Vor vier Jahren wurde WikiLeaks-Herausgeber Julian Assange verhaftet

Am 11. April war es genau vier Jahre her, dass der Gründer und Herausgeber von WikiLeaks, Julian Assange, von der britischen Polizei gewaltsam aus der ecuadorianischen Botschaft in London gezerrt und verhaftet wurde. Seitdem ist Assange ohne Unterbrechung im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh inhaftiert, das einige als „britisches Guantanamo Bay“ bezeichnen.

Julian Assange wird aus der ecuadorianischen Botschaft gezerrt. London, 11. April 2019 [Photo: Facebook]

Assange wird nicht deshalb weiterhin in einer Einrichtung festgehalten, die für Terroristen und Gewaltverbrecher konzipiert ist, weil er eines Verbrechens überführt worden wäre. Seine Inhaftierung dient ausschließlich dem Zweck, ein Auslieferungsersuchen der USA zu erleichtern, das mehrere Menschenrechtsorganisationen schon als brutalen Angriff auf die Pressefreiheit verurteilt haben.

Assanges einziges „Verbrechen“ besteht darin, dass er als Journalist wahre Informationen veröffentlicht und damit unter Führung der USA begangene Kriegsverbrechen entlarvt hat. Dazu gehören Dokumente der US Army, die beweisen, dass die US-Regierung im Irak und Afghanistan den Tod von Tausenden von Zivilisten vertuscht und schwere Verstöße gegen das Völkerrecht, einschließlich Folterungen und Massaker, verübt hat.

Der einzige, der für diese schrecklichen Taten ins Gefängnis musste, ist Assange – weil er sie aufgedeckt hat.

Die Videos und Fotos von Assanges Verhaftung schockierten die Menschen in aller Welt. Nicht nur misshandelte die britische Polizei den Journalisten. Man sah auch, dass sich sein körperlicher Zustand während seines Aufenthalts in der Botschaft deutlich verschlechtert hatte. Die Botschaft hatte sich für ihn zuletzt aus einer Zuflucht in ein De-facto-Gefängnis verwandelt. Assange wurde ausspioniert, gegen ihn wurde intrigiert, und wie mittlerweile bekannt ist, hatte die CIA eine mögliche Entführung oder Ermordung des WikiLeaks-Herausgebers in Erwägung gezogen.

Bereits die Verhaftung selbst war ein Verbrechen.

Die relevanten UN-Gremien hatten Assanges Status als international anerkannter politischer Flüchtling mehrfach bestätigt. Außerdem wurde er auf Veranlassung der US-Regierung verhaftet, und seine Verfolgung war genau der Grund für seinen Flüchtlingsstatus. Das bedeutet, dass die rechte ecuadorianische Regierung durch die Ausweisung von Assange den Grundsatz der Nicht-Zurückweisung verletzte, der die Rückführung eines Asylsuchenden in ein Land verbietet, in dem sein Leben oder seine Freiheit ernsthaft gefährdet sind.

Dennoch hielten einige Menschen möglicherweise an der Illusion fest, Assange würde zumindest Zugang zu medizinischer Versorgung erhalten, die ihm in der Botschaft nicht zur Verfügung stand. Oder ein ordentliches Gerichtsverfahren würde ihm gewährt, das auf rechtstaatlichen Prinzipien, Präzedenzfällen und auf Beweisstandards basierte. Ein solches Verfahren hätte er nicht verlieren können.

Doch alle derartigen Illusionen sind mittlerweile zerplatzt. Die vier Jahre Haft waren für Assange ein einziger Leidensweg.

Assange sitzt jetzt seit etwa 1.460 Tagen im Belmarsh-Gefängnis in Haft. Da er im Juli 52 Jahre alt wird, entspricht das fast zwölf Prozent seines Erwachsenenlebens. Wenn man die Zeit seines Asyls dazurechnet, so sitzt er fast elf Jahre lang in irgendeiner Form in Haft, d.h. fast ein Drittel seines Erwachsenenlebens.

Zwei Eigenschaften charakterisieren die Zeit seiner Haft in Großbritannien, und sie dienen beide dem Ziel der USA, Assange zu vernichten. Das erste ist die völlige Gleichgültigkeit gegenüber seinem Gesundheitszustand, der sich ständig verschlechtert. Das zweite ist das Bemühen der Justiz, die juristische Kampagne nach Kräften gegen den WikiLeaks-Herausgeber zu führen.

Im November 2019 warnten namhafte Mediziner erstmals öffentlich, Assanges Gesundheitszustand verschlechtere sich so stark, dass er im Gefängnis sterben könnte, und forderten seine sofortige Freilassung. Seitdem haben die britischen Gerichte wiederholt Kautionsanträge abgelehnt, obwohl Assange keine Strafe für ein Verbrechen verbüßt und ein gebrechlicher und gewaltloser Intellektueller ist.

Die völlig vorhersehbare Folge dieser Entscheidungen war eine weitere Verschlechterung seines Gesundheitszustands. Assange erlitt während der Haft einen Schlaganfall, infizierte sich mit Covid-19, und laut seinen Angehörigen und Anwälten geht es ihm immer schlechter.

Dies ging Hand in Hand mit nahezu zahllosen Angriffen der Justiz. Das Vereinigte Königreich folgt dem US-Antrag auf Auslieferung von Assange, obwohl der relevante Vertrag zwischen den beiden Ländern die Auslieferung wegen politischer Vergehen ausdrücklich verbietet. Die Anklagepunkte gegen den WikiLeaks-Herausgeber gemäß dem Espionage Act für die Veröffentlichung von Dokumenten, die die amerikanische Regierung bloßgestellt haben, sind jedoch eindeutig politisch.

Das „juristische Verfahren“ wurde fortgesetzt, obwohl das US-Auslieferungsgesuch gescheitert ist. Im Juni 2021 erklärte Sigurdur „Siggi“ Thordarson, ein verurteilter isländischer Krimineller, dass seine Aussage gegen Assange eine Lüge war, die er im Austausch für Immunität vor Strafverfolgung vorgebracht hatte.

Bezeichnenderweise beinhaltet die aktuelle US-Anklageschrift weiterhin diese erwiesenen Lügen. Die erlauchten britischen Richter ignorieren einfach, dass die Anklageschrift, auf die sie sich berufen, offen eingestandene Falschaussagen enthält.

Im September 2021 veröffentlichte Yahoo News einen detaillierten Enthüllungsbericht. Auf Grundlage der Aussagen von mehr als 30 aktuellen und ehemaligen Vertretern der US-Regierung wies er zweifelsfrei nach, dass die Trump-Regierung und die CIA die illegale Entführung oder Ermordung von Assange in London besprochen und geplant hatten. Im Verlauf dieser Operation hatten sie auch seine vertraulichen Diskussionen mit Anwälten und Privatkonsultationen mit Ärzten umfassend überwacht.

Die Anklage gegen Assange wurde nur erhoben, um diese extralegalen, ganovenhaften Pläne zu rechtfertigen.

Wenn in Russland oder China etwas Derartiges passieren würde, so würden die Mainstreammedien und westliche Politiker keine Minute verlieren, dies als skandalöses Komplott und politische Verfolgung zu verurteilen. Aber Assange bleibt weiter inhaftiert, und die Möglichkeit einer Auslieferung rückt immer näher.

Daraus müssen eindeutige Lehren gezogen werden. An Unterstützung für den WikiLeaks-Herausgeber mangelt es nicht: Breite Schichten von Arbeitern und Jugendlichen sehen in ihm eine heldenhafte und prinzipientreue Persönlichkeit. Allerdings bleibt dieser Rückhalt latent und muss erst noch die Form einer Massenbewegung annehmen, die für seine Freiheit kämpft.

Zweifellos spielen die Lügen, Vertuschungen und das häufige Schweigen der Mainstreammedien eine Rolle. Aber auch eine bestimmte politische Perspektive ist mitverantwortlich.

In den letzten vier Jahren konzentrierte sich die offizielle, von WikiLeaks unterstützte Kampagne auf Hinterzimmer-Lobbyarbeit bei kapitalistischen Politikern und anderen Prominenten. Wehleidige Appelle wurden an fast alle Regierungen und Regierungschefs gerichtet, von Trump über Biden in den USA bis hin zu Johnson und die Labour Party in Großbritannien. In Australien wurden Illusionen geschürt, die im letzten Jahr gewählte Labor-Regierung würde mit der Politik ihrer konservativen Vorgängerin brechen und Assange als verfolgten australischen Staatsbürger verteidigen.

Doch diese Illusionen wurden zerschlagen oder hätten zerschlagen werden müssen. Alle Regierungen und offiziellen Parteien unterstützen Assanges Verfolgung entweder offen, oder sie machen sich durch ihr Schweigen mitschuldig. Sie respektieren bis heute das „juristische Verfahren“, das darauf abzielt, Assange für den Rest seines Lebens in einem CIA-Verließ verschwinden zu lassen. Dabei ist es längst als gesetzlose Schikane entlarvt worden.

Der politische Gehalt dieses Falls ist in den letzten vier Jahren immer deutlicher zutage getreten. Die versuchte Auslieferung durch die USA ist nicht nur eine Vergeltung für Assanges Enthüllungen über frühere illegale Kriege. Sie ist auch ein Versuch, den weit verbreiteten Widerstand gegen die neuen und noch größeren Verbrechen einzuschüchtern, die der amerikanische und der Weltimperialismus vorbereiten.

Ein Viertel von Assanges britischer Haftzeit fällt mit dem Krieg in der Ukraine zusammen. Dieser Konflikt, den Washington geschürt, vorbereitet und angezettelt hat, ist mittlerweile unbestreitbar ein Stellvertreterkrieg zwischen den USA und der Nato auf der einen und Russland auf der anderen Seite. Erst vor kurzem sind Dokumente im Internet aufgetaucht, laut denen US-Truppen in der Ukraine aktiv sind und die Kämpfe leiten.

Das ist nur eine Front in dem Krieg, der sich zu einem globalen Krieg entwickelt. Die Biden-Regierung setzt (mit voller Unterstützung der australischen Labor-Regierung, die sich weigert, Assange zu verteidigen) die seit langem bestehenden Pläne für einen direkten Konflikt mit China um, welches sie als größte Bedrohung für die wirtschaftliche Vorherrschaft des US-Imperialismus betrachten.

Genau wie im 20. Jahrhundert ist der Kurs auf Krieg unvereinbar mit demokratischen Grundrechten. Er geht unweigerlich mit falschen Beschuldigungen, Schikanen und politischer Verfolgung einher.

Aber der Krieg findet unter den Bedingungen eines immensen Anwachsens des internationalen Klassenkampfs statt. Auf der ganzen Welt, von Sri Lanka bis Frankreich und praktisch auf der ganzen Welt, kommt es zu explosiven Umwälzungen. Diese globale Bewegung hat revolutionäre Implikationen; sie ist nicht nur die Grundlage für den Kampf gegen die kapitalistische Austerität, sondern auch für den Kampf gegen Krieg und zur Verteidigung demokratischer Rechte.

Assanges Verteidiger und all diejenigen, die Bürgerrechte verteidigen wollen, müssen sich den entstehenden Massenkämpfen von Arbeitern und Jugendlichen zuwenden. Die Regierungen werden Assange nur freilassen, wenn sie eine Massenbewegung von unten dazu zwingt. Die WSWS und die Sozialistischen Gleichheitsparteien werden weiterhin alles tun, um den Fall Assange in den sich entwickelnden Kämpfen zur Sprache zu bringen und Arbeiter zu ermutigen, den Kampf für Assanges Freiheit auf ihre Fahne zu schreiben.

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