UAW-Präsidentschaftswahlen

Will Lehman an Ray Curry und Shawn Fain: Hört auf, die geringe Wahlbeteiligung auf die Apathie der Arbeiter zu schieben statt auf bewusste Unterdrückung von Wählerstimmen!

In der ersten Runde der Vorstandswahlen der United Auto Workers Gewerkschaft (UAW) gaben nur 9 Prozent der Mitglieder ihre Stimme ab. Nur 103.495 Stimmen wurden gezählt. Nach langem Schweigen haben sich beide Fraktionen der UAW-Bürokratie – vertreten durch Ray Curry und Shawn Fain – zu der Tatsache geäußert, dass eine Million von 1,1 Millionen Mitgliedern nicht gewählt haben. Beide sagen, dass wir, die einfachen Arbeiter, wegen unserer „Apathie“ daran schuld seien.

In einem Interview mit der Detroit Free Press vom 30. Dezember bezeichnete Ray Curry, der weniger als 4 Prozent der Stimmen der wahlberechtigten Mitglieder erhalten hatte, die Wahlbeteiligung als „unglücklich“. Curry sagte, dass „1,1 Millionen Stimmzettel per Post nach Hause geschickt wurden und die Leute die Möglichkeit hatten, eine Entscheidung zu treffen“. Diejenigen, die nicht gewählt haben, so Curry, „haben die Entscheidung getroffen, dass sie sich nicht beteiligen wollen“.

Wie Ray Curry hat auch die von dem UAW-Karrierefunktionär Shawn Fain angeführte Wahlgruppe, Members United, versucht, die „Apathie“ der Arbeiter für die geringe Wahlbeteiligung verantwortlich zu machen. Wie Curry erhielt auch Fain in der ersten Runde weniger als 4 Prozent der Stimmen von Wahlberechtigten.

In einem Twitter-Thread weist Members United auf die niedrige Wahlbeteiligung hin und fragt: „Warum sind unsere Mitglieder so apathisch? Warum scheint es sie nicht zu interessieren?“

Ich möchte Shawn Fain und Members United versichern, dass sich die Mitglieder, sowohl die aktiven als auch die pensionierten, große Sorgen darüber machen, dass unsere Löhne und Rentenzahlungen so niedrig sind, dass wir mit der Inflation nicht Schritt halten können. Wir kümmern uns sehr wohl um unsere Kolleginnen und Kollegen, die an Covid-19 und anderen unsicheren Arbeitsbedingungen gestorben sind, während sie für einige der größten Unternehmen der Welt Rekordgewinne erarbeiten. Wir sehen mit Besorgnis das spaltende Lohnstufensystem. Wir sorgen uns um die Tatsache, dass die UAW-Führung uns jahrzehntelang Konzessionsverträge aufgezwungen hat und jetzt Teil des Managements ist, Bestechungsgelder von den Unternehmen annimmt und unsere Beitragsgelder für Alkohol, teure Kleidung und Luxushotels ausgibt.

Uns liegt so viel daran, dass wir bereit sind, im Streik unseren Lebensunterhalt zu riskieren und mit dem mickrigen Streikgeld zu überleben, das uns der UAW-Apparat bietet, nur um uns dann zu verraten. Aus diesem Grund streikten letzten Monat 48.000 akademische Arbeiter der Universität von Kalifornien, bevor die UAW-Führung sie verraten hat. Deshalb haben meine Kollegen und ich im Jahr 2019 bei Mack Trucks gestreikt, bevor die UAW-Führung das Gleiche mit uns gemacht hat. Aus diesem Grund streikten im selben Jahr 50.000 General Motors-Beschäftigte, 3.000 Volvo-Arbeiter und 10.000 John Deere-Arbeiter im Jahr 2021. Die CNH-Arbeiter in Iowa und Wisconsin streiken auch heute noch.

In einem Streik nach dem anderen hat der UAW-Apparat unsere Kämpfe unterdrückt, uns in die Enge getrieben und uns gezwungen, jahrzehntelang Zugeständnisse zu akzeptieren. Diese Erfahrung haben die Belegschaften mit der UAW-Führung gemacht. Ist es da verwunderlich, dass viele Arbeiter zu dem Schluss kamen, dass es keinen Sinn hat, den Hampelmann an der Spitze dieser massiven Bürokratie auszuwechseln?

Die niedrige Wahlbeteiligung ist jedoch nicht in erster Linie darauf zurückzuführen, dass Arbeiter beschlossen, nicht zu wählen, wie Curry behauptet. Die Mehrheit der Arbeiter wusste gar nicht, dass eine Wahl stattfand, weil die alteingesessene UAW-Führung nicht wollte, dass wir eine echte Chance haben, sie zu entmachten.

Im November, vor Abschluss der Wahlen, reichte ich eine Klage ein, in der ich davor warnte, dass die Wahlbeteiligung bei 10 Prozent oder weniger liegen würde, und forderte, dass Arbeitern ein zusätzlicher Monat für die Stimmabgabe eingeräumt wird. Die UAW lehnte dies vor Gericht ab, ebenso wie der gerichtlich bestellte Aufseher. Als der Aufseher vor zwei Wochen erklärte, dass es eine Stichwahl zwischen Curry und Fain geben würde, reichte ich einen formellen Protest ein und forderte den Aufseher auf, die erste Wahlrunde nicht zu beglaubigen. Ich legte Beweise vor, die von Arbeitern in der gesamten Gewerkschaft gesammelt worden waren und die zeigten, dass der UAW-Apparat die Wahl absichtlich unterdrückt hatte. Ich fordere alle Arbeiter auf, diesen Protest zu lesen und weit zu verbreiten.

In seinem Twitter-Thread schrieb Shawn Fain’s Members United auch: „Fast jeder in der UAW scheint sich einig zu sein; es gab ein großes Problem mit der Wahlbeteiligung im letzten Monat.“ Fast jeder Arbeiter an der Basis weiß, dass es einen massiven Verstoß gegen das Wahlrecht gab, aber kein anderer Kandidat, einschließlich Shawn Fain, hat bei den Wahlleitern Protest eingelegt oder sich bereit erklärt, die Forderung meiner Kampagne nach einer Wiederholung der Wahl mit tatsächlicher Benachrichtigung der Mitglieder zu unterstützen.

Members United führt „offensichtliche Probleme“ bei der Abstimmung an, darunter „veraltete Mitgliederlisten und Mitglieder, die keine Stimmzettel erhalten haben. Zweifelsohne handelt es sich hierbei um Prozesse, die erheblich verbessert werden müssen.“

Wie ich in dem Protest, den ich beim gerichtlich bestellten Aufseher eingereicht habe, dargelegt habe, haben viele – wahrscheinlich die meisten – Arbeiter nie Stimmzettel erhalten, weil der Apparat für den Versand das Local Union Information System (LUIS) verwendet hat, ein Instrument, das die Bürokratie zur Kommunikation mit sich selbst nutzt. Ein Bundesrichter hatte zuvor erklärt, dass dieses System „die Mitgliedschaft ausschließt“, da es nur die aktuellen Adressen der lokalen und überregionalen Funktionäre, nicht aber die der Basis erfasst. Es wurden mehr Stimmzettel wegen falscher Adresse an den Absender zurückgeschickt (110.000) als Stimmen abgegeben wurden. Die Ortsverbände haben fast nichts unternommen, um uns zu informieren, dass eine Wahl stattfand, und in einigen großen Ortsverbänden in Kalifornien und Washington lag die Wahlbeteiligung unter 1 Prozent.

Aber nachdem sie zugegeben haben, dass es „keinen Zweifel“ gibt, dass das Wahlrecht verletzt wurde und viele Mitglieder nicht einmal Stimmzettel erhalten hatten, zuckt Members United mit den Schultern und sagt: „Lasst uns über die offensichtlichen Probleme hinausgehen.“ Das eigentliche Problem sei nicht die kriminelle Unterdrückung der Wahlbeteiligung durch die Bürokratie. Das Problem sei vielmehr, dass Arbeiter „apathisch und unengagiert“ seien und nicht mehr an den UAW-Apparat „glauben“. Die Lösung bestehe darin, in der Stichwahl für Shawn Fain zu stimmen, damit seine Kandidatur die Mitglieder „ermutigen könne, sich in der Gewerkschaft zu engagieren“.

Mit anderen Worten: Members United sagt Arbeitern an der Basis: Obwohl euer Wahlrecht verletzt wurde, werden wir nicht für eure Rechte kämpfen. Akzeptiert das Ergebnis der betrügerischen Wahl. Und dieselbe Gruppe fragt sich dann noch, warum die Arbeiter der Bürokratie so entfremdet sind.

In einem anderen Twitter-Thread schreibt der neue Bezirksleiter der Region 9A und Members United-Mitglied Brandon Mancilla ebenfalls den Arbeitern aufgrund ihrer „Apathie“ die Schuld zu und schreibt, dass der UAW-Apparat „die Beziehungen“ zu den Mitgliedern „reparieren“ müsse. In Wirklichkeit geht es ihnen darum, der Bürokratie ein neues Gesicht zu geben, damit sie ihre Macht behalten und unsere Kämpfe weiterhin unterdrücken kann.

Die Arbeiter müssen nicht die „Beziehungen“ zur Bürokratie „reparieren“, wir müssen die Bürokratie abschaffen und die Macht an die Basis übergeben!

Um unser grundlegendes demokratisches Recht zu verteidigen, in einer wirklich gerechten Wahl abzustimmen, fordere ich alle Arbeiter und Angestellten auf, die Legitimität der Wahl abzulehnen, von der jeder weiß, dass sie ein Betrug war. Sprecht mit euren Kolleginnen und Kollegen und lest und verbreitet die Ergebnisse meiner Protestnote, in der ich den Aufseher auffordere, die Beglaubigung des ersten Wahlgangs zu stoppen. Organisiert Aktionskomitees, um das Wahlrecht zu verteidigen und eine Neuwahl mit wirklicher Wahlbekanntmachung und allen Namen der Kandidaten auf dem Stimmzettel zu fordern.

Mehr über Will Lehmans Kampagne unter WillForUAWPresident.org.

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