Imperialistische Mächte erhöhen angesichts anhaltender Proteste den Druck auf den Iran

Die Proteste in ganz Iran, die nach dem Tod der 22-jährigen Mahsa Amini am 16. September unter der Parole „Frauen, Leben, Freiheit“ begannen, dauern weiter an. Amini war vor ihrem Tod in Teheran von der Sittenpolizei verhaftet worden, weil sie ihren Hidschab „unangemessen“ trug.

Besonders weit verbreitet sind die Proteste in der nordwestlichen Provinz Kurdistan, aus der Amini stammte.

Sie wurden befeuert von der Wut der Bevölkerung über die schrecklichen sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen im Land, die größtenteils auf das brutale Sanktionsregime der imperialistischen Mächte zurückgehen. Letzte Woche fiel der iranische Rial auf den bisher niedrigsten Stand gegenüber dem Dollar, und die Inflation liegt bei 42 Prozent.

Proteste im Iran am 20. September nach dem Tod der 22-jährigen Mahsa Amini, die zuvor in Teheran von der Sittenpolizei verhaftet worden war [AP Photo/Middle East Images, File]

Die iranischen Ölexporte sind stark zurückgegangen, wodurch die wichtigste Einkommensquelle des Landes weggebrochen ist. Laut dem Arbeitsministerium leben 30 Millionen der 84 Millionen Einwohner des Landes in „absoluter Armut“, während ein Bericht der iranischen Labour News Agency behauptet, dass 70 Prozent, bzw. 59 Millionen, unter der Armutsgrenze leben.

Die Demonstrationen und Kundgebungen gegen die Regierungen wurden trotz Einschüchterung, Massenverhaftungen und dem Einsatz tödlicher Gewalt fortgesetzt. Doch da die weitgehend führerlose Bewegung aus Studenten und Schülern keinen Appell an die iranische Arbeiterklasse in der petrochemischen Industrie und den verarbeitenden Branchen gerichtet hat, erhielt sie von den Arbeitern, den Basarhändlern und Kaufleuten wenig aktive Unterstützung.

Die Financial Times schrieb am Montag in einem Artikel, der die Bewegung mit den Massenprotesten verglich, die 1979 den Schah zu Fall brachten: „Diesmal haben die Demonstranten alle Gruppen – die Händler auf den Basaren, die Lehrer und Arbeiter der Ölbranche – zu Streiks aufgerufen. Dabei hofften sie darauf, dass dies die jüngsten Unruhen in eine Revolution verwandeln und zur Ablösung der Theokratie durch eine moderne, säkulare Regierung führen würde. Doch die Arbeiter haben verhalten reagiert.“ In einem Leitartikel des Guardian hieß es: „Es gibt auch keine Anzeichen für eine Spaltung an der Spitze als Reaktion auf den wachsenden Druck der Straße.“

Als Reaktion auf die Demonstrationen der Beschäftigten im Gesundheits- und Bildungswesen und der Rentner erhöhte die Regierung von Präsident Ebrahim Raisi in ihrem Etat vom März die Gehälter im öffentlichen Dienst, einschließlich der Beamten und Soldaten, um 20 Prozent. Der Mindestlohn wurde um 60 Prozent, die Zuwendungen an behinderte Veteranen des Kriegs gegen den Irak von 1980–88 um 25 Prozent und die Renten um 20 Prozent erhöht. Staatsnahe Wohltätigkeitsorganisationen erhöhten die monatlichen Zuwendungen an arme Familien um 30 Prozent.

Fakten über die Proteste sind nur schwer zu bekommen, und die vorhandenen Informationen sind hochgradig politisiert. Seit September wurden mehr als 400 Demonstranten getötet, darunter 47 Kinder. Diese Zahlen stammen von der kurdisch-iranischen Menschenrechtsgruppe Hengaw, deren Sitz sich in Norwegen befindet, und der iranischen Menschenrechtsorganisation HRA. Die HRA wird von der amerikanischen National Endowment for Democracy unterstützt, die wiederum direkt von der US-Regierung finanziert wird. Keine dieser Zahlen lässt sich unabhängig überprüfen.

Die iranischen Behörden gaben zwar zu, dass es Dutzende Tote gab, bestritten aber diese Zahlen und erklärten, bei den Protesten seien „ungefähr 60“ Angehörige der Sicherheitskräfte getötet worden.

Nach Angaben der Vereinten Nationen wurden etwa 15.000 Menschen verhaftet, und alleine in der Provinz Teheran wurden mehr als 1.000 Verfahren eingeleitet. Obwohl etwa 277 Abgeordnete des iranischen Parlaments die Justiz in einem offenen Brief aufgefordert haben sollen, gegenüber den Demonstranten „keine Nachsicht“ zu zeigen, haben einige von ihnen behauptet, sie unterstützten diese Erklärung nicht, und der Brief sei eine „Fälschung“.

Der kanadische Premierminister Justin Trudeau griff dies auf und bekundete in einem Tweet, den er später löschte, seine Solidarität mit den Protesten. Er behauptete wahrheitswidrig, das Regime habe fast 15.000 Menschen zum Tode verurteilt, was er verurteilte.

Das Regime hat erklärt, „ausländische Gegner“, vor allem die USA und Israel, hätten die Proteste angezettelt. Weiter behauptet es, Washington und seine Verbündeten würden die Demonstranten über ihre regionalen Verbündeten, darunter die irakischen Kurden, unterstützen und mit Waffen versorgen. Teheran hat eine Reihe von Angriffen auf regimefeindliche kurdische Gruppen im kurdisch kontrollierten Nordirak durchgeführt, die angeblich die Demonstranten in den nordwestiranischen Kurdengebieten unterstützt haben, wo es zu den größten Protesten kam.

Am Dienstag kündigte die Regierung an, 40 ausländische Staatsbürger seien wegen ihrer Beteiligung an den Unruhen verhaftet worden. Im September hatte sie bereits erklärt, neun Europäer seien wegen ihrer Beteiligung verhaftet worden.

Die Behörden haben auch im Ausland ansässige farsi-sprachige Sender, wie BBC Persian und den Londoner Sender Iran International, der von Saudi-Arabien finanziert wird, für das „Schüren von Unruhen“ verantwortlich gemacht und die Medien und sozialen Netzwerke des Landes unter strenge staatliche Kontrolle gestellt.

Washington, London, Paris, Ottawa, Berlin und die anderen Großmächte haben die Proteste tatsächlich als Vorwand benutzt, um gegen das Teheraner Regime vorzugehen und möglicherweise einen Regimewechsel zur Durchsetzung ihrer geostrategischen Interessen zu orchestrieren.

Sie haben betont, die Unruhen im Iran würden es schwieriger oder sogar unmöglich machen, eine Einigung über die ins Stocken geratenen Verhandlungen in Wien über das Atomabkommen von 2015 zu erzielen. Gleichzeitig verweisen sie auf die Ankündigung des Iran, Uran bis auf 60 Prozent anzureichern, obwohl ihm nur eine Anreicherung um bis zu 3,67 Prozent erlaubt ist. Dies liegt jedoch noch immer deutlich unter dem für militärische Zwecke mindestens benötigten Wert von 90 Prozent Anreicherung.

US-Präsident Joe Biden versprach Anfang des Monats bei einer Wahlkampfveranstaltung, er werde „den Iran befreien“ und fügte hinzu, die Demonstranten würden sich „sehr bald selbst befreien.“ Vertreter seiner Regierung haben diese Aussagen zurückgenommen. Seinen Äußerungen gingen militärische Drohungen und Aktionen voraus, u.a. seine Bestrebungen, ein Bündnis aus den Golfstaaten, Ägypten, Marokko, Jordanien und Israel gegen den Iran zusammenzustellen.

Washingtons Kettenhund, Tel Aviv, hat seine aggressiven Luftschläge gegen iranische Ziele in Syrien, dem Persischen Golf und im östlichen Mittelmeer ausgeweitet und gleichzeitig Sabotageakte im Inneren des Iran verübt.

Deutschland und Island haben am Donnerstag mit Unterstützung von weiteren 44 Staaten eine Sondersitzung des UN-Menschenrechtsrats einberufen, bei der es um die „zunehmend schlechtere Menschenrechtslage“ im Iran ging. Das Treffen dient den imperialistischen Mächten als Deckmantel, um zusätzliche Sanktionen gegen iranische Regierungsvertreter und Institutionen zu verhängen.

Schon seit Juni, vor den jüngsten Protesten, hat die Biden-Regierung mehrere Sanktionspakete gegen den Iran verhängt, die sich gegen die Kommandeure der Revolutionsgarde, die Sittenpolizei, die Strafverfolgungsbehörden, Gefängnisse, einen Provinzgouverneur und andere iranische Regierungsvertreter richten, die an der Unterdrückung der Proteste beteiligt sind. Unter anderem wurden ihre Konten eingefroren und Einreiseverbote verhängt. Kanada und die Europäische Union sind diesem Beispiel gefolgt.

Der französische Präsident Emmanuel Macron tat sich besonders lautstark hervor; am 14. November traf er sich in Frankreich mit iranischen Aktivistinnen. Er bezeichnete als erster westlicher Staatschef die Proteste als „Revolution“, ähnlich wie es bei den Protesten in Libyen und Syrien im Jahr 2011 geschah, bevor der Westen dort militärisch intervenierte. Beim G20-Gipfel in Bali warf er dem Iran wegen der „willkürlichen Inhaftierung“ von mindestens sieben französischen Staatsbürgern, darunter Geheimdienstoffizieren, zunehmende Aggression gegen Frankreich und die Destabilisierung der Region durch Angriffe auf das irakische Kurdistan vor. Er deutete an, er könne die EU auffordern, die iranischen Revolutionsgarden als Terrororganisation einzustufen.

Der britische Außenminister James Cleverly warf dem Iran während einer Sicherheitskonferenz in Bahrain vor, er würde „Blutvergießen und Zerstörung“ verbreiten. Damit meinte er die iranischen Drohnen, die Moskau für den Krieg in der Ukraine geliefert wurden und die laut der Nato bei Angriffen auf wichtige Infrastruktur zum Einsatz kamen. Teheran erwiderte darauf, diese Drohnen seien schon vor Moskaus Überfall im Februar geliefert worden. Cleverly erklärte außerdem, die Royal Navy habe dieses Jahr zweimal Raketen beschlagnahmt, die aus dem Iran geschmuggelt worden seien.

Letzte Woche behauptete Ken McCallum, der Leiter des britischen Geheimdienstes MI5, iranische Agenten würden gegen Zielpersonen im Vereinigten Königreich vorgehen. Er erklärte, es habe seit Januar mindestens zehn Drohungen gegeben, Menschen in Großbritannien oder dem Vereinigten Königreich, die als Feinde des Regimes eingestuft werden, zu entführen oder sogar zu töten. Am Samstag berichtete die Times, die Londoner Metropolitan Police habe Einsatzfahrzeuge mit Bewaffneten vor der Zentrale von Iran International stationiert, nachdem Teheran Drohungen gegen dessen Journalisten ausgesprochen hatte.

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