New York Times veröffentlicht aufschlussreiche Details zum US-Hightech-Krieg gegen China

Am letzten Wochenende erschien in der New York Times ein wichtiger Artikel des Journalisten Alex W. Palmer, der das Ausmaß des Hightech-Kriegs der USA gegen China enthüllt. Gleichzeitig entlarvt er auch die Lügen der US-Regierung von Präsident Joseph Biden rund um dieses Thema.

US-Präsident Joe Biden am 9. März 2022 im South Court Auditiorium auf dem Gelände des Weißen Hauses bei einer Veranstaltung zur Unterstützung von Gesetzen, welche die heimische Produktion fördern und Lieferketten für Computerchips stärken sollen [AP Photo/Patrick Semansky]

Letzten Oktober veröffentlichte das Bureau of Industry (BIS), das dem US-Handelsministerium unterstellt ist, ein Dokument, das eine Reihe von Kontrollen für den Export von Computerchips festlegt. Zu Beginn des Artikels in der New York Times heißt es, dass das 139 Seiten lange Dokument trotz administrativem Jargon und technischen Details „einer Wirtschaftskriegserklärung an China gleichkommt“.

Dieser Krieg wird immer schärfer. Die USA werden vermutlich in Kürze Mechanismen zur Überprüfung von Investitionen ankündigen mit dem Ziel, die Menge an US-Investitionen zu verringern, die in chinesische Hightech-Industrien fließen. Daneben planen die USA ihrer Exportkontrollen zu aktualisieren, um Schlupflöcher zu schließen, die seit der letzten Ankündigung im Oktober bekannt geworden sind.

Offiziell werden die Exportkontrollen damit begründet, dass sie die militärische Entwicklung Chinas eindämmen sollen. US-Finanzministerin Janet Yellen erklärte vor kurzem bei ihrem Besuch in China, die Kontrollen richteten sich nicht gegen die Wirtschaft im Allgemeinen, sondern nur gegen eng definierte Bereiche.

Doch bereits zu Beginn des Artikels wird ein wichtiger Absatz zitiert, der dies als Fiktion entlarvt:

„Mit den Exportkontrollen vom 7. Oktober hat die US-Regierung ihre Absicht angekündigt, Chinas Fähigkeit zur Produktion oder auch nur zum Erwerb der modernsten High-End-Chips lahm zu legen. Die Logik der Maßnahme ist eindeutig: Hochmoderne Chips sowie die Supercomputer und KI, die sie antreiben, ermöglichen den Bau neuer Waffen und Überwachungsgeräte. Was die Reichweite und Bedeutung angeht, könnten die Maßnahmen wohl kaum umfangreicher sein. Sie richten sich gegen ein Ziel, das weit über den chinesischen Sicherheitsstaat hinausgeht. Der Direktor des Wadhwani Center for AI and Advanced Technologies des Center for Strategic and International Studies in Washington, Gregory C. Allen, sagt in dem Kontext: ,Hierzu ist es erforderlich zu verstehen, dass die USA Chinas KI-Industrie beeinträchtigen wollen. Die Sache mit den Halbleitern ist das Mittel zum Zweck.‘“

Palmer schreibt, die im Oktober beschlossenen Kontrollen würden „im Wesentlichen darauf abzielen, die gesamte Spitzentechnologie Chinas mit Stumpf und Stiel auszurotten“.

Laut Allen sollten die Kontrollen nicht nur weitere Fortschritte verhindern, sondern: „Wir werden ihren derzeitigen Stand der Technik aktiv rückgängig machen.“

Ein weiterer Hinweis auf das Ausmaß der US-Maßnahmen sind die Äußerungen von C.J. Muse, einem ranghohen Halbleiter-Analysten bei Evercore ISO: „Wenn Sie mir vor fünf Jahren von diesen Regeln erzählt hätten, dann hätte ich sie als Kriegshandlung bezeichnet. Ich hätte gesagt, dazu müssen wir uns im Krieg befinden.“

Aus dem Artikel geht hervor, dass die Entwicklung von Halbleiterchips von zwei mächtigen, miteinander verknüpften Prozessen gekennzeichnet ist: der enormen Geschwindigkeit des technologischen Fortschritts und der globalen Integration von Chip-Design und -Herstellung.

Halbleiterchips sind winzige Silizium-Stücke, auf denen eine gewaltige Anzahl elektrischer Schaltkreise eingearbeitet ist, die durch Transistoren ein- und ausgeschaltet werden. Transistoren wurden in den 1950ern erfunden und der Öffentlichkeit erstmals in Transistorradios bekannt, die ohne die alte Röhrentechnik auskamen.

Auf den ersten Chips gab es nur „eine Handvoll Transistoren. Die heutigen primären Halbleiter in einem neuen Smartphone verfügen über 10 bis 20 Milliarden Transistoren, jeder etwa so groß wie ein Virus, die wie ein mehrstöckiger Kuchen in die Struktur des Siliziums eingearbeitet sind.“

Palmer erläutert einige der beispiellosen technologischen Fortschritte, darunter das Beispiel des niederländischen Unternehmens ASML, das als Ergebnis seiner 1997 begonnenen Forschungs- und Entwicklungsarbeit die EUV-Lithografiemaschine (Extreme Ultraviolet Lithography) entwickelt hat, mit der die Schichten auf einen Chip gedruckt werden.

„Die neueste Version der Maschine kann Strukturen entwerfen, die nur zehn Nanometer groß sind. Zum Vergleich: Ein menschliches rotes Blutkörperchen hat einen Durchmesser von 7.000 Nanometern. Mit einem Laser erzeugt sie ein Plasma, das 40-mal heißer ist als die Oberfläche der Sonne. Dieser Laser strahlt ein extremes ultraviolettes Licht aus, das für das menschliche Auge unsichtbar ist, und mehrere Spiegel leiten es auf einen Siliziumchip um.“

Die Chipproduktion in speziellen Mikrochip-Fabriken (fabs) ist der „komplexeste Fertigungsprozess, der jemals entwickelt wurde“. Ermöglichen konnte dies nur der Aufbau einer hochentwickelten internationalen Arbeitsteilung.

In dem Artikel heißt es: „Die Chipindustrie im weiteren Sinne ... ist ein Netz von gegenseitig Abhängigkeiten, das sich in hochspezialisierten Regionen und Unternehmen über den ganzen Planeten erstreckt. Ihre Leistungen sind nur möglich durch außergewöhnlich lange und komplexe Lieferketten – mit anderen Worten, ein Musterbeispiel der Globalisierung.“

Chris Miller, Autor eines Buchs mit dem Titel „Chip War“, äußerte gegenüber Palmer: „Es ist schwer vorstellbar, wie die erreichten Fähigkeiten ohne den Zugang zu den klügsten Köpfen der Welt, die alle zusammenarbeiten, möglich gewesen wären.“

Doch genau diese Entwicklung, die menschliche Fortschritte von zuvor unvorstellbarem Ausmaß ermöglicht, bedroht die Vorherrschaft des US-Imperialismus über die Weltwirtschaft. Die USA sind entschlossen, diesen Zustand um jeden Preis rückgängig zu machen, auch mit den Mitteln eines militärischen Konflikts, wenn der bereits begonnene Hightech-Krieg dazu führen sollte.

Aufgrund des globalen Charakters der Hightech-Produktion können die USA ihre Vorherrschaft nicht durch Maßnahmen durchsetzen, die von ihnen allein ergriffen werden.

Nach der Entscheidung im Oktober wurde bald klar, dass die USA zwar wichtige Punkte des Prozesses beherrschen, dass jedoch andere Länder – u.a. die Niederlande, Japan und Taiwan – andere Bereiche kontrollieren. Solange diese Länder China weiterhin beliefern, sind die Verbote der USA „so gut wie nutzlos“.

Daher hatte die Biden-Regierung im Januar dafür gesorgt, dass Japan und die Niederlande ähnliche Kontrollen wie die USA einführen. Die Logik dieses Schritts ist klar. Er bedeutet, dass die USA zur internationalen Ordnungsmacht der Hightech-Entwicklung werden müssen, um ihre Diktate gegen China durchzusetzen.

Taiwan und die Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC) spielen als größter Chiphersteller und vor allem als Hersteller der modernsten Chips innerhalb des globalen Prozesses eine zentrale Rolle. Diese Tatsache verdeutlicht, warum Taiwan im Mittelpunkt der wachsenden Spannungen zwischen den USA und China steht. Die USA behandeln Taiwan zunehmend als eigenständiges Land und nicht als Teil von China, wie es zuvor langjährig Usus in der offiziellen amerikanischen Politik war.

In dem Artikel heißt es dazu: „Wenn China die Fabriken auf der Insel besetzt, oder wenn sie während einer Invasion den Betrieb einstellen müssen, hätte das für die Weltwirtschaft katastrophal hohe Kosten zur Folge.“ Einige US-Militärstrategen schlagen vor, im Falle einer chinesischen Invasion „sollten die USA die TSMC-Fabriken zerstören, damit sie nicht unter chinesische Kontrolle geraten“.

Der Technologiekrieg hat im Jahr 2019 begonnen, als die Trump-Regierung ein Exportverbot für Chips an den chinesischen Technologiekonzern Huawei verhängte. Dies hatte verheerende Auswirkungen. Im Jahr 2020 war Huawei der weltweit größte Verkäufer von Smartphones und lieferte zudem wichtige Komponenten für Telekommunikationssysteme. Bei Smartphones lag Huawei mit 18 Prozent Marktanteil noch vor Apple und Samsung. Im Jahr 2021 sanken seine Einnahmen drastisch um fast ein Drittel, und im Jahr 2022 sank sein Marktanteil auf nur noch zwei Prozent.

Die Erfahrung mit Huawei schuf die Grundlagen für eine Ausweitung des Kriegs im Jahr 2020. Die Trump-Regierung unterwarf Huawei einem Exportkontrollgesetz, dem Foreign Direct Product Rule, das im Artikel als „umfassende Durchsetzung von extraterritorialen Befugnissen“ beschrieben wird.

Laut Gesetz gilt ein Produkt als amerikanisch, wenn es amerikanische Technologie enthält – selbst wenn es außerhalb der USA hergestellt wurde, nie ins Land gekommen ist und in seiner endgültigen Form keine Komponenten aus amerikanischer Produktion enthält.

Kevin Wolf, ein ehemaliger offizieller Vertreter des BIS, erklärt: „Durch diese Regel sind alle Halbleiter der Welt amerikanischem Recht unterworfen, weil jede Halbleiterfabrik der Welt zumindest teilweise US-amerikanische Technologie benutzt. Wenn man ein US-amerikanisches und 100 nicht-amerikanische Werkzeuge in seinem Werk hat, dann ist jeder Halbleiter, der dort produziert wird, von den Regelungen betroffen.“

Was mit Huawei begann, wurde unter der Biden-Regierung ausgeweitet. Gregory Allen von der Denkfabrik CSIS sagt dazu: „Die Trump-Regierung hatte es auf einzelne Unternehmen abgesehen, die Biden-Regierung auf ganze Industriezweige.“

Tatsächlich könnte man formulieren, Biden hat es auf die gesamte chinesische Wirtschaft abgesehen. Dass China im April mehr für den Import von Computerchips ausgegeben hat als für Ölimporte, verdeutlicht die chinesische Abhängigkeit von Chips.

Äußerungen von Emily Kilcrease, einer ehemaligen Vertreterin des US-Handelsministeriums, die heute am Center for a New American Security arbeitet, machen deutlich, dass sich die Maßnahmen gegen die gesamte chinesische Wirtschaft richten.

Sie wird in besagtem Artikel in der New York Times wie folgt zitiert: „Wir haben gesagt, es gibt wichtige Technologiebereiche, in denen China keine Fortschritte machen darf. Und dies sind die Bereiche, die künftiges Wirtschaftswachstum und Entwicklung antreiben.“

Da die Chipproduktion global so stark vernetzt ist, und die USA unmöglich alle Teile der Produktion auf ihr Gebiet bringen können, wird ihr Technologiekrieg auf große Schwierigkeiten stoßen.

Das bedeutet jedoch nicht, dass die USA in ihren Bestrebungen nachlassen werden. Im Gegenteil, wie das Vorgehen der Biden-Regierung in Bezug auf Japan und die Niederlande zeigt, werden sie ihre Anstrengungen vielmehr verstärken und ihre Verbote und Einschränkungen auf Freunde und Feinde auf der ganzen Welt ausweiten.

Das US-Handelsministerium bereitet neue Kontrollen vor, die Unternehmen wie Nvidia den Verkauf von Halbleitern, die mit KI in Zusammenhang stehen, an China verbieten. China reagiert auf diese Eskalation des Technologiekriegs mit der Androhung von Vergeltungsmaßnahmen.

Anfang letzter Woche warnte der chinesische Botschafter in den USA, Xie Feng, China müsse auf das Vorgehen der USA mit Vergeltungsmaßnahmen reagieren.

Er erklärte: „Die chinesische Regierung kann nicht tatenlos zusehen. Wir werden keine Provokationen starten, aber auch vor keiner zurückweichen. Also wird China definitiv reagieren.“

Dies wird die USA jedoch nicht von ihrem Kurs abbringen, sondern die Verwandlung des Technologiekriegs in einen militärischen Konflikt beschleunigen.

Diese reale und akute Gefahr – ein Krieg zwischen zwei Atommächten – stellt die internationale Arbeiterklasse vor entscheidende politische Fragen.

Die enorme Entwicklung der Computerchip-Technologie – das Ergebnis der Zusammenarbeit von Wissenschaftlern, Ingenieuren und Arbeitern auf der ganzen Welt – bedeutet eine enorme Ausweitung der Produktivkräfte. Hiermit sind die Grundlagen gegeben, um potenziell Hunger, Elend und Armut für immer zu beenden und die Lebensbedingungen der Weltbevölkerung in beispiellosem Ausmaß zu verbessern.

Doch unter den Rahmenbedingungen des Kapitalismus führt die Entwicklung in den Wahnsinn. Dieser Wahnsinn beruht nicht auf der Psyche kapitalistischer Politiker, sondern auf den gesellschaftlichen Beziehungen des Profitsystems und dem Widerspruch zwischen der integrierten Weltwirtschaft einerseits und andererseits der Aufteilung der Welt in rivalisierende und widerstreitende Nationalstaaten.

Vor fast 150 Jahren erklärte Karl Marx, dass es zur sozialistischen Revolution kommt, wenn die durch menschliche Arbeit geschaffenen Produktivkräfte in Konflikt mit den gesellschaftlichen Beziehungen geraten, in denen sie sich entwickelt haben. Dieser Widerspruch, der die treibende Kraft in den Kriegen und Revolutionen der letzten 100 Jahre war, hat einen neuen Höhepunkt, eine neue Intensität erreicht.

Die trotzkistische Weltbewegung, das Internationale Komitee der Vierten Internationale (IKVI), vertritt heute als weltweit einzige Bewegung die Perspektive der sozialistischen Weltrevolution. Der Kampf für diese Perspektive ist kein entferntes oder utopisches Ideal: Er ist eine objektive Notwendigkeit und der einzige Weg, um den Rückfall in die Barbarei zu verhindern und der Menschheit einen neuen Weg aus dem zerstörerischen Würgegriff des kapitalistischen Systems zu eröffnen.

Loading