Perspektive

Nato eskaliert Krieg gegen Russland ohne Rücksicht auf Verluste

Die rasche Eskalation des Kriegs in der Ukraine widerlegt die Behauptung, dass die Nato keine Kriegspartei sei.

Es vergeht keine Woche, ohne dass eine neue, größere Ausweitung des Nato-Engagements bekannt gegeben wird:

  • Am 10. Dezember erklärte ein US-Regierungsvertreter gegenüber der Times of London, dass die USA die ukrainischen Angriffe tief in Russland offiziell gebilligt hätten: „Wir sagen Kiew nicht: ‚Führt keine Schläge gegen die Russen [in Russland oder auf der Krim].‘“
  • Am 21. Dezember kündigte die Regierung Biden an, der Ukraine eine Batterie von Patriot-Raketen zur Verfügung zu stellen – das modernste Waffensystem, das bislang geliefert wurde.
  • Am 29. Dezember unterzeichnete Biden ein Gesetz, mit dem weitere 50 Milliarden Dollar für den Krieg bewilligt wurden und sich der Umfang des amerikanischen Engagements auf einen Schlag verdoppelte.
  • Am 4. und 5. Januar gaben Frankreich, Deutschland und die Vereinigten Staaten bekannt, dass sie Panzer und gepanzerte Kampffahrzeuge in die Ukraine schicken werden.
Deutschland hat angekündigt, Dutzende von Marder-Schützenpanzern in die Ukraine zu schicken [AP Photo]

Zuvor hatten die Nato-Führer noch eingeräumt, dass solche Maßnahmen zu einem direkten Krieg zwischen den USA und Russland führen würden.

So hatte Biden im März 2022 erklärt: „Die Vorstellung, dass wir Angriffswaffen schicken, Flugzeuge und Panzer und Züge mit amerikanischen Piloten und amerikanischen Besatzungen … das wäre der Dritte Weltkrieg.“

Um seine Darstellung zu untermauern, dass „wir keinen Krieg zwischen der Nato und Russland wollen“, hatte Biden in einem Gastbeitrag für die New York Times im Mai 2022 geschrieben: „Wir ermutigen die Ukraine nicht dazu und versetzen sie nicht in die Lage, jenseits ihrer Grenzen zuzuschlagen“. Dieser Position wird nun in Presseerklärungen von US-Regierungsvertretern offen widersprochen.

Im Juni erklärte der französische Präsident Emmanuel Macron: „Wir treten nicht in den Krieg ein … Daher wurde vereinbart, bestimmte Waffen, wie Kampfflugzeuge und Panzer, nicht zu liefern. Diese Vereinbarung ist Präsident Selenskyj bekannt.“

In internen Veröffentlichungen geben die Strategen des US-Imperialismus zu, dass die ukrainische Armee von den Vereinigten Staaten de facto als Söldnertruppe angeheuert wurde, um das russische Militär zu vernichten.

„Aus geopolitischer Sicht bietet dieser Krieg den USA eine erstklassige Gelegenheit, Russlands konventionelle Verteidigungskapazitäten zu untergraben und zu schwächen, und zwar ohne Bodentruppen und mit geringem Risiko für das Leben von US-Bürgern“, schrieb Timothy Ash vom Center for European Policy Analysis (CEPA).

„Die Ausgaben der USA in Höhe von 5,6 % ihres Verteidigungshaushalts, um fast die Hälfte der russischen konventionellen militärischen Kapazitäten zu vernichten, erweisen sich als äußerst lohnende Investition“, so Ash weiter: „Das US-Militär dürfte allen Grund haben sich zu wünschen, dass Russland weiterhin Militär entsendet, um die Ukraine zu zerstören.“

Immer offener wird die Zerschlagung des russischen Staats als Ziel der Nato-Politik proklamiert. Laut Luke Coffey vom Hudson Institute, einer vom Atomkriegsbefürworter Herman Kahn gegründeten Denkfabrik, „bedeutet der Krieg in der Ukraine … wahrscheinlich das Ende der Russischen Föderation (der Rechtsnachfolgerin der Sowjetunion) in ihrer heutigen Form“.

Die Vereinigten Staaten und die Nato haben den Krieg angezettelt und eskalieren ihn seither ständig weiter. Die russische Regierung ihrerseits hat die Ukraine in der Hoffnung angegriffen, ein Sicherheitsabkommen mit den USA und Europa zu erzwingen. Mit diesem kolossalen, reaktionären Fehler tappte sie in die Falle der Nato – mit katastrophalen Folgen.

Die USA und die Nato setzen darauf, mit jeder Eskalation weiter vorzudringen als beim letzten Mal, ohne dass eine größere Reaktion erfolgt. Letzten Monat führte die New York Times diese Vorgehensweise darauf zurück, dass Regierung und Bevölkerung in Kiew den Eindruck hätten, „Russland könne der Ukraine, von einer nuklearen Eskalation einmal abgesehen, nicht viel mehr antun, als es aktuell der Fall ist“.

Darauf zu wetten, dass Russland angesichts einer von ihm als existenziell empfundenen Bedrohung keine weiteren Schritte unternimmt, bedeutet, das Leben von Millionen Menschen aufs Spiel zu setzen.

Woher nimmt die Regierung Biden das Recht, die USA in einen Krieg mit Russland zu führen, der katastrophale Folgen hat? Ohne den Hauch einer Legitimation wird ein nicht erklärter Krieg geführt, mit stillschweigender Zustimmung des Kongresses und beider Parteien.

Biden sollte seine Mafia-Sonnenbrille abnehmen und der Welt sagen, welche Konsequenzen sein Handeln hat. Bei einer „konventionellen“ Eskalation des Kriegs droht der Tod von Hunderttausenden oder gar Millionen Menschen in Europa. Bei einer nuklearen Eskalation droht die Vernichtung der bedeutendsten Städte der Welt und der Zusammenbruch der menschlichen Zivilisation.

In ihrer Neujahrserklärung schrieb die World Socialist Web Site:

Mit dem Anbruch des zweiten Kriegsjahrs nimmt die Logik der militärischen Eskalation unerbittlich ihren Lauf. Das dahinter stehende Bestreben, einen entscheidenden Durchbruch zu erzielen, basiert auf unrealistischen Zielen und verhängnisvollen Fehleinschätzungen …

Es ist nicht klar, ob die Regierung Biden eine drastische russische Reaktion provozieren will oder davon ausgeht, dass das Putin-Regime eine Eskalation des Kriegs mit der Nato vermeiden wird. Doch ob durch gezielte Provokation oder eine Fehleinschätzung der russischen Politik, das Weiße Haus geht Risiken ein, die zu einer globalen Katastrophe führen könnten.

Die Logik der militärischen Eskalation wird das Ausmaß und die geografische Ausdehnung des Krieges vergrößern. Wie lange wird es dauern, bis er auf Weißrussland und dann Polen übergreift? Ganz Osteuropa, die Ägäis, die baltischen Staaten und dann der Rest Europas und schließlich die ganze Welt werden mit hineingezogen werden. Wie lange wird es dauern, bis bei einem russischen Luftangriff US-Militärangehörige sterben, die bereits in der Ukraine stationiert sind, und die Forderung nach Bodentruppen laut wird?

Mit jeder neuen Waffenlieferung steht das Prestige der Nato stärker auf dem Spiel. Für die Waffen, die von der Nato zur Verfügung gestellt werden, braucht es nicht nur Ausbildung und Anleitung, sondern auch ein ausgedehntes Logistiknetz und damit eine Aufstockung der bereits in der Ukraine stationierten US-Truppen.

Auf russischer Seite weicht die Fiktion der Putin-Regierung, es handele sich um eine „militärische Spezialoperation“, der Realität einer vollständigen Kriegsmobilisierung. Darüber wächst infolge der Eskalation der Nato innerhalb der russischen Armee der Druck der extremen Nationalisten, eine größere Gegenoffensive zu starten oder die Nato sogar direkt anzugreifen.

Jede Eskalation zieht eine weitere Eskalation nach sich, bis schließlich eine Kettenreaktion entsteht, die sich nicht mehr aufhalten lässt, selbst wenn die Beteiligten dies wollten.

Hinter der unerbittlichen Eskalation des Krieges steht die zunehmende soziale, politische und wirtschaftliche Krise in allen Ländern. Die Vereinigten Staaten sind ein soziales Pulverfass, und ihr politisches System verfault bei lebendigem Leibe.

Die herrschende Elite und die wohlhabende obere Mittelschicht sind vom Kriegswahn befallen. Sie bilden sich ein, dass sie durch die Plünderung der ehemaligen Sowjetunion die innenpolitische Krise abwehren können.

In der Bevölkerung jedoch gibt es keine breite Unterstützung für diesen Krieg. Der Auftritt des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj vor dem US-Kongress im Dezember änderte trotz des Gejohles der Abgeordneten nichts an der breiten öffentlichen Meinung.

Allerdings findet die Opposition der Bevölkerung noch keinen organisierten politischen Ausdruck. Das muss geändert werden. Die einzige Kraft, die eine Katastrophe verhindern kann, ist die internationale Arbeiterklasse, geeint im Kampf gegen Imperialismus, Militarismus, das historisch überholte Nationalstaatensystem und die kapitalistische Gesellschaftsordnung.

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