Sozialistischer Kandidat Will Lehman gewinnt bei UAW-Wahl trotz Wahlunterdrückung tausende Stimmen

Die ersten Ergebnisse der ersten Direktwahl in der Geschichte der United Auto Workers zeigen eine große Unterstützung für den sozialistischen Kandidaten Will Lehman. Sie zeigen jedoch auch eine weit verbreitete Unterdrückung von Stimmen und eine Entfremdung der Basis vom UAW-Apparat, die sich in der miserablen Wahlbeteiligung von 10 Prozent widerspiegeln.

Nach der Auszählung von einem Drittel der Stimmen sind die beiden Hauptkandidaten der UAW-Bürokratie – der amtierende Präsident Ray Curry und der langjährige UAW-Vorstandsfunktionär Shawn Fain – weit davon entfernt, die Mehrheit der Stimmen zu erlangen. Inoffiziellen Auszählungen zufolge haben sie 13.132 bzw. 14.458 Stimmen (36 bzw. 39 Prozent) erhalten. Bleiben diese Prozentsätze bestehen, bedeutet dies, dass jeder der beiden Hauptkandidaten trotz seines Zugangs zum gewaltigen UAW-Apparat die Unterstützung von weniger als 3 Prozent der rund 1 Million Wahlberechtigten erhalten hat. Wenn keiner der beiden Kandidaten die Mehrheit erhält, kommt es zu einer Stichwahl.

Bislang sind die Stimmen aus der Region 9 (Pennsylvania, Upstate New York und New Jersey), der Region 1A (Ost-Michigan und Teile der Metro Detroit), der Region 2B (Indiana und Ohio) und Teilen der Region 9A (New York und Massachusetts) ausgezählt worden. In jeder einzelnen Gemeinde liegt die Wahlbeteiligung bei etwa 10 Prozent der wahlberechtigten Mitglieder oder darunter. Insgesamt gingen bei den Wahlleitern nur 106.790 Stimmzettel ein, obwohl die tatsächliche Zahl der abgegebenen Stimmen niedriger ist, da viele Stimmzettel für ungültig erklärt oder mit der schriftlichen Mitteilung zurückgeschickt wurden, dass der Wähler entweder tot ist oder die UAW vor Jahren verlassen hat.

Gegenwärtig hat der Basiskandidat Will Lehman 2.220 Stimmen erhalten, was 4,8 Prozent aller abgegebenen Stimmen entspricht. Jede für Lehman abgegebene Stimme ist eine bewusste Entscheidung, seine Forderung nach Abschaffung der Bürokratie und Übertragung der Macht an die Basis zu unterstützen. Lehman kandidierte mit einem ausdrücklich sozialistischen und internationalistischen Programm und sprach sich dafür aus, die Autoindustrie unter demokratische Arbeiterkontrolle zu stellen, damit sie nicht aus Profitgründen, sondern zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse geführt wird.

Lehman hat in einem breiten Spektrum von Betrieben im ganzen Land beträchtliche Unterstützung erhalten, darunter 19 Prozent der Stimmen in seinem eigenen Ortsverband – Local 677 in Allentown (Pennsylvania) – sowie 8,4 Prozent bei Stellantis Warren Truck in einem Vorort von Detroit, 8,8 Prozent bei General Electrics Aviation in der Nähe von Cincinnati (Ohio), und 12,5 Prozent bei AK Steel außerhalb von Pittsburgh.

Es ist bedeutsam, dass Lehman auch 8,2 Prozent der Stimmen im Werk von General Dynamics in Lima (Ohio) erhielt, das die M1A1-Panzer für das US-Militär herstellt. Das Werk in Lima war 2019 Schauplatz einer faschistoiden Rede von Donald Trump, die vor der Kulisse mehrerer Panzer und einer großen US-Flagge gehalten wurde. Die Tatsache, dass ein erheblicher Prozentsatz der wählenden Belegschaft einen ausdrücklich antiimperialistischen und sozialistischen Kandidaten unterstützte, bringt zum Ausdruck, dass die „Stärke“ des US-Imperialismus und der ideologische Kitt des extremen Hurrapatriotismus in Wirklichkeit auf einem brüchigen Fundament ruhen.

Das Votum für Lehman ist besonders bedeutsam, wenn man bedenkt, welche Anstrengungen der UAW-Apparat unternommen hat, um die Wahlbeteiligung unter Arbeitern außerhalb der Bürokratie zu unterdrücken. Die große Mehrheit von ihnen wurde nie ernsthaft darüber informiert, dass eine Wahl ansteht. Die Wahlbeteiligung bei den Direktwahlen lag um fast 40.000 Stimmen niedriger als bei dem Referendum von 2021, das die UAW dazu zwang, Direktwahlen für Führungspositionen abzuhalten. Ein weiteres Indiz für den weit verbreiteten Widerstand gegen die UAW-Bürokratie ist, dass Brian Keller bei der letzten Auszählung 6.229 Stimmen (14,8 Prozent) erhalten hat.

Das Ziel der beiden Fraktionen der Bürokratie war es, die Direktwahl als interne Angelegenheit innerhalb des Apparats und seines Umfelds durchzuführen. Der Apparat weigerte sich, Stimmzettel in den Ortsverbänden oder an den Arbeitsplätzen zu verteilen, und verwehrte unabhängigen Kandidaten die Möglichkeit, mit den Mitgliedern zu kommunizieren. Die UAW gewährte Zugang zu einer E-Mail-Liste, die zunächst von der Bürokratie für die interne Kommunikation entwickelt und nur geringfügig erweitert worden war, so dass nur etwas mehr als 10 Prozent der Mitglieder erfasst wurden.

Mitglieder der Lehman-Kampagne sind in Dayton (Ohio) anwesend, um die Auszählung der Stimmzettel zu beobachten und dafür zu kämpfen, dass keine berechtigten Stimmen abgelehnt werden. Bei der Auszählung der Stimmen befindet sich die Curry-Fraktion der Bürokratie aufgrund der massiven Ablehnung der Führung in einer spürbaren Krise.

Lehmans Wahlbeobachter berichten, dass eine beträchtliche Anzahl von Stimmzetteln mit Nachrichten zurückgeschickt wurde, die auf weit verbreitete Probleme beim Versand der Stimmzettel hinweisen. Viele Stimmzettel wurden an Personen geschickt, die längst verstorben sind oder die UAW vor Jahren verlassen haben. Ein ehemaliges Mitglied schrieb, dass es seit 2004 kein Mitglied mehr ist: „Ihr schickt mir immer noch Stimmzettel. Kann man von Betrug sprechen?“

Andere Mitglieder hinterließen Notizen, in denen sie die UAW anprangerten: „Ich kenne niemanden auf dieser Liste, die UAW hat nichts für mich getan“, schrieb ein Mitglied, das seinen Stimmzettel leer ließ. Ein anderer schrieb: „Die UAW ist ein Witz!“ und strich jeden Abschnitt des Stimmzettels durch. Ein anderer schrieb: „Wo ist der Unterschied? Ihr seid alle Gauner!“ Ein anderer sagte: „Die Gewerkschaft hat bei Arbeitsunfällen verletzte Arbeiter betrogen! Sich um verletzte Arbeiter zu kümmern, sollte eine Voraussetzung für das Amt sein.“

Auch mehrere Rentner schrieben wütende Notizen auf ihre Stimmzettel. Auf einem hieß es: „Bitte helfen Sie den Rentnern! Wir haben seit Jahren nichts mehr bekommen. Kein Inflationsausgleich (COLA) ausgehandelt, den es in jedem Vertrag gab, als ich noch gearbeitet habe. Keine Gewinnbeteiligung, nachdem wir mit überlasteten Jobs so viel aufgegeben haben. Ich hatte gerade eine Operation am Karpaltunnel in beiden Handgelenken. Unsere Führungskräfte haben Millionen Dollar gestohlen, und wir haben nichts bekommen!“

Der UAW-Führung wurde erlaubt, die Auszählung der Stimmzettel zu organisieren – was gegen die Wahlordnung verstößt –, ohne dass der gerichtlich bestellte Aufseher etwas dagegen unternommen hätte.

So teilte der Aufseher am Dienstag Wahlhelfern verschiedener Kandidaten mit, dass die UAW fünf Funktionäre beauftragen durfte, den Aufseher bei der Durchführung der Stimmauszählung „neutral“ zu beraten. Lehmans Kampagne erfuhr jedoch, dass einer dieser „neutralen Berater“, der Verwaltungsassistent der Gewerkschaftszentrale (Solidarity House), David Stalnaker (Gehalt 170.000 Dollar), ein aktiver Unterstützer von Ray Currys Wahlprogramm ist und in den sozialen Medien offen für ihn wirbt.

Als Lehman beim Aufseher eine Beschwerde einreichte, in der er forderte, Stalnaker als Berater zu entfernen, erklärte der Aufseher, dass er ihn nicht als Berater absetzen würde. Darüber hinaus haben Currys Wahlhelfer routinemäßig das Verbot missachtet, im Bereich der Stimmauszählung Mobiltelefone zu benutzen. Dies sind Angelegenheiten von größter Wichtigkeit, da Arbeiter befürchten, dass die Bürokratie Vergeltungsmaßnahmen gegen diejenigen Arbeiter ergreifen wird, die gegen die von ihr bevorzugten Kandidaten gestimmt haben.

Gestern forderte Lehmanns Anwalt in einem Schreiben an den Wahlleiter, dass auch sämtliche Stimmzettel von Wahlberechtigten, die nach dem Stichtag 28. November eingegangen sind, bearbeitet und ausgezählt werden: „Dies ist notwendig, weil eine beträchtliche Anzahl von UAW-Mitgliedern entweder gar keine Stimmzettel oder nicht rechtzeitig Ersatzstimmzettel erhalten hat, um wählen zu können.“

Letzte Woche hatte Lehman die UAW und den Aufseher verklagt und bei einem Bundesgericht in Detroit eine Verlängerung der Wahlfrist um 30 Tage beantragt. Bundesrichter David Lawson lehnte Lehmans Antrag mit der Begründung ab, er sei nicht klageberechtigt, da er persönlich einen Stimmzettel erhalten habe und wählen durfte. Hätte der Richter die Frist verlängert, hätten noch tausende weitere Arbeiter wählen können.

In einem Statement gegenüber der World Socialist Web Site sagte Will Lehman:

„Ich möchte jedem einzelnen danken, der für mich gestimmt und sich für das Programm eingesetzt hat, für das wir gekämpft haben: die Gesellschaft auf der Grundlage der Interessen der Arbeiterklasse und nicht der privaten Profite der Konzerne umzugestalten. Das war der grundlegende Unterschied zwischen meiner Kampagne und allen anderen. Dies ist ein großer Schritt vorwärts in der Entwicklung einer Bewegung der Arbeiterklasse.

Viele Arbeiter haben vielleicht gedacht, dass sie die Einzigen seien, die für ein sozialistisches Programm stimmen wollten, und diese Ergebnisse zeigen, dass es viel mehr von uns gibt, als irgendjemand dachte. Wir haben mit harten Zahlen gezeigt, dass es eine Basis für den Aufbau von Aktionskomitees in jedem einzelnen Betrieb gibt. Mehrere tausend bewusste Stimmen für unser Programm in Amerika stellen eine soziale Kraft dar, die weitaus mächtiger ist als die Stimmen von Bürokraten und ihren Ehepartnern und Schwiegermüttern. Meine Kampagne ist noch nicht zu Ende, der Kampf hat gerade erst begonnen.“

Loading