Will Lehmans Antwort an Steven Greenhouse, Moderator der UAW-Debatte, wegen Falschdarstellung seiner politischen Position

Den folgenden Brief schickte der United Auto Worker Präsidentschaftskandidat Will Lehman an Steven Greenhouse, den ehemaligen Reporter der New York Times, der die Debatte der Präsidentschaftskandidaten am Donnerstag, den 22. September, moderiert hatte.

Lehman hatte bereits in einem früheren Schreiben an Greenhouse gegen die Verfälschung seiner Haltung im Lauf der Debatte protestiert. Das Schreiben und Greenhouses Antwort sind hier weiter unten veröffentlicht.

Das vollständige Video der Debatte kann unter willforuawpresident.org/debate angesehen werden.

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Sehr geehrter Herr Greenhouse,

Ihre Antwort auf meine E-Mail wirft mehr Fragen auf, als sie beantwortet.

Erstens deuten Sie an, dass das von Ihnen verwendete Zitat trotz meiner Einwände korrekt gewesen sein könnte, und dass ich mich in jenem Meeting falsch ausgedrückt haben könnte. Um alle Zweifel daran auszuräumen, konnte ich die Audioaufzeichnung des Meetings ausfindig machen, das nicht öffentlich war. Die relevante Passage befindet sich hier.

Zweitens schreiben Sie, dass Sie beim Lesen des Artikels „den Eindruck [hatten], dass er von einem Ihrer Unterstützer geschrieben wurde“ und dass der Autor „sorgfältig darauf geachtet habe, dass die Zitate aus Ihren Äußerungen korrekt sind“.

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Um es offen zu sagen, dies ist nicht glaubwürdig. Der „Artikel“ enthält angebliche Zitate von mir, wie zum Beispiel: „Ich kandidiere für den Vorsitz der United Auto Workers Party (?)“; „Ich möchte die Belegschaft warnen (?), dass die Union der Internationalen Arbeitervertretungen (?) größere Kapazitäten entwickeln kann (?)“; und „Ich möchte den Arbeitern den Weg in die Zukunft zeigen, indem ich (?) einen globalen Kampf schicke.“ Der „Artikel“ ist gespickt mit solch unsinnigen Aussagen. Wie können Sie, der Sie dreißig Jahre lang als Journalist für die New York Times gearbeitet haben, diesen Artikel lesen und glauben, dass er von jemandem verfasst worden sei, der „sorgfältig darauf geachtet habe“, dass alles korrekt ist?

Drittens gehen Sie auf keinen der Punkte ein, die ich in Bezug auf den offensichtlichen Mangel an Glaubwürdigkeit der Sasa Times angeführt habe. Aus Ihrer Antwort geht hervor, dass Sie diese Quelle selbst herausgesucht haben und niemand anderes sie Ihnen überreicht hat. Haben Sie keine Anstrengungen unternommen, um ihre Legitimität zu prüfen? Haben Sie einen Blick auf den Link „About Page“ [„Über diese Seite“] geworfen oder nachgeforscht, wer hinter der Veröffentlichung steht? Warum haben Sie eine offensichtlich nicht glaubwürdige Quelle gewählt und nicht meine eigenen Erklärungen, meine Website oder die World Socialist Web Site, die über meine Kampagne berichtet hat?

Sie scheinen ein Zitat aus den Tiefen des Internets herausgesucht zu haben, das speziell darauf abzielt, meine Kampagne zu diskreditieren und meine Forderung nach Abschaffung der UAW-Bürokratie in einem negativen Licht darzustellen. Es ist auch offensichtlich, dass eines Ihrer Hauptkriterien für die Auswahl der Sasa Times darin bestand, dass Sie jede Erwähnung der World Socialist Web Site vermeiden wollten, die von vielen Autoarbeitern verfolgt wird, weil sie den Verrat der UAW aufdeckt. Wenn Sie nach Artikeln über meine Kampagne, einschließlich meines Treffens mit deutschen und indischen Arbeitern, gesucht hätten, wären Sie sicherlich zuerst auf Berichte der WSWS gestoßen, die meine Äußerungen genau zitiert haben. Sie hätten schnell feststellen können, dass der Sasa Times-Artikel eine entstellte, kaum verständliche Wiedergabe des WSWS-Artikels ist.

Viertens behaupten Sie, dass ich „zwei volle Minuten Zeit hatte, um auf die Frage zu antworten“, und dass Sie daher „verblüfft“ sind, dass ich von Ihnen eine Korrektur verlange. Entschuldigen Sie, Herr Greenhouse, aber Sie haben mir in der ersten an mich gerichteten Frage ein „genaues Zitat“ zugeschrieben. Dieses „exakte Zitat“ erwies sich als falsch und stammte aus einer unzulässigen Quelle. Ich musste daher die begrenzte Zeit, die mir zur Verfügung stand, damit verbringen, diesen Fehler zu klären.

Die Tatsache, dass ich in der Lage war zu antworten, ändert nichts an der Tatsache, dass Sie ein mir zugeschriebenes Zitat gelesen haben, das ich nie gesagt habe und das die Gegner meiner Kampagne verwenden werden und bereits verwenden, um mich zu diskreditieren. Die einzige Möglichkeit, dem Einhalt zu gebieten, besteht darin, eine förmliche Erklärung abzugeben, in der das Protokoll korrigiert wird.

Es steht außer Frage, dass Sie nicht zögern würden, eine solche Richtigstellung vorzunehmen, wenn Ihnen bei einer Fragestellung an Ray Curry oder Shawn Fain ein ähnlicher Fehler unterlaufen wäre. Darüber hinaus hätten Sie bei der Auswahl der Frage von vornherein mehr Verlässlichkeit walten lassen. Da ich jedoch ein einfacher Arbeiter und Gegner des Gewerkschaftsapparats bin, fühlen Sie sich nicht zu einer solchen Korrektur verpflichtet.

Schließlich sagen Sie, dass Sie als Journalist und Schriftsteller „nicht daran gewöhnt“ seien, und dass Sie sich „sehr unwohl dabei fühlen“, wenn jemand offizielle Forderungen an Sie stellt. Man sollte, so schreiben Sie, keine „unfreundlichen Forderungen“ an seine „Mitmenschen“ stellen.

Es tut mir leid, Herr Greenhouse, aber es geht hier nicht um Sie, und Sie sind auch nicht einfach nur ein Journalist und Schriftsteller. Sie wurden als Moderator der offiziellen Debatten für die Führungsämter der United Auto Workers ausgewählt, Debatten, die für den Ausgang der Wahlen und in der Tat für die Zukunft der Arbeiterbewegung in den Vereinigten Staaten entscheidend sein können. Sie, und nur Sie, waren, wie Sie betonten, für die Auswahl der Fragen und die „strikte Neutralität“ bei diesen Debatten verantwortlich. Sie haben mich in einer Weise falsch zitiert, die meinen Standpunkt verfälscht hat. Sie haben einen schweren Fehler gemacht. Und es ist Ihnen „unangenehm“, dass ich darauf bestehe, dass Sie das richtigstellen und diese Tatsache anerkennen?

Offen gesagt, scheinen Sie Ihren eigenen verletzten Gefühlen mehr Bedeutung beizumessen als der Klärung dieser Frage für die Hunderttausende von Arbeitern, die bei dieser Wahl ihre Stimme abgeben werden.

Mit freundlichen Grüßen,

Will Lehman

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Steven Greenhouses Brief an Will Lehman:

Herr Lehman,

Es tut mir leid, dass Sie sich über das von mir verwendete Zitat aus einem Artikel in der Sasa Times aufregen.

Als ich den Artikel in der Sasa Times las, hatte ich den Eindruck, dass er von einem Ihrer Unterstützer geschrieben wurde, von jemandem, der sich auskennt und darauf bedacht ist, Ihren Standpunkt in der Welt zu verbreiten – und bei den UAW-Mitgliedern, die die Sasa Times lesen könnten. Und das wiederum ließ mich vermuten, dass der Autor des Artikels ein Lehman-Unterstützer sei, der sorgfältig darauf geachtet habe, dass die Zitate aus Ihren Äußerungen korrekt sind.

Ich dachte sehr wohl, dass die langen Zitate aus dem Artikel von einer Tonaufnahme stammten. Als ich den Artikel las, kam er mir vor wie einer der vielen Artikel, die ich im Laufe der Jahre gelesen habe und die sich stark auf Tonaufnahmen stützen.

Sie schreiben, dass Sasa Times Sie im Artikel falsch zitiert. Wie ich schon sagte, glaube ich, dass sich der Sasa Times-Artikel auf eine Tonaufnahme stützte, und es ist durchaus möglich, dass Sie in Ihren Äußerungen unabsichtlich „die vollständige Abschaffung der Gewerkschaften“ forderten, obwohl Sie eigentlich „die vollständige Abschaffung der Gewerkschaftsbürokratie“ fordern wollten. Wir alle sind Menschen, wir alle irren uns, und viele von uns haben bei ihren Reden schon einmal versehentlich Wörter ausgelassen, und das könnte Ihnen hier passiert sein.

Zweitens hatten Sie zwei volle Minuten Zeit, um auf diese Frage zu antworten, und in diesen zwei Minuten haben Sie nachdrücklich dargelegt, dass Sie in diesen Äußerungen gesagt haben: „Meine Kampagne unterstützt die Forderung nach der vollständigen Abschaffung der Gewerkschaftsbürokratie“, und nicht, wie es in meiner Frage hieß: „Meine Kampagne unterstützt die Forderung nach der vollständigen Abschaffung der Gewerkschaften.“ Ich bin mir sicher, dass Ihre Antwort auf diese Frage von allen, die die Debatte live verfolgt oder aufgezeichnet haben, laut und deutlich gehört wurde.

Da Sie so nachdrücklich und ausführlich auf meine Frage geantwortet haben, ist es mir in der Tat ein Rätsel, warum Sie eine so außergewöhnliche Art der Korrektur „verlangen“.

Ich bin Journalist und Schriftsteller. Wie andere Journalisten und Schriftsteller bin ich es nicht gewohnt – und fühle mich sehr unwohl dabei –, dass Leute offizielle Forderungen an mich stellen, wie Sie es in Ihrem Brief an mich getan haben. Ich bin nicht General Motors, Ford, Mack Trucks oder ein mächtiger CEO. Wenn Sie Forderungen an sie stellen wollen, gut. In der Welt, in der ich lebe, spricht man nicht auf diese Weise – man stellt keine unfreundlichen Forderungen an seine Mitmenschen.

Mit freundlichen Grüßen,

Steven Greenhouse

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Will Lehmanns Brief an Steven Greenhouse (in Kopie an den gerichtlich bestellten Wahlaufseher)

Sehr geehrter Herr Greenhouse,

bei der Debatte um das Amt des UAW-Präsidenten am 22. September haben Sie mir eine Frage gestellt, die auf einem falschen Zitat beruhte, und mir eine Position zugeschrieben, die ich nicht vertrete. Da Tausende von UAW-Mitgliedern das Video bereits gesehen haben, fordere ich Sie auf, eine öffentliche Erklärung aufzunehmen, die der Wahlaufseher an prominenter Stelle auf der Website, auf der die Debatte zu sehen ist, platzieren kann, um die Zuschauer über Ihren Fehler zu informieren und die Aufzeichnung bis Montag, den 26. September, zu korrigieren.

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Unter Bezugnahme auf einen undatierten Artikel aus einer Web-Publikation, die Sie als „Sasa Times“ identifiziert haben, behaupteten Sie, dass ich die „vollständige Abschaffung der Gewerkschaften“ gefordert hätte.

Sie haben mich nicht gefragt, ob ich dies gesagt habe. Vielmehr haben Sie mich gebeten, auf ein Zitat zu antworten, von dem Sie betonten, es sei ein „exaktes Zitat“, das meinen Standpunkt verfälscht. Sie haben dieses verfälschte „exakte Zitat“ in Ihrer Frage zweimal wiederholt.

Im Juli habe ich an einem Treffen der Internationalen Arbeiterallianz teilgenommen, das von der Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees (IWA-RFC) veranstaltet wurde. Was ich auf diesem Meeting tatsächlich sagte, war: „Meine Kampagne unterstützt die Forderung nach der vollständigen Abschaffung der Gewerkschaftsbürokratie und der Verlagerung der Macht in die Hände der Arbeiter, die ich auffordere, betriebliche Aktionskomitees aufzubauen.“ Meine Aussagen auf dem Treffen wurden - mit dem richtigen Zitat - in einem Artikel vom 12. Juli 2022 auf der World Socialist Web Site (WSWS) veröffentlicht.

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Anstatt eine Primärquelle zu verwenden, zum Beispiel mein Wahlprogramm oder meine Website oder die WSWS, die mich korrekt zitiert hat, gingen Sie zu einer offensichtlich völlig dubiosen Publikation, der Sasa Times. Wenn man versucht, den auf dieser Website veröffentlichten Artikel aufzurufen, erhält man eine Warnung: „Diese Verbindung ist nicht sicher“, und dass „Hacker versuchen könnten, Ihre Daten zu stehlen“. Der Artikel selbst ist eine halbwegs zusammenhängende, verstümmelte Reproduktion des WSWS-Artikels, die in Teilen unverständlich ist. Außerdem hat er keine Verfasserzeile.

Eine flüchtige Untersuchung der Website zeigt, dass es sich nicht um eine seriöse Nachrichtenquelle handelt. Sie hat keine Wikipedia-Seite und wird in keiner anderen Veröffentlichung oder Quelle zitiert. Geht man auf die Seiten „About us“, bzw. „About Sasa Times“, dann erkennt man schnell, dass es sich nicht um eine zuverlässige Quelle handelt. Dort steht: „Eines der besten Dinge an Sasatimes.com ist der interaktive Teil der Website. Sie können Ihre eigenen Nachrichten erstellen, indem Sie sich einfach eine grundlegende Geschichte ausdenken und Fakten und Kommentare zum Thema hinzufügen.“

Herr Greenhouse, Sie sind ein preisgekrönter Journalist, der 30 Jahre lang für die New York Times gearbeitet hat. Sie kennen die Standards des professionellen Journalismus, die verlangen, dass man seine Quellen überprüft, ehe man ein Zitat einer Person zuordnet. Sie hätten eine einfache Google-Suche nach meinem Zitat durchführen können, um die Originalquelle in der WSWS zu finden. Sie haben die Sasa Times als legitime Nachrichtenquelle dargestellt, obwohl Sie genau wussten oder hätten wissen müssen, dass dies nicht der Fall ist.

Sie haben meine Position in der ersten Frage, die mir in der Debatte gestellt wurde, falsch zitiert und mich damit gezwungen, auf etwas zu antworten, das ich nie gesagt habe. In Ihrer Einleitung betonten Sie, dass Sie persönlich „die Entscheidung über die zu stellenden Fragen getroffen haben“. Sie haben keinem der anderen Kandidaten falsche Zitate zugeschrieben. Dies stellt Ihre Aussage in Frage, dass Sie sich in der Debatte zwischen den fünf Kandidaten an dem Abend „strikt neutral verhalten, keine Partei ergreifen und keine Präferenzen zeigen“ würden.

Ich fordere daher Folgendes: 1) dass Sie eine Erklärung aufnehmen, in der Sie die Arbeiter bis Montag über Ihren Fehler informieren und das Protokoll berichtigen; und 2) dass der gerichtlich bestellte Aufseher diese Erklärung veröffentlicht und an alle UAW-Mitglieder verschickt.

Ich danke Ihnen,

Will Lehman

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