Vereinigtes Königreich und Frankreich unterzeichnen neues repressives Abkommen zur Flüchtlingsabwehr

In einem erweiterten Abkommen haben Großbritannien und Frankreich in dieser Woche den Krieg gegen Flüchtlinge und Asylsuchende verschärft. Damit sollen Tausende von verzweifelten Menschen daran gehindert werden, den Ärmelkanal zu überqueren.

Am Montag traf sich die britische Innenministerin Suella Braverman nach monatelangen Verhandlungen mit ihrem französischen Amtskollegen Gérald Darmanin, um das Abkommen zu unterzeichnen. Die Summe, die Großbritannien jährlich ausgibt, um Flüchtlinge von der Insel fernzuhalten, erhöht sich damit von 55 auf 63 Millionen Pfund. Das Abkommen wurde nach letzten Gesprächen zwischen dem britischen Außenminister James Cleverly und seiner französischen Amtskollegin Catherine Colonna unterschriftsreif. Seit 2018 hat die britische der französischen Regierung 200 Millionen Euro dafür gezahlt, dass sie Flüchtlinge daran hindert, die britische Küste zu erreichen.

Die britische Innenministerin Suella Braverman und ihr französischer Amtskollege Gérald Darmanin beim Abschluss des neuen Abkommens zur Flüchtlingsabwehr [Photo by UK Home Office / CC BY 2.0]

Mit dem Abkommen wird eine 40-prozentige Aufstockung der Zahl an Beamten (von 200 auf 300) finanziert, die an französischen Stränden patrouillieren, sowie der verstärkte Einsatz von Hightech-Ausrüstung wie Drohnen und Nachtsichtkameras. Das britische Innenministerium erklärte, es werde weitere Investitionen in „modernste Überwachungstechnik“ finanzieren, darunter „Drohen, Spürhunde, Überwachungskameras und Hubschrauber, um Grenzübertritte zu entdecken und zu verhindern“.

In der Erklärung heißt es großspurig: „Das Abkommen bedeutet, dass britische Spezialisten zum ersten Mal mit ihren französischen Kollegen [in den französischen Kontrollräumen] eingesetzt werden. Das wird den Austausch von Informationen und das Verständnis der Bedrohung verbessern und gewährleisten, dass britische Expertise das Herzstück der Bemühungen bildet, Grenzübertritte zu verhindern und gegen Schleuser vorzugehen. Diese besser integrierte Herangehensweise wird auch eine verstärkte operative Zusammenarbeit umfassen, darunter britisch-französische Analyseteams, die die Koordinierung und den Austausch von Informationen mit den französischen Kommandozentralen unterstützen.“

Weiter heißt es, um „von weiteren Überquerungen abzuschrecken“ werde Großbritannien „Aufnahme- und Abschiebezentren für Migranten in Frankreich unterstützen, deren Einreise nach Großbritannien verhindert wird“.

Die zusätzlichen Finanzmittel und Maßnahmen, die die demokratischen Rechte von Asylsuchenden abschaffen, werden eingeführt, obwohl der bestehende Unterdrückungsapparat bereits „mehr als 30.000 illegale Grenzübertritte seit Anfang des Jahres verhindert hat – über 50 Prozent mehr als zum selben Zeitpunkt des letzten Jahres“, heißt es in der Erklärung des britischen Innenministeriums.

Die künftige Unterdrückung soll auch die übrigen Zehntausenden aufhalten, die die gefährliche Überfahrt wagen. Bisher sind in Großbritannien dieses Jahr nur 40.000 Flüchtlinge angekommen, obwohl Millionen aus ihren Heimatländern fliehen, die von imperialistischen Kriegen und Stellvertreterkriegen zerstört wurden.

Ehe die Flüchtlinge auch nur die französische Küste erreichen, von wo aus sie die Überfahrt wagen, müssen sie eine beschwerliche Reise auf sich nehmen und mehrere Grenzen passieren. Viele derjenigen, die in Großbritannien ankommen, stammen aus Afghanistan, dem Irak und Syrien. Doch auch der Nato-Stellvertreterkrieg in der Ukraine hat weitere Millionen Menschen in die Flucht getrieben.

Genau wie im Mittelmeer und in der Ägäis, wo eine wachsende Zahl an Geflüchteten die Flucht nicht überlebt, so ertrinken auch viele bei dem Versuch, nach Großbritannien zu gelangen. Am 24. November jährt sich zum ersten Mal der grauenhafte Tod von 27 Flüchtlingen, deren Schlauchboot im Ärmelkanal kenterte. Es gab nur zwei gerettete Überlebende, ein weiterer wird noch vermisst und ist vermutlich gestorben.

Die Krise der britischen Bourgeoisie hat seit 2016 schon fünf Premierminister (alleine drei davon im Jahr 2022) und sechs Innenminister erfordert. Dennoch ist die zunehmend bösartige Flüchtlingshetze eine bleibende Konstante.

In Großbritannien bezeichnen rechte Politiker die Ankunft von einigen tausend Flüchtlingen pro Jahr oft als „Invasion“, und fremdenfeindliche Medien fordern ein härteres Durchgreifen. Damit wird eine Atmosphäre erzeugt, die faschistische Angriffe auf Asylsuchende begünstigt. Letzten Monat verübte ein Faschist einen Anschlag auf das Western-Jet-Foil-Aufnahmezentrum für Flüchtlinge in Dover. Er warf drei Brandbomben und tötete anschließend sich selbst.

Zwei Tage vor der Unterzeichnung des neuen Abkommens zeigte die französische Bereitschaftspolizei auf brutale Weise, was Asylsuchenden bevorsteht. Am Samstagmorgen griff sie am Strand von Gravelines Flüchtlinge mit CS-Spray an. Zuvor hatte die Polizei bereits mehrere Gummiboote zerstört, die für die Kanalüberquerung vorbereitet wurden.

Nach der Unterzeichnung des Abkommens kamen aus den herrschenden Kreisen und den rechten Medien in Großbritannien und Frankreich sofort Klagen, es sei noch nicht hart genug und hindere Flüchtlinge nicht daran, nach Großbritannien zu kommen.

Darmanin erklärte gegenüber der Zeitung Voix du Nord, das britische Arbeitsrecht müsse weiter verschärft werden: „[Die Briten] müssen zuallererst ihr Arbeitsrecht ändern, denn im Vereinigten Königreich kann man ohne Papiere arbeiten ... Sie brauchen eine normalisierte Beziehung zur Europäischen Union, einen Vertrag, der die Einreisebestimmungen für Einwanderer festlegt.“

Letztes Jahr hatte sich Darmanin, der mit der rechtsextremen Action-française-Bewegung sympathisiert, für ein Separatismus-Gesetz eingesetzt, das muslimischen Organisationen in Frankreich drakonische Beschränkungen auferlegt. Diesen Monat kündigte er Pläne für ein umfassendes neues Gesetz für nächstes Jahr an, das das Recht auf Asyl einschränkt. Es erlaubt Immigranten zwar den Aufenthalt in Frankreich, wenn sie in „angespannten Branchen“ arbeiten, in denen es nicht genügend Arbeitskräfte gibt. Vor allem wird es aber die schnelle Ausweisung von Asylsuchenden ermöglichen und ihr Recht auf Einspruch gegen Ausweisungen drastisch einschränken.

Die Financial Times wies auf die Bedenken „britischer Gewerkschaften, Politiker und Migrationsexperten“ hin, weil „das Abkommen keine Bestimmungen über die Rückführung von Migranten enthält, die Großbritannien erreichen, oder über die Behandlung derjenigen, die in der Hoffnung auf eine Überfahrt zur französischen Küste reisen“.

Die Tory-Abgeordnete Natalie Elphicke aus Dover verurteilte das Abkommen mit den Worten: „Wir brauchen einen grundlegenden Kurswechsel bei den gemeinsamen Grenzpatrouillen und einer gemeinsamen Sicherheitszone um den gesamten Ärmelkanal. Nur wenn Migranten und Schleuser gleichermaßen wissen, dass es ihnen nicht gelingt, in einem kleinen Boot über den Kanal zu kommen, wird diese Krise ein Ende haben.“

Der Widerstand der Gewerkschaften gegen das Abkommen war vom Grundsatz her ebenso rechts. Kevin Mills, ein Vertreter der Public and Commercial Service Union, der für das Personal der Border Force in Kent zuständig ist, klagte: „Dieses Abkommen reicht nicht aus, und die fehlenden Details sind aufschlussreich. Wenn man heute Tausende stoppt und die meisten davon gehen lässt, wie viele werden es dann morgen wieder versuchen?“

Die Labour Party befürwortet die Abschottung der britischen Grenzen gegen „illegale Immigration“. Der Parteivorsitzende Sir Keir Starmer erklärte, das Abkommen sei ein „Schritt in die richtige Richtung“. Schatten-Einwanderungsminister Stephen Kinnock, der Sohn des früheren Parteichefs Neil Kinnock, forderte das Vereinigte Königreich auf, Ausweise einzuführen, um „der Öffentlichkeit zu versichern, dass wir unsere Grenzen unter Kontrolle haben“.

Die britische Regierung ist nach wie vor entschlossen, Flüchtlinge, die es über den Ärmelkanal geschafft haben, in das 6400 Kilometer entfernte Ruanda zu schicken. Den ersten Versuch unternahm sie im Juni, musste ihn jedoch einstellen, nachdem im Auftrag der Asylsuchenden, die bereits im startbereiten Flugzeug saßen, Einspruch erhoben wurde. Das Innenministerium verweist in seiner Erklärung zum Abkommen mit Frankreich auf „unsere weltweit führende Partnerschaft mit Ruanda, die es uns erlaubt, Flüchtlinge, die diese unnötigen Reisen unternehmen, dort hin zurückzuschicken“.

Laut dem rechtsgerichteten Daily Express will die Regierung ähnliche Partnerschaften mit anderen Ländern abschließen, u.a. mit Paraguay, das tausende Kilometer entfernt in Südamerika liegt.

Die brutale Behandlung von Asylsuchenden, die unter entsetzlichen Bedingungen festgehalten werden, während sie auf das Ergebnis ihres Verfahrens warten, soll weiter verschärft werden. Einwanderungsminister Robert Jenrick schilderte im Sunday Telegraph einen „Zehn-Punkte-Plan, um für Migranten das ,Hotel Großbritannien‘ zu schließen“. Er bezeichnete es als „inakzeptabel“, dass Asylsuchende für insgesamt 5,6 Millionen Pfund pro Tag in Hotels einquartiert werden. Dies würde Wirtschaftsflüchtlinge, die Großbritannien als „Ziel ihrer Wahl“ betrachten, zum „Asyl-Tourismus“ animieren. Jenrick erklärte: „Das ,Hotel Großbritannien‘ muss geschlossen und durch einfache, funktionelle Unterkünfte ersetzt werden, die keinen zusätzlichen Anreiz schaffen.“

Die Zeitung berichtete: „Es wird davon ausgegangen, dass die Minister nach größeren und weniger luxuriösen Standorten Ausschau halten müssen, beispielsweise nicht mehr benutzte Studenteneinrichtungen, geschlossene oder unterdurchschnittlich gut besuchte Ferienparks und möglicherweise preiswerte Kreuzfahrtschiffe, wie sie von der schottischen Regierung für ukrainische Flüchtlinge genutzt werden.“

Die Arbeiterklasse in Großbritannien, Frankreich und ganz Europa muss die Hetzkampagne gegen Millionen verzweifelter Menschen ablehnen. Die Geschichte zeigt, dass auf Angriffe auf die demokratischen Rechte von Immigranten immer eine Offensive gegen alle Arbeiter folgt. Deshalb wurde das autoritäre Gesetz „Nationality and Borders Act“ gemeinsam mit dem ebenso drakonischen „Police, Crime, Sentencing and Courts Act“ und dem bald in Kraft tretenden „Public Order Bill“ verabschiedet.

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