Der Pakt mit der AfD in Thüringen und der Kampf gegen Faschismus

Arbeiter und Jugendliche müssen die jüngsten Ereignisse in Thüringen als ernste Warnung verstehen. Die Entscheidung von CDU und FDP mit den Stimmen der AfD ein Gesetz zur Senkung der Grunderwerbssteuer zu beschließen, ist einer weiterer Schritt auf dem Weg, die Faschisten direkt an die Schalthebel der Macht zu bringen.

Bei der Abstimmung handelte es sich nicht einfach um die Verabschiedung eines reaktionären Gesetzes, das vor allem reichen Grundbesitzern und Immobilienspekulanten zu Gute kommen wird. CDU und FDP haben mit der AfD bewusst eine potentielle Regierungsmehrheit gegen die amtierende rot-rot-grüne Landesregierung von Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) gebildet, die bislang – zumindest offiziell – von der CDU toleriert wurde.

Thomas Kemmerich (FDP) (vorne links), dahinter Björn Höcke (AfD) und Mike Mohring (CDU), und ganz rechts Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) [Photo by Sandro Hanlank / CC BY-SA 4.0]

Das Vorgehen erinnert an die Entwicklung nach den letzten Landtagswahlen. Anfang 2020 wählten CDU und FDP mit den Stimmen der AfD den FDP-Mann Thomas Kemmerich zum thüringischen Ministerpräsidenten. Auf Grund massiver Proteste sah sich Kemmerich zwar gezwungen, wieder zurückzutreten, aber die gezielte Stärkung der AfD ging weiter – und das, obwohl sich diese immer offener als faschistische Partei positionierte.

In Thüringen zeigt sich das besonders deutlich. Der Landesvorsitzende Björn Höcke ist ein völkischer Nationalist und Rassist, der systematisch daran arbeitet, die Politik der Nazis wiederzubeleben. Aktuell muss sich Höcke vor dem Landgericht Halle verantworten, weil er 2021 in einer Rede in Merseburg die verbotene Losung der Sturmabteilung (SA) der NSDAP „Alles für Deutschland“ verwendet haben soll.

Höckes Merseburger Rede war keine Ausnahme. In seiner noch berüchtigteren Dresdner Rede hatte er vier Jahre zuvor eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ gefordert und das Holocaust-Mahnmal in Berlin mit den Worten kritisiert: „Die Deutschen sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat“.

Und in seinem 2018 erschienenen Buch „Nie zweimal in denselben Fluss“ schwadroniert Höcke von einem „Volkstod durch den Bevölkerungsaustausch“ und fordert die Deportation von „kulturfremden“ Menschen aus Deutschland in einem „groß angelegten Remigrationsprojekt“. Dabei werde man „nicht um eine Politik der ‚wohltemperierten Grausamkeit‘ herumkommen“.

Während führende Vertreter von CDU und FDP die gemeinsame Abstimmung mit den Höcke-Faschisten rechtfertigten, gaben sich SPD, Grüne und Linke entsetzt. Ramelow sprach von einem „einzigartigen Vorgang“ und „Pakt mit dem Teufel“ und Katja Mast, die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, von einem „ganz besonderen politischen Tabubruch“. Die grüne Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt kritisierte, dass nun „nicht nur die Brandmauer nicht mehr da ist, sondern dass es eine offene Zusammenarbeit [mit der AfD] gibt“.

Aus dem Munde von Rot-Rot-Grün ist das pure Heuchelei, die vor allem dazu dient, die eigenen Spuren zu verwischen. Gerade in Thüringen zeigt sich, wie „offen“ auch die nominell linken Parteien mit der AfD zusammenarbeiten. Nach dem Rücktritt Kemmerichs und seiner Wiederwahl im Februar 2020 übte Ramelow selbst den Schulterschluss mit der AfD. Er verhalf dem AfD-Mann Michael Kaufmann mit seiner Stimme zum Amt eines Vizepräsidenten des thüringischen Landtags und prahlte damit öffentlich auf Twitter. Er habe sich „sehr grundsätzlich entschieden, auch mit meiner Stimme den Weg frei zu machen für die parlamentarische Teilhabe, die jeder Fraktion zugebilligt werden muss“.

Seitdem kooperieren unter dem „linken“ Ministerpräsidenten alle Landtagsparteien eng mit den Rechtsextremen. Schon ein Blick auf die Parlamentsausschüsse unterstreicht das. So wird etwa der Ausschuss für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft vom AfD-Abgeordneten Dieter Laudenbach geleitet (sein Stellvertreter ist Kemmerich). Und auch die Ausschüsse für Migration, Justiz und Verbraucherschutz und für Umwelt, Energie und Naturschutz werden von AfD-Leuten geführt. Dabei rekrutieren sich ihre jeweiligen Stellvertreter aus SPD und Grünen. In der von der Linkspartei geführten Strafvollzugskommission (ein Unterausschuss des Petitionsausschusses) stellt ihrerseits die AfD den Stellvertreter.

Auch auf kommunaler Ebene gibt es längst eine „offene“ Zusammenarbeit aller etablierten Parteien mit den Faschisten. So stimmten grüne Stadträte ausgerechnet im Wahlkreis ihrer Partei-Vorsitzenden Ricarda Lang in Baden-Württemberg im vergangenen Jahr einem Antrag der AfD zu. Im thüringischen Hildburghausen kollaboriert die SPD mit der AfD, und bereits 2014 hatte die Linkspartei im Gemeinderat von Muldestausee in Sachsen-Anhalt eine der ersten Fraktionen mit der AfD gebildet.

Und als im thüringischen Sonneberg mit Robert Sesselmann Ende Juni der erste AfD-Landrat gewählt wurde, rechtfertigte der SPD-Oberbürgermeister im benachbarten Coburg, Dominik Sauerteig, dies umgehend und erklärte, er werde Sesselmann bei der gemeinsame Arbeit für die Region „ganz konkret in die Pflicht nehmen“.

Die gleiche enge Kooperation findet auf Bundesebene statt. Im Bundestag arbeiten alle Parteien seit dem Einzug der AfD 2017 in den Ausschüssen mit den Faschisten zusammen. Sie haben dabei in den letzten Jahren nicht nur systematisch die sozialen, ideologischen und politischen Voraussetzungen für den Aufstieg der AfD geschaffen, sondern auch weite Teile ihres Programms übernommen. Neben dem aggressiven Vorgehen gegen Flüchtlinge und der Durchseuchungspolitik in der Pandemie gilt das vor allem auch für die Kriegspolitik.

Die Maxime der herrschenden Klasse, Deutschland wieder zur führenden europäischen Militärmacht hochzurüsten, um weltpolitisch eine Rolle zu spielen, wird von allen Bundestagsparteien geteilt. Die Ampelregierung nutzt die Kriegsoffensive der Nato gegen Russland systematisch für die größte Aufrüstung seit Hitler und hat unter dem Jubel der AfD ein 100 Milliarden schweres Sondervermögen für die Bundeswehr verabschiedet und den Militärhaushalt drastisch erhöht.

Allen voran im Ukrainekrieg wird sichtbar, an welche historischen Traditionen der deutsche Imperialismus wieder anknüpft. Die gleiche herrschende Klasse, die bereits im 20. Jahrhundert zwei mörderische Kriege gegen Russland entfesselt hat, und dabei auch versucht hat, die Ukraine zu dominieren, schickt sich ein drittes Mal an, ihre geopolitischen und wirtschaftlichen Ambitionen mittels Krieg im Osten durchzusetzen. Dabei stützt sie sich in Kiew auf ein Regime, das Nazi-Kollaborateure wie Stepan Bandera feiert und Mitgliedern von faschistischen Armeeeinheiten und Milizen als „Freiheitskämpfer“ verehrt.

Auch „zu Hause“ verfolgt die herrschende Klasse nun zunehmend offen diesen Kurs und knüpft an die Politik und Propaganda der Nazis an. An der Humboldt-Universität wurde in den letzten zwei Wochen die Foto-Ausstellung „Russian War Crimes“ gezeigt, die in der schlimmsten Tradition der Gräuelpropaganda der Nazis steht und erklärtermaßen das Ziel verfolgt, den Krieg in der Ukraine weiter zu eskalieren. An der gleichen Uni verharmlost der rechtsextreme Professor Jörg Baberowski den Nationalsozialismus („Hitler war nicht grausam“) und trommelt für brutale Kriege. Gegen Kritik wird er von allen Bundestagsparteien verteidigt.

Die Sozialistische Gleichheitspartei hat von Anfang an davor gewarnt, dass zwischen der Rückkehr des deutschen Militarismus und der Stärkung der AfD durch das gesamte politische Establishment ein direkter Zusammenhang besteht. Um ihre Kriegsoffensive und die damit einhergehenden massiven sozialen Angriffe gegen die wachsende Opposition der Bevölkerung durchzusetzen, braucht die herrschende Klasse wie in der Vergangenheit die Faschisten.

„Wie in den 1930er Jahren bedeutet Krieg nach außen Diktatur und Faschismus im Inneren“, warnt die SGP in ihrem Wahlaufruf für die Europawahl. Und gleichzeitig betonen wir: „Die einzige gesellschaftliche Kraft, die einen weiteren Weltkrieg verhindern kann, ist die internationale Arbeiterklasse – also die große Mehrheit der Weltbevölkerung, die heute zahlreicher und vernetzter ist als je zuvor. Die SGP baut zusammen mit ihren Schwesterparteien in der Vierten Internationale eine weltweite sozialistische Bewegung gegen Krieg und seine Ursache, den Kapitalismus, auf.

• Stoppt den Nato-Krieg in der Ukraine! Keine Sanktionen und Waffenlieferungen!

• Zwei Weltkriege sind genug! Stoppt die Kriegstreiber!

• 100 Milliarden für Kitas, Schulen und Krankenhäuser statt für Rüstung und Krieg!“

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