Zum Tod des ehemaligen chinesischen Präsidenten Jiang Zemin

Am 30. November starb der ehemalige chinesische Präsident und Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh), Jiang Zemin, im Alter von 96 Jahren. In seiner mehr als zehnjährigen Amtszeit war Jiang verantwortlich dafür, die Wiedereinführung des Kapitalismus auszuweiten und zu beschleunigen, nachdem die Proteste auf dem Tiananmen-Platz im Juni 1989 niedergeschlagen worden waren.

Die Folgen für die Arbeiterklasse waren verheerend. Tausende von staatseigenen Unternehmen wurden saniert und verkauft oder geschlossen, Dutzende Millionen Arbeitsplätze wurden vernichtet und grundlegende Sozialleistungen wurden abgeschafft.

Der ehemalige chinesische Präsident Jiang Zemin bei der Abschlusszeremonie des 18. Parteitags der Kommunistischen Partei Chinas in Peking am 14. November 2012 [AP Photo/Lee Jin-man]

Jiang wurde inmitten der politischen Unruhen von 1989 als Generalsekretär der KPCh eingesetzt. Ausgelöst wurden die Unruhen durch die Massenproteste, die im April und Mai 1989 mit Protesten der Studierenden auf dem Tiananmen-Platz im Zentrum Pekings ihren Anfang nahmen. Deren Forderungen beschränkten sich auf mehr Geld für das Bildungswesen, eine freie Presse und das Recht auf unabhängige Studentenvereinigungen. Allerdings weiteten sie sich auf andere Großstädte aus und zogen vor allem junge Arbeiter an, die ihre eigenen Klassenforderungen erhoben.

Deng Xiaopings marktfreundlicher Kurs „Reform und Öffnung“, der 1978 auf den Weg gebracht wurde, bedeutete für die Arbeiter wachsende soziale Ungleichheit und Not. Millionen von ehemaligen Bauern wurden landlos und zogen auf der Suche nach Arbeitsplätzen in die Städte. Da die Preiskontrollen aufgehoben wurden, stieg die Inflation im Jahr 1988 auf 18,5 Prozent. Die Regierung reagierte mit der Kürzung von Kreditvergaben und führte erneut Importbeschränkungen ein, was zu einem enormen Verlust von Arbeitsplätzen führte, da Privatunternehmen ihre Ausgaben kürzten oder den Betrieb einstellten.

Während die KPCh-Führung, vor allem Generalsekretär Zhao Ziyang, einen Kompromiss mit den Führern der Studentenbewegung anstrebte, bedrohten die Beschwerden und Forderungen der Arbeiter die Stabilität des Regimes selbst. Mit der Gründung der Autonomen Arbeiterföderation Peking und ähnlicher unabhängiger Arbeiterorganisationen in anderen Städten wurden Forderungen nach Untersuchung der Korruption und Vetternwirtschaft laut, die in den oberen Rängen der Parteiführung grassierte.

Die Lage spitzte sich zu, als am 17. Mai 1989 etwa zwei Millionen Menschen durch das Zentrum von Peking zogen. Die Mehrheit von ihnen waren Arbeiter und ihre Familien, die unter dem Banner ihrer Arbeitseinheiten oder Unternehmen marschierten. Aus Angst vor der Massenbewegung der Arbeiterklasse stellte sich Deng auf die Seite der Hardliner in der KPCh-Führung, die die Entlassung Zhaos, die Verhängung des Kriegsrechts und die Mobilisierung des Militärs forderten.

Am 20. Mai rief Premier Li Peng das Kriegsrecht aus. Zhao wurde unter Hausarrest gestellt, und 100.000 Soldaten aus der Militärregion Peking wurden in die Stadt beordert. Am gleichen Tag forderte Deng, den Parteichef von Shanghai, Jiang Zemin, zum neuen Generalsekretär der KPCh zu ernennen.

Nur wenige Tage später, am Abend des 3. auf den 4. Juni, begann das Regime mit der Niederschlagung der Proteste, der Räumung des Tiananmen-Platzes und der Unterdrückung jeglichen Widerstands. Die tödlichsten Zusammenstöße fanden in den Arbeitervororten statt, da die Arbeiter versuchten, den Soldaten den Zugang zum Zentrum von Peking zu verwehren. Etwa 7.000 Arbeiter wurden getötet und weitere 20.000 verwundet. Bei der landesweiten Unterdrückung, die darauf folgte, wurden die härtesten Strafen gegen Arbeiterführer verhängt, darunter lange Haftstrafen und Todesurteile.

Wer war Jiang Zemin?

Jiang wurde erst am 24. Juni 1989 formell zum Generalsekretär der KPCh ernannt. Er galt allgemein als Kompromiss zwischen den marktfreundlichen „Reformern“ um Deng und der Fraktion von Li Peng und Chen Yun, die die Reformpolitik für die politischen Unruhen verantwortlich machten und ihre Umsetzung verlangsamen wollten. Zhao wurde zwar zum Sündenbock gemacht, doch die Kritik richtete sich implizit auch gegen Deng, der Zhao unterstützt hatte und der Hauptarchitekt der „Reform und Öffnung“ war.

Jiang hatte innerhalb der Partei keinen nennenswerten Rückhalt. Er war der erste Parteivorsitzende, der keine besondere Verbindung zur Gründung und den frühen Jahren der KPCh oder der Volksbefreiungsarmee hatte, die in der Revolution von 1949 die Macht ergriffen hatte.

Jiang wurde am 17. August 1926 in Yangzhou nordwestlich von Shanghai geboren. Sein Vater, ein Buchhalter und Manager, ließ seinen Sohn im Alter von 13 Jahren von der Familie seines Bruders Jiang Shangqing adoptieren, eines Aktivisten der KP China, der 1939 bei einem bewaffneten Zusammenstoß getötet wurde. Jiang Zemin lernte in Shanghai Elektroingenieurswesen, trat 1946 während seines Studiums der Partei bei, machte 1947 seinen Abschluss und wurde in einer Eiscremefabrik eingestellt.

Jiang im Jahr 1962

Nach der Machtübernahme der KPCh arbeitete Jiang als Ingenieur in Staatsbetrieben, u.a. sechs Jahre lang in den Ersten Automobilwerken im nordostchinesischen Changchun. 1955 ging er für eine Fortbildung in die Sowjetunion und trat in die Stalin-Automobilwerke ein. Nach seiner Rückkehr nach Shanghai im Jahr 1962 wurde Jiang während des Bruchs zwischen China und der Sowjetunion und des Abzugs sowjetischer technischer Experten zum stellvertretenden Direktor des Elektroforschungsinstituts Shanghai ernannt. Im Jahr 1966 wurde er Direktor und stellvertretender Parteisekretär am Forschungszentrum für Wärmetechnik in Wuhan, das vom Ersten Ministerium für Maschinenbau eingerichtet wurde.

Während der Umwälzung der Kulturrevolution von 1966 bis 1976 verlor er zwar seine Position. Allerdings gehörte er nicht zu den Experten, Intellektuellen und „kapitalistischen Abweichlern“, die öffentlich verteufelt oder zur Umerziehung aufs Land geschickt wurden. Nach dem Besuch einer Kaderschule wurde er zum stellvertretenden Direktor des Büros für auswärtige Angelegenheiten des Ministeriums ernannt und 1970 als Leiter eines Expertenteams zum Bau von Maschinenfabriken nach Rumänien geschickt, von wo er 1972 zurückkehrte.

Nach Mao Zedongs Tod im Jahr 1976 übernahm Jiang eine direktere politische Rolle. Im Rahmen des Widerrufs der Kulturrevolution wurde die so genannte Viererbande, die neben Mao für die großen Umwälzungen und Exzesse der Kulturrevolution verantwortlich war, verhaftet, und Jiang wurde als Teil eines 14-köpfigen Teams, der „Arbeitsgruppe des Zentralkomitees für Shanghai“, entsandt, um die Kontrolle über Shanghai, eine Hochburg der Viererbande, wiederzuerlangen. Jiang war zwar nominell für die Industrie und das Verkehrswesen der Stadt verantwortlich, aber eindeutig auch an der Säuberung der Partei in Shanghai beteiligt.

Jiang unterstützte schon früh Dengs 1978 angekündigte „Reform und Öffnung“. 1979 wurde er zum Vizevorsitzenden von zwei Kommissionen ernannt, die der chinesische Staatsrat eingesetzt hatte, um Handel und Investitionen zu fördern, u.a. durch die Errichtung von Sonderwirtschaftszonen (SWZ). Im Jahr 1980 leitete er eine Delegation, welche die SWZs in zwölf Ländern besuchte, und veröffentlichte bei seiner Rückkehr einen Bericht, in dem er Steuererleichterungen und Grundstücksverpachtungen empfahl, um ausländische Investitionen anzulocken. Daneben forderte er die Lockerung von Beschränkungen für Joint Ventures mit dem Ausland. Seine Vorschläge stießen zwar auf Widerstand in der Parteiführung, wurden aber von Deng unterstützt und vom Nationalen Volkskongress gebilligt.

Darauf folgte ein kometenhafter Aufstieg in die obersten Ränge der Parteiführung. Auf dem 12. Parteitag 1982 wurde er erstmals Mitglied des Zentralkomitees der KPCh. Im Jahr 1985 wurde er zum Bürgermeister von Shanghai ernannt, dem größten Industriezentrum des Landes. Auf dem 13. Parteitag 1987 wurde er Parteisekretär der KPCh in Shanghai und Mitglied des mächtigen Politbüros. Zwei Jahre später, Mitte 1989, wurde er von Deng zum Generalsekretär der KPCh berufen.

Die Krise des Stalinismus

Jiangs Ernennung zum Parteichef fand inmitten der tiefen globalen Krise des Stalinismus statt, die zum Zusammenbruch der stalinistischen Regimes in Osteuropa Ende 1989 führte und ihren Höhepunkt in der Auflösung der Sowjetunion 1991 hatte. Wie nur das Internationale Komitee der Vierten Internationale (IKVI) erklärt hat, stellte die Wiedereinführung des Kapitalismus durch die stalinistische Bürokratie nicht das Scheitern des Sozialismus dar, sondern war die Folge des reaktionären stalinistischen Konzepts vom „Sozialismus in einem Land“.

Leo Trotzki hatte in den 1930ern gewarnt, ohne eine politische Revolution zum Sturz des stalinistischen Regimes und ohne die Rückkehr zur Strategie der sozialistischen Weltrevolution werde der bürokratische Apparat unweigerlich wieder den Kapitalismus einführen. Wie das IKVI erklärte, hat der Prozess der globalisierten Produktion in den 1980ern die nationalistische Perspektive des Stalinismus untergraben und alle Programme obsolet gemacht, die auf nationaler wirtschaftlicher Regulierung beruhten. Dies musste auch bei den imperialistischen Großmächten zu einer zunehmenden Krise führen.

Die Wiedereinführung des Kapitalismus in China war bereits seit mehr als einem Jahrzehnt in die Wege geleitet worden. Die chinesische Revolution von 1949 war eine kolossale und weitreichende soziale Umgestaltung, die ein Jahrhundert imperialistischer Unterdrückung beendete, die das Land in Rückständigkeit und Elend versinken ließ. Doch trotz beträchtlicher sozialer, kultureller und wirtschaftlicher Fortschritte hat die pragmatische nationalistische Perspektive der KPCh, die auf der stalinistischen Theorie des „Sozialismus in einem Land“ beruhte, das Land von Anfang an in eine Sackgasse geführt.

Die Verstaatlichung von Privatunternehmen und Banken, die erst 1956 beendet war, und die zentralisierte Planung wurden nach dem bürokratischen Vorbild der Sowjetunion und ohne jede Mitwirkung der Arbeiterklasse durchgeführt. Der Staatsapparat, den die KPCh errichtete, basierte nicht auf demokratischen Organen der Arbeiter und Bauern, sondern auf der von Bauern dominierten Roten Armee. Sowjetische Hilfe, Berater und Techniker spielten eine wichtige Rolle beim Aufbau der Schwerindustrie, und sie wurde vom Abzug der Berater nach dem Bruch zwischen China und der Sowjetunion Anfang der 1960er Jahre stark in Mitleidenschaft gezogen.

Der Bruch zwischen China und der Sowjetunion verschärfte nicht nur Chinas Isolation und wirtschaftliche Schwierigkeiten. Er verschärfte auch die Fraktionskämpfe innerhalb der KPCh zwischen Mao und seinen utopischen Plänen eines Sozialismus auf der Grundlage der Bauernschaft, und den Verfechtern bürokratischer Planung nach sowjetischem Vorbild, die auf die Schwerindustrie ausgerichtet war. Mao rief 1966 die Kulturrevolution ins Leben, um seine Rivalen zu entmachten, doch die verworrenen und konvulsiven sozialen Kämpfe bezogen auch Teile der Arbeiterklasse mit ein und bedrohten schnell die Existenz des Regimes. Mao musste das Militär in die Fabriken schicken, um die Lage wieder unter Kontrolle zu bringen.

Weder Mao noch seine Rivalen hatten eine Lösung für die zunehmenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Landes oder die Spannungen mit der Sowjetunion, die Ende der 1960er Jahre zu Grenzkonflikten führten. Im Rahmen der nationalen wirtschaftlichen Autarkie gab es keinen Ausweg. Da die KPCh schon lange die Perspektive der sozialistischen Weltrevolution aufgegeben hatte, wandte sie sich dem US-Imperialismus zu. Nur 23 Jahre nach der Gründung der Volksrepublik China traf sich Mao 1972 mit US-Präsident Richard Nixon und schloss ein De-facto-Bündnis gegen die Sowjetunion.

Mao Zedong mit US-Präsident Richard Nixon im Jahr 1972

Das Treffen von Mao und Nixon war die wesentliche diplomatische und politische Vorbedingung für Auslandsinvestitionen und den Handel mit dem Westen, der zu florieren begann. Deng, der während der Kulturrevolution geächtet worden war, wurde rehabilitiert. Nach Maos Tod im Jahr 1976 entwickelte er sich zum dominanten Führer der stalinistischen Bürokratie. Seine Initiative „Reform und Öffnung“, die er 1978 ankündigte, führte zur Gründung von vier Sonderwirtschaftszonen, zur Auflösung der ländlichen Kommunen, zur Umwandlung von Staatsbetrieben in profitorientierte Unternehmen und der Lockerung von Einschränkungen für Privatunternehmen.

Zehn Jahre später jedoch versetzte die breite Beteiligung der Arbeiterklasse an den landesweiten Unruhen in Zusammenhang mit den Protesten auf dem Tiananmen-Platz die KPCh-Führung in Angst und Schrecken, und der Zusammenbruch der stalinistischen Regimes in Osteuropa verstärke dies noch. Da sich Deng politisch in der Defensive befand, traten Li Peng und Chen Yun für verstaatlichte Eigentumsverhältnisse und zentralisierte Planung nach dem Vorbild der Sowjetunion ein, selbst als Michail Gorbatschow diese wirtschaftlichen Strukturen in der Sowjetunion untergrub.

Li hielt den Hauptbericht auf dem Fünften Plenum im November 1989 und forderte die Verabschiedung eines Plans der wieder einberufenen Staatlichen Planungskommission, der strenge Kontrollen der Kredite und einen ausgeglichenen Staatshaushalt vorsah, um das Wirtschaftswachstum und die Inflation einzudämmen. Den ländlichen und provinziellen Industrien, vor allem im Süden des Landes, wurden strenge neue Beschränkungen auferlegt. Das Wachstum des BIP brach im Jahr 1989 auf 4,2 Prozent, im Jahr 1990 auf nur noch 3,9 Prozent ein.

Deng hatte sich bei der Niederschlagung der Protestbewegung von 1989 auf die Seite von Li und Chen gestellt, lehnte aber die Beschränkungen für ausländische Investitionen und Privatunternehmen unnachgiebig ab. Er warnte, wirtschaftliche Stagnation würde die soziale Stabilität und das KPCh-Regime selbst untergraben. Er beharrte darauf, dass nur durch eine noch weitere Öffnung Chinas für den kapitalistischen Markt und die Umgestaltung des Landes in ein Billiglohnland für das ausländische Kapital das notwendige hohe Wirtschaftswachstum erreicht werden könne.

Der Pekinger Tiananmen-Platz am 17. Mai 1989 [AP Photo/Sadayuki Mikami]

Die ausufernde Krise der Sowjetunion, die zu ihrer offiziellen Auflösung im Dezember 1991 führte, spitzte auch den politischen Kampf in der Führung der KP China zu. Die „Sowjet“-Fraktion unter Führung von Li und Chen drängte darauf, Dengs Marktwirtschaftspolitik, vor allem die Sonderwirtschaftszonen, weiter zurückzudrängen. Obwohl Deng keine formelle Position in Partei und Staat unterhielt, hatte er dennoch erheblichen politischen Einfluss. Nur 20 Tage nach der Auflösung der Sowjetunion brach er von Januar bis Februar 1992 zu einer „Reise durch den Süden“ auf, bei der er gemeinsam mit hohen Generälen und dem Chef der Staatssicherheit die SWZ und die südchinesischen Städte besuchte.

In Shanghai soll er, Berichten zufolge, Chen Yun gerügt und erklärt haben, jeder Führer, der die Wirtschaft nicht ankurbeln könne, müsse zurücktreten. Er trat für eine noch größere Öffnung für ausländisches Kapital und ein Bekenntnis zur kapitalistischen Marktwirtschaft ein und erklärte gegenüber Chen: „Haben Sie keine Angst, wenn andere sagen, wir praktizieren Kapitalismus. Am Kapitalismus ist nichts Furchterregendes.“

Jiang Zemins Rolle

Obwohl Jiang 1989 zum Generalsekretär und Vorsitzenden der mächtigen Zentralen Militärkommission ernannt worden war, spielte er bei den ideologischen Kämpfen zwischen Deng und seinen Gegnern keine führende Rolle. Er manövrierte zwischen den konkurrierenden Fraktionen. Später rechtfertigte er das gegenüber einem Biografen folgendermaßen: „Wir waten durch den Fluss, indem wir nach Steinen tasten, denn die Wahrheit ist ein langer Weg. Niemand weiß genau, was Wahrheit ist.“

Nachdem er sich anfangs auf die Seite der „Sowjet“-Fraktion gestellt hatte, erhielt Jiang von Deng eine kaum verhohlene Rüge während dessen „Reise durch den Süden“, weil er die marktwirtschaftliche Agenda nicht schnell genug umsetzte. Da er spürte, wie sich der politische Wind drehte, fügte sich Jiang. In den nächsten zehn Jahren setzte er sich für die vollständige Wiedereinführung des Kapitalismus ein, die statt einiger SWZ das ganze Land in eine Werkbank verwandelte, in der ausländische Konzerne die billigen chinesischen Arbeitskräfte ausbeuten konnten.

In den Nachrufen der amerikanischen und internationalen Medien wird Jiangs Rolle bei der Öffnung Chinas für den kapitalistischen Markt und für ausländische Investoren gelobt, während gleichzeitig Chinas Aufstieg zu einer Gefahr für die globale Vorherrschaft der USA erklärt wird.

Die New York Times lobte Jiang für seine „Führung bei der kapitalistischen Umgestaltung, die unter Deng Xiaoping begann“ und bezeichnete sie als „eine seiner größten Leistungen“. Seine Amtszeit nannte sie „das goldene Zeitalter von Chinas Bekenntnis zur Globalisierung“. Der Guardian verglich ihn positiv mit dem derzeitigen Präsidenten Xi Jinping. Dieser habe „China mit Maßnahmen zur Bekämpfung von Covid-19 und einer aggressiven Außenpolitik isoliert“.

Jiang machte sich Dengs Marktreformen zu eigen und erklärte auf dem 14. Parteitag der KPCh im Jahr 1992, China sei eine „sozialistische Marktwirtschaft“. Diese Formulierung hatte die Partei eingeführt, um ihren überstürzten Kurs auf die Wiedereinführung des Kapitalismus zu verschleiern. Ein Jahr später wurde er zum Präsidenten und Generalsekretär der KP China ernannt.

Im Jahr 1994 legitimierte die KPCh den Kauf und Verkauf von Arbeitskraft und etablierte damit offiziell einen „Arbeitsmarkt“. Staatsunternehmen wurden in profitorientierte Firmen umgewandelt. Die unrentablen wurden saniert oder geschlossen. Die besser ausgestatteten Unternehmen in Branchen, die nicht als strategisch eingestuften wurden, wurden verkauft oder in Tochtergesellschaften ausländischer transnationaler Konzerne umgewandelt.

Diese Prozesse wurden nach Dengs Tod im Februar 1997 beschleunigt. Als im gleichen Jahr die Asienkrise begann, kündigte Jiang auf dem 15. Parteitag der KPCh an, dass die „Reform“ der staatlichen Unternehmen beschleunigt werden würde. Laut einer Schätzung wurden zwischen 1998 und 2002 etwa 34 Millionen Arbeiter entlassen, Hunderte von staatseigenen Unternehmen verkauft und Tausende weitere ganz geschlossen.

Besonders war davon die Schwerindustrie im Norden des Landes betroffen. Arbeiter und ihre Familien wurden ins Elend gestürzt. Die staatseigene Industrie bildete die Basis der so genannten „eisernen Reisschüssel“, die ihre Beschäftigten von der Wiege bis zur Bahre unterstützte und ihnen Kinderbetreuung, Bildung, Gesundheitsversorgung und Renten verschaffte. Das alles blieb jetzt den einzelnen Arbeitern überlassen.

Zwar wurden 1979 unter Deng formelle diplomatische Beziehungen zu den USA aufgenommen, doch während Jiangs Amtszeit kam es mehrfach zu Spannungen. Der schwerwiegendste Zwischenfall war die Krise in der Taiwanstraße 1995–1996, die durch den Besuch des taiwanesischen Präsidenten Lee Teng-hui in den USA ausgelöst worden war. China verurteilte den Besuch als Verstoß gegen die „Ein-China-Politik“. Im Jahr 1979 hatten die USA alle formellen Beziehungen zu Taipeh beendet und Peking de facto als legitime Regierung von ganz China einschließlich Taiwans anerkannt.

Als China daraufhin Militärübungen und Raketenstarts in der Nähe von Taiwan durchführte, schickte die Clinton-Regierung zwei Flugzeugträger mit ihren Marine-Kampfgruppen in die Gewässer vor der Insel, und eine davon fuhr durch die Taiwanstraße.

Mit dem Wahlsieg von George W. Bush verschärften sich die Spannungen erneut. Bush hatte China im Wahlkampf als „strategischen Konkurrenten“ bezeichnet und erklärt, er werde Chinas Aufnahme in die Welthandelsorganisation (WTO) verhindern. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 suchte Bush jedoch Chinas Unterstützung beim Überfall und der Besetzung Afghanistans und bei seinem verlogenen „Krieg gegen den Terror“ und vollzog eine abrupte Kehrtwende. China wurde 2001 in die WTO aufgenommen, was den Weg für eine weitere Ausweitung von Auslandsinvestitionen und Handel ebnete.

Jiang und seine Frau mit George W. Bush und dessen Frau in Crawford (Texas) am 25. Oktober 2002

Jiang beendete seine Amtszeit, indem er seinen „theoretischen“ Beitrag, die Idee „Dreifaches Vertretens“, auf dem 16. Parteitag in die Verfassung der KP China aufnehmen ließ. Dieses „Dreifache Vertreten“ war eine logische Erweiterung der Politik der Wiedereinführung des Kapitalismus und lieferte eine primitive Rechtfertigung für die Öffnung der Partei für Repräsentanten der „fortgeschrittenen Produktivkräfte“, d.h. für Millionäre und Milliardäre, die sich an der „sozialistischen Marktwirtschaft“ bereichert hatten.

Jiang trat im November 2002 als Generalsekretär der KP China und im März 2003 als chinesischer Präsident zurück, behielt jedoch den mächtigen Posten des Vorsitzenden der Zentralen Militärkommission bis September 2004. Er übte weiterhin beträchtliche politische Autorität aus, nicht zuletzt durch die Machtbasis innerhalb der KP, die er in Shanghai aufgebaut hatte, und beeinflusste die Wahl seines Nachfolgers Hu Jintao zum Generalsekretär, und ein Jahrzehnt später von Xi Jinping.

Wie Deng vor ihm, legte auch Jiang die Grundlagen für die erstaunliche Expansion der chinesischen Wirtschaft, die heute die zweitgrößte der Welt ist. Dies hat die Widersprüche, vor denen die KPCh-Führung steht, jedoch nur verstärkt. Das Wirtschaftswachstum beruht einerseits auf den sozialen und wirtschaftlichen Errungenschaften der chinesischen Revolution von 1949, darunter einer gut ausgebildeten Erwerbsbevölkerung und einer entwickelten Infrastruktur, andererseits auf einem massiven Zustrom ausländischer Investitionen und Technologie.

Zudem hat die Entwicklung der Wirtschaft zu einer enormen sozialen Ungleichheit geführt, die angesichts eines wirtschaftlichen Abschwungs erneut akute soziale Spannungen befeuert. Sie hat außerdem die geopolitischen Spannungen mit dem US-Imperialismus verschärft, der im letzten Jahrzehnt seine Konfrontation mit China an allen Fronten eskaliert, einschließlich weit gediehener Vorbereitungen auf einen Krieg.

Die KP China-Führung kann sich nicht an die Arbeiter in China, geschweige denn im Rest der Welt wenden, denn sie hat keinerlei fortschrittliche Antworten – weder auf den drohenden Konflikt, noch auf das soziale Pulverfass, auf dem sie sitzt. Das ist das tatsächliche Vermächtnis, nicht nur von Jiang und Deng, sondern auch der gesamten bankrotten Perspektive des Stalinismus und Maoismus.

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