durch neue Funktionäre zu ersetzen. Er wolle die UAW nicht „reformieren“, sagte er, sondern die Bürokratie stürzen. Sein Ziel sei eine Massenbewegung der Autoarbeiter, um die Bürokratie zu beseitigen und ihre Machtfülle und Ressourcen zurück in die Hände der Arbeiter zu legen. „Es wird sich erst etwas ändern“, so Will in einem Video zu seiner Kandidatur, „wenn wir uns als unabhängige Kraft in Aktionskomitees organisieren, die nicht von Bürokraten, sondern von Arbeitern gebildet und kontrolliert werden.“

Vier Kernforderungen stehen im Zentrum von Lehmans Wahlkampf für das Amt des UAW-Präsidenten:

  • Keine Reform der Bürokratie, sondern ihre Zerschlagung;
  • Abschaffung aller Gremien, in denen die UAW mit den Arbeitgebern zusammensitzt und die ihr nur dazu dienen, ihren Apparat schmieren zu lassen;
  • Uneingeschränkte Kontrolle und Autorität der Arbeiter über alle Tarifverhandlungen, Stimmauszählungen und Bestimmungen, die die Sicherheit und den Schutz am Arbeitsplatz betreffen;
  • Kampf für ein Programm, das alles enthält, was Arbeiter brauchen: massive Lohnerhöhungen, automatische Anpassung der Löhne an die rasant steigende Inflation, gleicher Lohn für gleiche Arbeit und umfassende Gesundheits- und Altersversorgung für Arbeiter und Rentner.

Lehmans Kampagne ist ein wichtiger Schritt, im Kampf gegen die Komplizenschaft der UAW mit den Konzernen und den US-Demokraten. Bezeichnenderweise hat keine einzige pseudolinke Organisation über Will Lehmans Kampagne berichtet, geschweige denn sie unterstützt. Dies trifft im besonderen Maß auf die in den US-Gewerkschaften aktive DSA (Democratic Socialists of America) zu. Der Grund für ihre Feindschaft liegt darin, dass die Pseudolinken fürchten, bei einem Erfolg von Will Lehmans Kampagne ihre Posten und Gehälter im Gewerkschaftsapparat zu verlieren.

Die Gewerkschaften in den USA stehen, wie überall auf der Welt, im Bündnis mit den Großkonzernen, für die sie den Klassenkampf unterdrücken. Aus einstigen reformistischen Arbeiterorganisationen haben sie sich in bürokratische Apparate mit mafiösen Strukturen verwandelt, die mit den Beitragsgeldern der Arbeiter ihre eigenen Spitzenfunktionäre bereichern. In den USA sind sie eng mit der Demokratischen Partei verbunden, die derzeit mit Joe Biden den Präsidenten stellt.

Die amerikanische Gewerkschaften verfügten im Jahr 2020 über ein Vermögen von 35,8 Milliarden Dollar, mehr als das Bruttoinlandsprodukt von über der Hälfte aller Länder der Erde. Allein im Jahr 2020, als Hunderttausende Arbeiter an Corona starben, steigerten die Gewerkschaften ihr Vermögen (nach Abzug der Betriebskosten) um 2,7 Milliarden Dollar. Für Streikgelder geben die amerikanischen Gewerkschaften jährlich weniger als ein halbes Prozent ihrer Einnahmen aus.

Derzeit sitzen mehrere Spitzenfunktionäre wegen Korruption im Gefängnis, weil sie Gewerkschaftsgelder missbraucht und von großen Konzernen Bestechungsgelder angenommen haben. Dafür haben sie bei Tarifverhandlungen Verträge unterschrieben, die die Lage der Arbeiter massiv verschlechtern. Während viele Arbeiter zu Hungerlöhnen arbeiten, haben die UAW-Funktionäre Millionen Dollar für Golf-Trips nach Palm Springs, teure Partys und Luxusgüter unterschlagen.

Will Lehman fordert, das Vermögen der UAW der Kontrolle des Apparats zu entziehen und es der demokratischen Kontrolle der Arbeiter zu unterstellen. Dieses Geld, so Lehman, dürfe nicht länger der Bereicherung der Bürokratie dienen, sondern müsse für den wirtschaftlichen und politischen Kampf gegen die Konzerne und für die Machtübernahme durch die Arbeiterklasse eingesetzt werden.

Will verbindet seine Kandidatur mit der Aufforderung an alle Autoarbeiter, selbst unabhängige Aktionskomitees aufzubauen. Wie er erklärt, dient der Aufbau der IWA-RFC dazu, Arbeiter auf internationaler Ebene und branchenübergreifend gegen die Profitgier der großen Konzerne zusammenzuschließen und das nationalistische Gift zu neutralisieren, das die UAW systematisch verbreitet. Damit soll erreicht werden, dass Arbeiter tatsächlich für ihre eigenen Interessen kämpfen können und sich nicht mit dem begnügen müssen, was die Konzerne und die UAW-Bürokraten für möglich halten.

Will Lehmans Kampagne ist über seine eigene Homepage zu erreichen. Sie wird von der amerikanischen Socialist Equality Party und von der World Socialist Web Site unterstützt. Zahlreiche Arbeiter haben bereits auf Wills Aufforderung reagiert, ebenfalls Aktionskomitees aufzubauen. Einen Teil dieser Korrespondenz hat die WSWS vor kurzem veröffentlicht.

Einem Arbeiter, der Will Lehman fragt, was man tun könne, antwortet er: „Ich schlage vor, dass du mitmachst und mit aufbaust. Hol dir Kollegen deines Vertrauens mit ins Boot. Ich bin kein einsamer großer Reformer. Ich wende mich an alle Arbeiter. Die Arbeiterklasse hat die Macht, monumentale Veränderungen zu bewirken, wenn wir alle beschließen, uns zu organisieren und zu kämpfen.“

Lehman setzt sich auch weiterhin für eine Pandemiepolitik ein, die die Gesundheit und das Leben der Kollegen – und nicht die Profite – ins Zentrum stellt und sich auf wissenschaftliche Erkenntnisse stützt.

Als im Stellantis-Montagewerk Sterling Heights mehrere Fälle von Affenpocken auftauchten, forderte Lehman, die Produktion sofort einzustellen. Er schrieb in einem Aufruf: „Ich fordere die sofortige Unterbrechung der gesamten Produktion, bis die Ausbreitung der Infektion isoliert und eingedämmt ist. Dabei müssen alle betroffenen Arbeiter den vollen Lohn erhalten. Die Unternehmen, die auf der Grundlage unserer Ausbeutung Rekordgewinne erzielen, können es sich leisten, die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um unsere Gesundheit und unser Leben zu schützen.“

Die Bedeutung von Will Lehmans Kampagne ist nicht auf die USA beschränkt. In Sri Lanka haben Mitglieder der Aktionskomitees der Plantagenarbeiter, der Pflegekräfte und von Lehrern, Schülern und Eltern in einer gemeinsamen Erklärung zu seiner Unterstützung aufgerufen: „Der Kampf von Genosse Lehman in den USA, einer der am weitesten entwickelten Industrienationen der Welt, ist eine starke politische Ermutigung für unseren Kampf in Südasien und innerhalb der gesamten internationalen Arbeiterklasse.“

An erster Stelle steht die Aufgabe, die von den Gewerkschaften aufgezwungene nationale Isolation zu durchbrechen. Die Aktionskomitees ermöglichen es den Arbeitern, sich offen mit Kollegen in anderen Betrieben auf der ganzen Welt auszutauschen. Im Juli nahm Will Lehman an zwei Online-Konferenzen mit Arbeitern der Ford-Werke in Chennai (Indien) und Saarlouis (Deutschland) teil. In beiden Werken kämpfen die Arbeiter gegen Massenentlassungen und Werksschließung durch den Ford-Konzern.

Diese Treffen haben deutlich gemacht, dass die Kapitalistenklasse auf der ganzen Welt die sozialen Rechte der Arbeiter – anständig bezahlte und sichere Arbeitsplätze, Gesundheitsversorgung, Renten und menschenwürdige Arbeitsbedingungen – angreifen und vernichten.

Die großen Autokonzerne – Ford, Volvo, Stellantis, VW, Toyota, usw. – verfolgen eine globale Strategie. Die Arbeiter benötigen ebenfalls eine globale Strategie, um die Angriffe zurückzuschlagen, dazu müssen sie mit den Gewerkschaften brechen. „Der bürokratische Gewerkschaftsapparat“, so Lehman, „existiert überhaupt nur, um uns zu spalten und unsere Kämpfe zu unterdrücken. Er kann nicht reformiert werden. Er muss weggefegt werden.“

Letztlich muss die Arbeiterklasse die politische Macht in die eigenen Hände nehmen und das Wirtschaftsleben nach den gesellschaftlichen Bedürfnissen statt nach Profitinteressen neu organisieren.

In seinem Statement erklärt Lehman auch, weshalb er Sozialist sei: „Arbeiter haben viele falsche Vorstellungen über den Sozialismus, weil darüber so viele Lügen in Umlauf sind. Sozialismus bedeutet eine Gesellschaft, die auf dem Prinzip der Gleichheit basiert, und in der die Produktion von den Arbeitern demokratisch kontrolliert wird, und nicht von einer elitären Schicht von Multimilliardären und Aktionären.“

Er fügt hinzu, dass Arbeiter nicht unbedingt Sozialisten sein müssen, um seine Kampagne zu unterstützen. „Wenn ihr es leid seid, ausverkauft und gespalten zu werden und gezwungen zu werden, mit jedem Tarifvertrag weitere Zugeständnisse zu akzeptieren, dann macht mit und baut diese Bewegung auf.“

Vor wenigen Tagen richtete Will Lehman einen Aufruf an alle Arbeiter, Solidarität mit den 116.000 Eisenbahnern zu üben, die im Lohnkonflikt mit den amerikanischen Bahngesellschaften stehen. In seinem Aufruf heißt es: „Eisenbahner brauchen unsere Unterstützung! Einer für alle, und alle für einen! Nur wenn wir in den USA und auf der ganzen Welt gemeinsam handeln, können wir das erkämpfen, was wir und unsere Familien benötigen und was uns zusteht.“

Will Lehmans Aufforderung, sich am Aufbau unabhängiger Aktionskomitees zu beteiligen, ist nicht auf die USA beschränkt: Schreibt uns, wenn ihr mehr über die Kampagne erfahren wollt, und registriert euch für den Aufbau von Aktionskomitees.

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