Dies ist der Beitrag, mit dem Joseph Kishore, der nationale Sekretär der Socialist Equality Party (USA), die internationale Online-Kundgebung des IKVI zum 1. Mai 2023 zum Abschluss brachte. Sämtliche Reden können unter wsws.org/mayday abgerufen werden.
Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Freunde,
Die heutige Kundgebung hat die internationale Einheit der Arbeiterklasse und die globale Perspektive, die das Internationale Komitee der Vierten Internationale (IKVI) vertritt, kraftvoll zum Ausdruck gebracht.
Wir haben heute Reden von Vertretern des IKVI, der Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees (IWA-RFC) und der International Youth and Students for Social Equality (IYSSE) gehört; sie haben sich aus einem Dutzend Ländern und fünf Kontinenten an ein wirklich globales Publikum gerichtet. Zwar hat jedes Land seine Besonderheiten, aber die Grundprobleme, vor denen Arbeiter und Jugendliche stehen, sind überall die gleichen.
In den heutigen Redebeiträgen wurden die miteinander verbundenen Elemente der Weltlage dargelegt: Die Eskalation des US-Nato-Kriegs gegen Russland in der Ukraine, der sich schon im zweiten Jahr befindet; die wachsende Gefahr eines von den USA geführten Krieges gegen China; die anhaltende Covid-19-Pandemie, der schon mehr als 22 Millionen Menschen zum Opfer gefallen sind und die immer neue Varianten hervorbringt; die Verschärfung der Wirtschafts- und Finanzkrise; der Zusammenbruch demokratischer Herrschaftsformen, da die herrschende Elite zu immer unverhohleneren Formen der Unterdrückung greift, um ihre Interessen durchzusetzen; und vor allem das Anwachsen des Klassenkampfs auf der ganzen Welt.
In keinem Land wird diese Realität deutlicher als in den Vereinigten Staaten, dem Cockpit der imperialistischen Kriegsplanung und Zentrum des Finanzkapitals. Vor mehr als 30 Jahren, bei der Auflösung der Sowjetunion, verkündete die amerikanische herrschende Klasse den „unipolaren Moment“. Sie kam zum Schluss, dass „Gewalt wirkt“, und dass sie ihre enorme militärische Macht einsetzen könne, um dem wirtschaftlichen Niedergang entgegenzuwirken.
Was folgte, waren die Kriege und Interventionen gegen den Irak, Serbien, Afghanistan, Libyen, Syrien und viele andere Länder. Millionen von Menschen wurden getötet und ganze Gesellschaften verwüstet. Zuletzt haben sie den „Krieg gegen den Terror“ gegen den „Großmachtkonflikt“ ausgetauscht. Jetzt werden Russland und China ins Visier genommen, auch wenn dies, in Bidens eigenen Worten, mit einem drohenden „Armageddon“, nämlich dem Atomkrieg, einhergeht.
Der nicht enden wollende Krieg hat jedoch kein „amerikanisches Jahrhundert“ eingeläutet, sondern eine Reihe von immer extremeren wirtschaftlichen und politischen Krisen. Während die herrschende Elite vorgibt, die „Demokratie“ im Ausland zu verteidigen, wurde die Regierung vor etwas mehr als zwei Jahren beinahe durch einen faschistischen Staatsstreich gestürzt, den ex-Präsidenten Donald Trump anführte.
Die Amtsübernahme durch Biden hat die Widersprüche nicht gelöst, die ihrerseits die Grundlagen demokratischer Herrschaftsformen vollständig unterhöhlt haben. Im Gegenteil: Biden hat mit seinem Versuch, eine fiktive „nationale Einheit“ auf der Grundlage des Krieges herzustellen, letztlich nur die Republikanische Partei gestärkt.
Bei den nächsten Wahlen soll die Bevölkerung der USA die „Wahl“ haben zwischen den beiden wohl meistgehassten politischen Gestalten: dem aktuellen Präsidenten, Biden, einem alternden Achtzigjährigen, der an nichts anderes als an Krieg denken kann, und dem faschistischen Verschwörer Donald Trump.
Wie wir in der Ankündigung dieser Maikundgebung geschrieben haben - und wie in mehreren Reden heute betont wurde - bedeutet das massive Wachstum der Militärbudgets, diese gigantischen Summen für die modernsten Mittel des Todes und der Vernichtung, auch Krieg gegen die sozialen Errungenschaften der Arbeiter im jeweils eigenen Land.
Die Vereinigten Staaten weisen die größte soziale Ungleichheit von allen kapitalistischen Industriestaaten auf. An der Spitze steht eine Oligarchie, die alle staatlichen Institutionen kontrolliert, vom Präsidentenamt über den Kongress bis hin zum Obersten Gericht.
Während Billionen an die Banken geleitet wurden, befindet sich die soziale Infrastruktur in fortgeschrittenem Zustand des Verfalls. Eine typische Folge war die Giftkatastrophe von East Palestine (Ohio) nach einer Zugentgleisung Anfang dieses Jahres. Industrieunfälle sind an der Tagesordnung, und die herrschende Klasse betrachtet den Tod von Arbeitern lediglich vom Standpunkt der Geschäftskosten. Die grundlegendsten Rechte, die Arbeiter in erbitterten Kämpfen errungen haben, selbst die Abschaffung der Kinderarbeit, werden wieder abgeschafft.
In ihrer Reaktion auf die Pandemie hat die amerikanische herrschende Klasse gezeigt, dass Profite für sie mehr zählen als das Leben. Mehr als eine Million Menschen sind in den Vereinigten Staaten an Corona gestorben. Jede Woche sterben nach wie vor Tausende, während ungezählte Millionen an den Folgen von Long Covid leiden. Die herrschende Klasse hat erst unter Trump und dann unter Biden erklärt, dass „das Heilmittel nicht schlimmer als die Krankheit sein“ dürfe. Die Gesundheit von Millionen Menschen ist für sie kein Grund, Maßnahmen zu ergreifen, welche die Profite und die Aktienkurse gefährden könnten.
Auf der ersten Maikundgebung im Jahr 2014 stellte das IKVI fest, dass es „zwei Amerikas gibt. Da ist das Amerika der Wall Street, des Pentagons, der CIA, der Plutokratie, die lügt, droht und schikaniert. Und dann gibt es das Amerika der Arbeiterklasse, die all das verkörpert, was fortschrittlich ist, die wahre Hoffnung für die Zukunft.“ Die amerikanische herrschende Klasse plant auf der ganzen Welt Gewalt und Plünderung, aber im eigenen Land hat sie es mit ihrem mächtigsten Gegner zu tun: der Arbeiterklasse.
In den letzten Jahren hat der Klassenkampf in den Vereinigten Staaten deutlich zugenommen. Die Arbeiter versuchen, sich von der Kontrolle des reaktionären Gewerkschaftsapparats zu befreien. Das zeigten die Welle der Lehrerstreiks im Jahr 2018, der Streik von 40.000 GM-Arbeitern und der Ausstand von 30.000 Chicagoer Lehrern im Jahr 2019; die Arbeitsniederlegung der Automobilarbeiter zu Beginn der Pandemie im Jahr 2020, welche die Stilllegung der Produktion erzwangen; die Welle der Kämpfe von Pädagogen gegen die lebensbedrohliche Wiedereröffnung von Schulen im Herbst 2020 und im Frühjahr 2021; die Arbeitsniederlegung von 3.000 Volvo Trucks-Arbeitern im Jahr 2021; eine ganze Reihe von Streiks und Protesten von Pflegekräften gegen den katastrophalen Zustand des Gesundheitssystems; der langwierige Kampf von mehr als 120.000 Eisenbahnern im letzten Jahr gegen Tarifverträge, die letzten Endes durch eine Abstimmung im Kongress erzwungen wurden, was die Biden-Regierung unterstützte.
In diesem Jahr hat es bereits eine Reihe von Streiks im Hochschulbereich gegeben, und die Automobilarbeiter in den USA und Kanada bereiten sich auf einen großen Kampf vor, da die Tarifverträge bei den großen drei Autoherstellern, den „Big Three“, im September auslaufen.
Die Entwicklung des Klassenkampfs in den Vereinigten Staaten ist Teil eines weltweiten Aufschwungs, wie die heutigen Reden dokumentiert haben: Proteste von Millionen Menschen in Frankreich gegen Rentenkürzungen; Warnstreiks von Hunderttausenden im Großbritannien und Deutschland gegen die Angriffe auf Arbeitsplätze und die steigenden Lebenshaltungskosten; anhaltende Streiks von mehr als 120.000 Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in Kanada.
Die Arbeiter in den USA stehen vor den gleichen Problemen wie die Arbeiter in allen Ländern.
Erstens: Es gibt keine Lösung für irgendeins der großen Probleme, mit denen die Menschheit konfrontiert ist – Krieg, Pandemie, das Aufkommen von Faschismus und Diktatur –, es sei denn durch die Entwicklung des Klassenkampfs auf weltweit vereinte Weise. Dies erfordert jedoch den Aufbau von Organisationen, die von den Arbeitern selbst demokratisch kontrolliert werden, und durch die sie ihre Kämpfe vereinen können. Damit können sie sich der Kontrolle entziehen, die der korrupte, wirtschaftsfreundliche Gewerkschaftsapparat ausübt.
Die Gewerkschaftsbürokratie fördert nicht die Entwicklung des Klassenkampfs, sondern agiert als Polizei gegen die Arbeiterklasse. Gerade in Kriegszeiten sind ihre Dienste für die Herrschenden unverzichtbar. Die Arbeiter in den USA haben im vergangenen Jahr wichtige Schritte in Richtung Selbstorganisation unternommen. Sie haben im Gesundheitswesen und in den Schulen, bei Autoarbeitern und in anderen Teilen der Arbeiterklasse Aktionskomitees gegründet.
Der sozialistische Kandidat für den UAW-Vorsitz, Will Lehman, hat 5.000 Stimme erhalten, trotz systematischer Wählerunterdrückung durch den Gewerkschaftsapparat mit Hilfe des Staats und der Gerichte. Darin zeigt sich die wachsende Unterstützung für eine Bewegung, um der Arbeiterbasis die gewerkschaftliche Macht zu übertragen.
Die Entwicklung solcher Aktionskomitees in jedem Sektor und jeder Branche als Teil der Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees ist notwendig, um den Würgegriff des Gewerkschaftsapparats zu brechen und einen Weg vorwärts aufzuzeigen, um den Klassenkampf zu entwickeln.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Zweitens: Die Entwicklung des Klassenkampfs muss mit der unabhängigen politischen Mobilisierung der Arbeiterklasse verbunden werden. Dies erfordert einen Kampf gegen Demokraten und Republikaner, d.h. gegen beide Parteien der amerikanischen Kapitalistenklasse, zusammen mit all den verschiedenen Organisationen, die es in den USA und international gibt, die die Interessen der privilegierten Teile der oberen Mittelschicht vertreten.
Hier in den USA haben sich die Democratic Socialists of America (DSA) im letzten Jahr als reines Anhängsel der Demokratischen Partei erwiesen. Sie unterstützen den Krieg der USA und der NATO gegen Russland, und DSA-Mitglieder stimmten dafür, den Eisenbahnern einen Vertrag aufzuzwingen, den die Arbeiter abgelehnt hatten.
Die IYSSE kämpfen auf ihren Meetings in den USA und auf der ganzen Welt gegen die Identitätspolitik, die an den Universitäten so stark gefördert wird. Ihr Ziel ist es, die Arbeiterklasse und die Jugend zu spalten und sie der Politik der herrschenden Klasse, dem Krieg und der Reaktion unterzuordnen.
Die IYSSE setzt sich dafür ein, dass sich junge Menschen politisch, theoretisch und organisatorisch der Arbeiterklasse zuwenden, jener großen sozialen Kraft, die in der Lage ist, den imperialistischen Krieg zu stoppen, die Pandemie zu überwinden und das kapitalistische System abzuschaffen.
Diese Maikundgebung hat vor den vielen Gefahren gewarnt, vor denen die Menschheit steht. Die Kundgebung ist jedoch von einem tiefen Optimismus durchdrungen, einem Optimismus, der auf der Erkenntnis beruht, dass dieselben Widersprüche, die den imperialistischen Krieg hervorbringen, auch die soziale Revolution hervorbringen.
Dies ist keine Frage der Spekulation, sondern wurzelt in einer historisch-materialistischen Analyse des 20. Jahrhunderts, der Russischen Revolution und der Geschichte der trotzkistischen Bewegung. Bestätigt wird es durch das Anwachsen des Klassenkampfs als starke objektive Kraft auf der ganzen Welt, die den Weg in die Zukunft weist.
Dieser objektive Prozess muss jedoch ins Bewusstsein gehoben werden, und dies geschieht durch den Aufbau einer revolutionären Führung, der trotzkistischen Bewegung, des Internationalen Komitees der Vierten Internationale. Dies erfordert ein Studium der Geschichte und das Fortschreiben dieser Geschichte in der Gegenwart. Es erfordert die bewusste Entscheidung von euch allen, den aktiven Kampf für den Sozialismus aufzunehmen.
Zum Abschluss dieser Kundgebung rufe ich euch alle auf, aktiv zu werden. Spendet für die World Socialist Web Site, die in diesem Jahr ihr 25-jähriges Bestehen feiert, und helft uns, unsere Leserschaft auf Arbeiter und junge Menschen auf der ganzen Welt auszuweiten.
Informiert euch über die grundlegenden theoretischen und politischen Fragen, denn das ist notwendig, um eine sozialistische Bewegung aufzubauen. Die dafür wichtige Lehren sind in den Büchern von Mehring Books erhältlich. Beteiligt euch an Aktionskomitees und gründet sie als Teil des IWA-RFC an eurem Arbeitsplatz. Tretet der IYSSE bei und gründet eine Gruppe an eurer Schule oder Universität.
Vor allem aber tretet der Socialist Equality Party bei, wenn es sie in eurem Land schon gibt, oder helft uns, eine solche Partei zu gründen und die Präsenz des IKVI in der ganzen Welt auszubauen. Jetzt ist die Zeit, der Weltpartei der sozialistischen Revolution beizutreten und sie aufzubauen.
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